Freiburger Vergewaltigungsfall

Die Gefahr des Täters war bekannt

Hauptbeschuldigter war offenbar Mehrfachtäter - Strobl weist Rücktrittsforderung zurück

02.11.2018 UPDATE: 03.11.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 1 Sekunde
Ein Polizeifahrzeug fährt in der Freiburger Fußgängerzone vor dem Martinstor. Nach der mutmaßlichen Vergewaltigung einer 18-Jährigen durch mehrere Männer will das baden-württembergische Innenministerium mit der Stadt Freiburg über eine bessere Sicherheitslage reden. Foto: Patrick Seeger/dpa

Von Jürgen Ruf

Freiburg/Stuttgart. Der Hauptbeschuldigte war den Ermittlern seit mehreren Monaten als Intensivtäter bekannt. Der Haftbefehl gegen den heute 22 Jahre alten Syrer war schon ausgestellt, die Verhaftung für Ende Oktober terminiert. Doch bevor die Handschellen klickten, wurde der Mann wohl erneut zum Straftäter. Er soll Mitte Oktober, genau zehn Tage vor der von der Polizei geplanten Verhaftung, in Freiburg eine 18-Jährige nach einem Discobesuch vergewaltigt und danach andere Männer in der Disco zu Vergewaltigungen animiert haben - auch diese sollen sich an der jungen Frau vergangen haben. Insgesamt acht Männer sitzen in Untersuchungshaft.

In dem Fall sind die Ermittler in den vergangenen Tagen in Erklärungsnot geraten. Eine rasche Verhaftung des Syrers, sagte Kriminaldirektor Bernd Belle am Freitag in Freiburg bei einer Pressekonferenz, hätte die mutmaßliche Gruppenvergewaltigung verhindert. Doch dass sich eine solche Tat ereignen könnte, sei nicht abzusehen gewesen.

In den Tagen vor dem Verbrechen sei eine Verhaftung nicht möglich gewesen. Der Mann, der nun Hauptbeschuldigter ist, war untergetaucht. Die Polizei habe ihn nicht finden können. "Dann haben uns die Ereignisse überrollt", sagte der Beamte mit Blick auf die mutmaßliche Gruppenvergewaltigung.

Acht Verdächtige wurden festgenommen. Sie sitzen in Untersuchungshaft - sieben Syrer im Alter von 19 bis 29 Jahren und ein 25 Jahre alter Deutscher. Die meisten von ihnen sind laut Oberstaatsanwalt Michael Mächtel vorbestraft.

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Im Fokus steht der mutmaßliche Haupttäter, der vor wenigen Tagen 22 Jahre alt wurde und als Flüchtling in Freiburg lebte. Er soll der Frau, die er nicht näher kannte, in der Disco etwas ins Getränk gemischt haben. "Sie war ein Zufallsopfer", sagte Chefermittler Belle. Sie sei wehrlos gewesen.

Spuren am Opfer und dessen Kleidung werden noch untersucht. Zwei der insgesamt acht Verhafteten seien durch DNA-Spuren überführt worden, die anderen durch Zeugenaussagen und weitere Beweise. Neben den acht Verhafteten soll es mindestens noch zwei weitere Täter geben - von ihnen wurden DNA-Spuren gefunden. Nach diesen zwei Unbekannten sucht die Polizei nun, wie die Ermittler am Freitag mitteilten.

Der 22 Jahre alte Syrer, der mutmaßliche Haupttäter, war den Angaben zufolge seit Monaten wegen mehrerer Verbrechen im Visier der Ermittler. Im Sommer vergangenen Jahres soll er gemeinsam mit zwei weiteren Männern eine Bekannte sexuell missbraucht haben. Zudem habe es seit diesem Sommer mehrere Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Gewalttaten gegeben, darunter drei Körperverletzungen. Auch habe er in großem Stil mit Drogen gehandelt.

Der Hauptverdächtige war auch dem Sonderstab für gefährliche Ausländer im Innenministerium bekannt. Dort wurde der Fall aber nicht mit Priorität behandelt. "Wir können syrische Straftäter nicht nach Syrien abschieben", sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU). Er appellierte an den Bund, seine Lageeinschätzung von 2012 zu Syrien zu überarbeiten. Straftäter müssten an einen sicheren Ort in Syrien zurückgebracht werden können, so Strobl.

Rücktrittsforderungen wies er von sich: "Wann, ob und wie ein Haftbefehl vollzogen wird, entscheidet nicht der Innenminister." FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke hatte Strobls Rücktritt verlangt: Strobl habe versucht, eine Panne bei der Vollstreckung des Haftbefehls zu vertuschen.

Strobl kündigte eine Reihe von Maßnahmen an, um die Sicherheit in Freiburg zu erhöhen - etwa durch zusätzliche Polizisten, darunter auch berittene Polizisten. Es werde verstärkt Razzien an bestimmten Orten in Freiburg sowie "Sicherheitskonferenzen" geben.

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