Gesetzespaket

Arbeitende Flüchtlinge sollen bleiben

Land will "Beschäftigungsduldung" - Polizeigesetz beschlossen

10.03.2020 UPDATE: 10.03.2020 21:15 Uhr 2 Minuten, 35 Sekunden

"Bodycams" sollen Polizisten vor Angriffen schützen. Foto: dpa

Von Jens Schmitz, RNZ Stuttgart

Stuttgart. Im Streit um die Abschiebung gut integrierter Flüchtlinge einerseits und ein neues Polizeigesetz andererseits hat sich die grün-schwarze Koalition am Dienstag endgültig geeinigt. Übergangsweise soll ein Kniff der Wirtschaft helfen, Arbeitskräfte ohne Beschäftigungsduldung zu behalten. Die Polizei soll neue Befugnisse erhalten.

Kern des Konflikts waren Forderungen aus Unternehmen, Flüchtlingen in Arbeit auch dann eine Bleibeperspektive zu verschaffen, wenn sie noch keinen Duldungsstatus erlangt haben. Zahlreiche Firmen haben solche Flüchtlinge ausgebildet, weil sie sonst keine Fachkräfte finden. Da die Betroffenen ausreisepflichtig bleiben, kommt es immer wieder zu Abschiebungen.

Die Koalition hatte im Dezember ein Kompromisspaket geschnürt, das Grüne und CDU später aber unterschiedlich interpretierten. In der Folge blockierten die Grünen von Innenminister Thomas Strobl (CDU) gewünschte Neuerungen beim Polizeigesetz.

Das Anfang 2020 in Kraft getretene Beschäftigungsduldungsgesetz des Bundes regelt, wann eine "Beschäftigungsduldung" in Frage kommt: Ausländer müssen etwa seit mindestens 18 Monaten einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen und seit mindestens zwölf Monaten im Besitz einer Duldung sein. Letztere erhalten sie zum Ende ihres Asylverfahrens. Bis zum Ablauf der zwölf Monate bleiben sie danach ausreisepflichtig.

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Das Kabinett hat am Dienstag eine Bundesratsinitiative beschlossen, die hier Änderungen bewirken soll. "Ziel ist es, für Geflüchtete, deren Verfahren von der Hochphase des Flüchtlingszugangs betroffen waren, eine Anrechnungsmöglichkeit für Aufenthaltszeiten während des Asylverfahrens auf den notwendigen Duldungszeitraum zu schaffen", sagte Strobl.

Das schafft allerdings keine kurzfristige Abhilfe. Übergangsweise dürften sich Personen, die außer den Vorduldungszeiten alle Voraussetzungen erfüllen und vor dem 29. Februar 2016 ins Land gekommen sind, deshalb an die Härtefallkommission wenden, sagte Strobl. "Die Härtefallkommission wird diese Fälle dann intensiv prüfen." In dieser Zeit werde nicht abgeschoben. "Dadurch erhalten betroffene Ausländer die Möglichkeit, den Vorduldungszeitraum von zwölf Monaten zu durchlaufen und damit alle Voraussetzungen für eine Beschäftigungsduldung zu erfüllen."

Sorgen, dass die Ergebnisse dieses Prozederes nicht verlässlich sein könnten, trat Strobl entgegen: "Niemand ist verlässlicher als Herr Kretschmann und ich", sagte er unter Bezug auf den neben ihm sitzenden Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne). "Es hat lang gedauert, aber ist jetzt auch gut", sagte der zu der Einigung. Sie beinhaltet auch die Zustimmung seiner Partei zum neuen Polizeigesetz, das nun in die Anhörung geht.

Zukünftig soll die Polizei auch in Wohnungen und Geschäften Bodycams einschalten dürfen, wenn Gefahr für Leib und Leben droht. Strobl versprach eine Ausstattung wie in keinem anderen Bundesland: "Flächendeckend werden Sie keine Streife mehr sehen ohne die Bodycam." Das schütze nicht nur Polizisten, sondern bei Fällen von häuslicher Gewalt auch Frauen und Kinder, sagte Strobl. Allerdings bedarf etwa die weitere Verarbeitung von Aufnahmen aus einer Wohnung der richterlichen Zustimmung.

Das neue Gesetz soll unter anderem auch Personenkontrollen bei Großveranstaltungen erleichtern und den rechtssicheren Einsatz von Kennzeichenlesesystemen ermöglichen.

Update: Dienstag, 10. März 2020, 21.15 Uhr


Stuttgart. (dpa) Nach langen Diskussionen hat die grün-schwarze Landesregierung das neue Polizeigesetz und eine Bundesratsinitiative zum Bleiberecht gut integrierter Flüchtlinge beschlossen. Die Pläne zum Polizeigesetz sollen nun zügig in den Landtag gehen, um auch dort besiegelt zu werden, wie CDU-Innenminister Thomas Strobl am Dienstag nach der Kabinettssitzung in Stuttgart sagte.

Zu dem Paket gehört, dass Baden-Württemberg bald zusammen mit anderen Bundesländern eine Bundesratsinitiative einreichen will, um für Asylbewerber mit Arbeit eine bessere Bleibeperspektive zu schaffen. Flüchtlinge, die unter die geplante neue Regelung im Bund fallen werden, können zwar nicht schon im Vorgriff darauf eine Beschäftigungsduldung bekommen. Einzelfälle sollen aber der Härtefallkommission des Landes zugeleitet werden, um ihre Abschiebung zu verzögern. Grundsätzlich sollen da, wo es rechtlich möglich ist, zunächst solche abgelehnten Asylbewerber abgeschoben werden, die keine Arbeit haben und nicht in Ausbildung sind.

Beim neuen Polizeigesetz geht es den Angaben zufolge darum, dass Polizisten in bestimmten Fällen Schulterkameras ("Bodycams") auch in Wohnungen oder Diskotheken einsetzen dürfen. Zudem soll die Rechtsgrundlage für Kontrollen von Menschen bei Großveranstaltungen wie Fußballspielen verbessert werden. Die Koalition hatte bereits im Dezember eine Einigung zum Polizeigesetz und Bleiberecht verkündet. Über die Auslegung von Details gab es dann aber Streit.

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