Eppelheim

Der Bahndamm wird versteigert

Deutsche Bahn veräußert Areal bei Auktion am 26. Juni - Bürgermeisterin sieht kein Planungsrecht

19.06.2020 UPDATE: 20.06.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 27 Sekunden
Der ehemalige Bahndamm hat sich zum Grüngürtel zwischen Gewerbegebiet und Wohnbebauung entwickelt und wird von den Eppelheimern als Naherholungsfläche genutzt. Foto: Alex

Von Benjamin Miltner

Eppelheim. Ein Teil von ihm stand schon einmal zum Verkauf, diesmal scheint es wirklich so weit zu sein: Der Eppelheimer Bahndamm kommt unter den Hammer. Die Deutsche Bahn veräußert das 3,8 Hektar große Areal im Süden Eppelheims im Rahmen einer Versteigerung am Freitag, 26. Juni, in Berlin. Anbieter ist das Auktionshaus Karhausen. Das Mindestgebot im Rahmen der Sommer-Auktion wird bei 58.000 Euro liegen. Damit gerät der Bahndamm automatisch wieder verstärkt ins Visier von Investoren. Wird damit die nicht enden wollende Diskussion um eine mögliche Bebauung des Grüngürtels zwischen Gewerbegebiet und Wohnbebauung um eine neue Episode erweitert?

Für Eppelheim bedeutungsvoll ist die Strecke schon seit langer Zeit. Sie ist Teil des historischen Schnellwegs vom Schwetzinger Schloss nach Heidelberg, den Kurfürst Carl-Theodor im 18. Jahrhundert zur "Maulbeerallee" ausbauen wollte. Von 1872 an verkehrte dann die Eisenbahn auf der geraden Linie. 1966 wurde die Bahnstrecke stillgelegt – und die Gegend von der Natur zurückerobert.

Hintergrund

> Der Eppelheimer Bahndamm verläuft im Süden der Stadt von der Autobahn A 5 in Richtung Westen entlang der Straßen Wingertspfad, Herrmann-Wittmann-Straße und "Am Sportplatz" bis zu den Birkighöfen. Um den rund zwei Kilometer langen und im Schnitt knapp 20 Meter breiten

[+] Lesen Sie mehr

> Der Eppelheimer Bahndamm verläuft im Süden der Stadt von der Autobahn A 5 in Richtung Westen entlang der Straßen Wingertspfad, Herrmann-Wittmann-Straße und "Am Sportplatz" bis zu den Birkighöfen. Um den rund zwei Kilometer langen und im Schnitt knapp 20 Meter breiten Schlauch ranken sich aus den vergangenen Jahrzehnten ebenso viele Entwicklungspläne wie Streitpunkte. Eine Chronologie:

> 1966: Die Bahnlinie wird stillgelegt, neben dem Rad- und Fußweg entwickelt sich eine Grünzone mit Biotopen.

> 1972: Der Bebauungsplan "Justus-von-Liebig-Straße" (Bahndamm) wird aufgestellt. Seitdem gibt es immer wieder Ideen für eine Bebauung, deren Intensivierung ab dem Jahr 2004 der damalige Bürgermeister Dieter Mörlein vorantreibt.

>2012: Der Bebauungsplan "Gewerbegebiet Süd" ermöglicht für das angrenzende Industriegebiet die Erweiterung der Firma Wild. Zudem entwidmet die Deutsche Bahn als Eigentümer den Bahndamm als Bahnstrecke, verfügt aber bis 2019 über die Option zur anderweitigen Nutzung des Geländes.

> 2014: Planungen zur Errichtung von 17 Stadtvillen südlich des Wingertspfades auf rund 0,9 Hektar Fläche werden bekannt. Zudem wird gegen den Willen des Gemeinderats Baurecht geschaffen für die Errichtung eines Discounters nahe des heutigen Edeka-Marktes.

>2015: Unter dem Titel "Entwicklungsfläche Eppelheim" sollen knapp 1,2 Hektar Fläche zwischen Herrmann-Wittmann-Straße und der Straße "Am Sportplatz" unter den Hammer kommen. Als angestrebte Nutzungen werden Geschosswohnungsbau und Gewerbe (Discounter) genannt. Der Gemeinderat erwirkt die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts und zwingt die Stadtverwaltung gleichzeitig dazu, gegen den Bauvorbescheid des Landratsamtes zu klagen.

> 2016: Das Verwaltungsgericht in Karlsruhe gibt dem Gemeinderat Recht und hebt den Bauvorbescheid auf. "Der Bahndamm bleibt damit grün", fasst Bürgermeister Mörlein zusammen und spricht von einer "vertanen Chance für Eppelheim."

> 2017: Erst jetzt wird bekannt, dass der Bahndamm bereits 1996 entwidmet wurde. Damit ist klar: Es gibt schon lange kein Baurecht mehr, das Areal ist Grünfläche und somit weit weniger wert als gedacht. Die Drohkulisse der Verwaltung, die Bahn könne die Stadt auf mehrere Millionen Euro Schadensersatz verklagen, war wohl nie real.

> 2020: Der Bahndamm spielt sowohl bei der Planung zum Radschnellweg von Heidelberg nach Schwetzingen als auch für die Streckenführung der neuen Straßenbahn ins Patrick-Henry-Village eine Rolle. Am 26. Juni steht derweil die Versteigerung des kompletten Bahndamms mit 3,8 Hektar Fläche bevor.

[-] Weniger anzeigen

Über Jahrzehnte hat sich auf dem rund zwei Kilometer langen und im Schnitt knapp 20 Meter breiten Schlauch neben dem Rad- und Fußweg ein grünes Refugium entwickelt, das die Eppelheimer als Rückzugs- und Naherholungsfläche lieb gewonnen haben. Entsprechend haben sie alle Bebauungspläne und Entwicklungsideen abgeblockt, die vor allem während der Amtszeit von Bürgermeister Dieter Mörlein (1994 – 2017) gediehen. Nun könnte der zuletzt ruhende Streit durch den Verkauf des Bahngeländes wieder zu neuen Auseinandersetzungen zwischen Gemeinderat, Bevölkerung und Verwaltung führen.

Wie schätzt Bürgermeisterin Patricia Rebmann die aktuelle Lage ein? Auf RNZ-Nachfrage bestätigt sie viele Gespräche mit Investoren. Auch in jüngster Zeit gab es immer wieder Rückfragen. "Fakt ist aber, dass sich der Gemeinderat am Bahndamm nichts anderes vorstellen kann als die aktuell vorhandene Grünfläche", betont die Rathauschefin. Alles sei bewachsen, grün und soll nach dem Willen des Gremiums auch für eine lange Zeit so bleiben. In ihren nunmehr drei Jahren im Amt habe sie nie einen Mehrheitswunsch nach einer Bebauung wahrgenommen. Sie glaube auch nicht an einen Meinungsumschwung und stellt klar: "Es gibt dort keinerlei Planungsrecht und wird es auch nicht geben."

Auch interessant
: Eppelheimer Bahndamm: Bewusste Täuschung oder Inkompetenz?
: Eppelheimer Bahndamm bleibt wohl grün
: Eppelheim: Bahndamm-Deal ist mit Wild nicht zu machen

Das Auktionshaus Karhausen sieht das naturgemäß etwas anders. Die Flächen lägen überwiegend im Außenbereich, einige Teile seien aber möglicherweise entwicklungsfähig, heißt es im Exposé zum Objekt. "Der eine oder andere wird sich ausmalen, dass er mit etwas Augenmaß eine kleine Ecke entwickelt kriegt", meint Matthias Knake, Vorstandsmitglied des Auktionshauses auf RNZ-Nachfrage. "Wer die Grundstückspreise hier am Stadtrand von Heidelberg kennt, weiß, dass dies durchaus spannend werden kann", frohlockt der leitende Auktionator und spricht von einer "Chance auf einen preiswerten Erwerb".

Die Frage ist nur: mit welcher Perspektive? Denn das Land Baden-Württemberg plant, die über den Eppelheimer Bahndamm führende "Maulbeerallee" zum Radschnellweg zwischen Heidelberg und Schwetzingen auszubauen. "Allein schon diese Idee würde mich als Investor abschrecken", meint Rebmann. Denn die Zukunft für das Areal liege wohl kaum in einer Wohnbebauung, auch wenn sie betont: "Die Planung für den Radschnellweg steht noch ganz am Anfang und liegt in der Hand der Kommunen." Auch mehrere Varianten für die neue Straßenbahn ins Patrick-Henry-Village führen über die Trasse.

Egal ob Wohnungen, Radschnellweg oder Straßenbahn: Bei allen Planungen sieht es Bürgermeisterin Rebmann als Ziel an, die "grüne Lunge Eppelheims" so weit als möglich zu erhalten. Aktuell scheint diese Sicht in der ehemaligen Maurergemeinde Konsens zu sein – doch im Zuge der Versteigerung am Freitag könnte die nächste Zerreißprobe bald folgen.

Auch, was die Zaun-Umgehung am Edeka-Markt von der Rathenaustraße quer über den Bahndamm zum Edeka-Parkplatz angeht. Der jahrelange Zaunstreit rund um den illegalen Trampelpfad – der sogenannte "Ho-Chi-Minh-Pfad" – war von der Stadt vergangenes Jahr durch eine neue, rechtmäßige und von Edeka finanzierte Wegeführung befriedet worden. "Der Weg wäre mit dem neuen Eigentümer wieder zu verhandeln", erklärt Patricia Rebmann auf RNZ-Nachfrage. Die Rathauschefin befürchtet: "Wenn dieser Eigentümer nicht kundenfreundlich eingestellt ist, wird der Weg dann wieder zuwachsen."

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.