Wieso wurde der Vergewaltiger von Freiburg nicht vorher verhaftet?
Strobl in der Kritik: Der grüne Ministerpräsident Kretschmann stellt sich hinter seinen CDU-Innenminister

Innenminister Thomas Strobl (CDU) und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag auf einer Pressekonferenz. Thema: Die Freiburger Gruppenvergewaltigung. Foto: dpa
Von Nico Pointner
Stuttgart. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat die zunehmende Kritik im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung in Freiburg zurückgewiesen. "Bis zur Stunde (...) kann ich nicht erkennen, dass hier Fehler gemacht wurden", sagte Strobl am Dienstag in Stuttgart. Es werde aber geprüft, ob alles richtig gemacht worden sei. Strobl wies auch zurück, dass Pannen vertuscht werden sollten. Das hatte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke ihm vorgeworfen.
Mitte Oktober soll eine 18 Jahre alte Studentin in Freiburg nach einem Disco-Besuch von mehreren Männern vergewaltigt worden sein. Acht Verdächtige sitzen in Untersuchungshaft, nach zwei weiteren Männern wird gesucht.
Hintergrund
> Ein Tunichtgut ist laut Duden "jemand, der Unfug treibt, Schlimmes anrichtet". In der Debatte um Kriminalität verwendet die grün-schwarze Landesregierung ihn derzeit für problematische Asylbewerber. Man habe sich auf den schwammigen Begriff geeinigt,
> Ein Tunichtgut ist laut Duden "jemand, der Unfug treibt, Schlimmes anrichtet". In der Debatte um Kriminalität verwendet die grün-schwarze Landesregierung ihn derzeit für problematische Asylbewerber. Man habe sich auf den schwammigen Begriff geeinigt, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag.
Allerdings scheint Kretschmann sich mit seinem Innenminister Thomas Strobl (CDU) nicht ganz einig zu sein, was die genaue Definition angeht. Für Strobl sind Tunichtgute offenbar problematische Flüchtlinge, die "keine Straftaten begehen beziehungsweise nicht verurteilt sind", wie er am Dienstag sagte. Für Kretschmann umfasst die Definition auch Leute, die Verbrechen begehen - vom Schwarzfahrer bis zum Sexualstraftäter. Aber es handelt sich eben auch nur um einen schwammigen Begriff - und keine juristische Definition. lsw
Die Polizei und Strobl stehen vor allem in der Kritik, weil gegen den syrischen Hauptbeschuldigten ein Haftbefehl vorlag, der nicht vollstreckt wurde. Der Grünen-Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand warf Strobl Versäumnisse mit Bezug auf offene Haftbefehle im Land vor. Nach Angaben Bundesregierung waren Ende März 2018 allein in Baden-Württemberg knapp 20.000 Haftbefehle offen. Die hohe Zahl sei eine ernstzunehmende Gefahr für die innere Sicherheit, sagte Hildenbrand.
Die Polizei priorisiere die Haftbefehle nach der Gefährlichkeit der Personen, sagte Strobl. Bei der Masse der offenen Haftbefehle handele es sich erfahrungsgemäß um nicht bezahlte Geldstrafen, etwa für Diebstahlsdelikte, Schwarzfahren und Ordnungswidrigkeiten. Wie sich die knapp 20.000 Haftbefehle aufschlüsselten, könne er aber nicht sagen. Man versuche aufzuarbeiten, wie sich die offenen Haftbefehle kategorisierten. Das werde im Augenblick nicht statistisch erfasst.
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Strobl räumte ein, dass der Haupttäter dem Sonderstab "Gefährliche Ausländer" des Innenministeriums bereits im August 2018 gemeldet worden sei. Allerdings habe gegen ihn keine erhebliche strafrechtliche Verurteilung vorgelegen. Erst nach einer Verurteilung wäre eine Ausweisung in Betracht gekommen.
Strobl bekräftigte seine Forderung nach einer neuen Lageeinschätzung zu Syrien für mögliche Abschiebungen. Er wolle das Thema auf der Innenministerkonferenz einbringen.
Auch die Grüne Jugend nahm Strobl ins Visier. "Strobl dreht völlig am Rad, wenn er fordert, dass Syriens Sicherheitslage neu eingeschätzt werden soll", betonten die Sprecher Lena Schwelling und Marcel Roth. "Syrien ist nicht sicher, deshalb darf dorthin auch niemand abgeschoben werden. Straftäter müssen hier dem Rechtsstaat vorgeführt werden."
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) stellte sich hinter den Koalitionspartner Strobl. Er sagte, er habe Hildenbrand gebeten, "solche Fragen in Zukunft in den dafür zuständigen Gremien zu erörtern und nicht den Koalitionspartner öffentlich anzugreifen".
Zu einer eigentlich geplanten Aussprache in der Grünen-Landtagsfraktion kam es allerdings nicht. Ein Sprecher Strobls erklärte, der Minister sei bei Beratungen in der CDU-Fraktion gewesen. Auch Strobl könne nicht an zwei Orten gleichzeitig sein. Als Strobl die CDU-Fraktion hätte verlassen können, habe es bei den Grünen nicht mehr gepasst. Strobl soll nun am Mittwochmittag seinen Besuch in der Grünen-Fraktion nachholen.