Absurde Abschiebepraxis?
Innenminister Strobl wird von der SPD im Landtag scharf angegangen - Der sieht keine Spielräume

Von Roland Muschel, RNZ Stuttgart
Stuttgart/Ladenburg. Im Streit um den Umgang mit ausreisepflichtigen, aber gut integrierten Flüchtlingen hat SPD-Fraktionschef Andreas Stoch der Landesregierung vorgeworfen, mit einer "absurden" Abschiebepraxis "gegen jeden gesunden Menschenverstand" zu agieren. Wenn Innenminister Thomas Strobl (CDU) Geflüchtete in Arbeit abschieben lasse, handele er nicht nur "bewusst und ausdrücklich gegen die Interessen der Wirtschaft". Es entstehe so auch der fatale Eindruck, dass das Land "die Falschen" abschiebe, sagte Stoch in einer von seiner Fraktion beantragten Landtagsdebatte. FDP-Innenexperte Nico Weinmann übte ebenfalls Kritik: Bis es ein "vernünftiges Einwanderungsgesetz" im Bund gebe, könne sich das Land "den Luxus", gut integrierte Arbeitskräfte abzuschieben, nicht erlauben.
Die beiden Oppositionsparteien versuchten mit der Debatte, die Scheinwerfer auf eine offene Flanke der Regierung zu richten. Grüne und CDU hatten sich Mitte Dezember auf ein innenpolitisches Paket geeinigt. Es sieht auf Wunsch der CDU vor, dass die Polizei künftig Körperkameras auch bei Einsätzen in Wohnungen und Geschäftsräumen nutzen können soll. Auf Drängen der Grünen wiederum soll eine Bundesratsinitiative zur Ausweitung des Bleiberechts für Flüchtlinge in Arbeit und Ausbildung auf den Weg gebracht werden.
In den vergangenen Tagen stritten die Koalitionspartner aber darüber, wie man bis dahin mit gut integrierten und arbeitenden Asylbewerbern umgeht – und welchen Ermessensspielraum das Innenministerium und seine nachgeordneten Behörden haben. Die Debatte wird durch Fälle wie den eines 26-jährigen Afghanen in Ladenburg befeuert, der erst in diesem Monat trotz eines festen Arbeitsplatzes abgeschoben worden ist.
Strobl selbst versicherte in der Debatte zwar, dass das Innenministerium "wo immer Spielräume zur Verfügung stehen", diese auch ausschöpfe. Zugleich machte er klar, dass er so viele Spielräume nicht sieht. "Wer jemanden einstellt, der ausreisepflichtig ist, muss damit rechnen, dass dieser auch nach der Einstellung ausreisepflichtig bleibt. Das ist die Rechtslage", sagte Strobl in Richtung der Unternehmer. Der Bund habe verbindlich festgelegt, unter welchen Voraussetzungen sich für ausreisepflichtige Ausländer in Beschäftigung eine Bleibeperspektive eröffne. Diese Festlegungen könne das Land nicht unterlaufen. "Das wäre eine klar rechtswidrige Umgehung des Gesetzes, und dafür stehe ich nicht zur Verfügung!"
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Um den Koalitionsstreit nicht weiter anzuheizen, ging Grünen-Fraktionsvize Daniel Lede Abal in der Plenardebatte die SPD an: Die Genossen hätten im Bund das Migrationspaket von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) durchgewunken, dass zu der "unklaren Rechtslage" bei der Ermessensduldung geführt habe. Dass die Grünen wesentlich mehr Spielraum sehen als Strobl, machte indes der Grünen-Innenexperte Uli Sckerl am Rande der Plenarsitzung deutlich: Solange sich die Koalition in der Frage nicht einig sei, sei das ganze innenpolitische Paket "angehalten".