Stuttgart

Wer ist Schuld am Lehrermangel?

Gegenseitige Vorwürfe im Landtag

11.10.2018 UPDATE: 12.10.2018 06:00 Uhr 1 Minute, 27 Sekunden

Symbolfoto: dpa

Von Axel Habermehl, RNZ Stuttgart

Stuttgart. "Ach, wie ärgerlich, dass wir da jetzt nicht mehr zuhören können", sagt die ältere Dame im Landtag zu ihrer Begleiterin. "Das hätte mich von allen Themen heute am meisten interessiert." Die beiden gehören zu einer Besuchergruppe, deren Besuchszeit vorbei ist. Die Plätze auf der Zuschauertribüne sind begehrt, weshalb Saaldiener streng über den Durchlauf wachen.

Die aktuelle Debatte, die die beiden Damen am gestrigen Donnerstag Vormittag verpassen, behandelt kein neues Thema, aber eines, das seit Monaten im doppelten Wortsinn große Betroffenheit auslöst: "Unterrichtsausfall auf Rekordniveau - Eltern an Gymnasien verklagen Kultusministerium", hat die SPD-Fraktion ihre parlamentarische Initiative genannt.

750 Lehrerstellen, so die Zahl von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU), konnte die Verwaltung landesweit zu Beginn des Schuljahrs nicht besetzen. Besonders groß ist die Not an Grundschulen, hier blieben 370 Posten leer, an Realschulen waren es 170. Gleichzeitig gibt es zu viele Gymnasiallehrer: 1800 von ihnen blieben vorerst ohne Stelle.

Umso bemerkenswerter, dass gerade an Gymnasien der meiste Unterricht ausfällt. Eine Erhebung Eisenmanns an allen rund 4500 Schulen im Juni ergab, dass dort 12,7 Prozent der Stunden nicht wie geplant stattfanden, also vertreten wurden oder ganz ausfielen. Dahinter folgten die Gemeinschaftsschulen mit 12,4 Prozent. Die Grundschule kam auf "nur" 7,3 Prozent. Im Schnitt aller Schularten waren es landesweit etwa 10 Prozent.

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Stuttgarter Eltern, organisiert in der "Arbeitsgemeinschaft der Elternvertretungen an Gymnasien" (Arge), erhoben eigene Zahlen: Die lagen höher. 13,5 Prozent nicht regulär gehaltenen Unterrichts stellten sie fest - und ebenfalls eine deutlich höhere Quote an manchen Gymnasien. Sie wollen darum gegen das Land vor Gericht ziehen.

Im Landtag ergeht man sich in gegenseitigen Vorwürfen zur Schuldfrage: "Sie haben sehenden Auges trotz steigender Schülerzahlen, trotz voller Kassen Lehrerstellen abgebaut. Sie haben Unterrichtsausfall beschlossen", wirft der SPD-Abgeordnete Stefan Fulst-Blei der grün-schwarzen Regierung vor.

Sandra Boser (Grüne) und Karl-Wilhelm Röhm (CDU) gehen in die Gegenoffensive. Die SPD habe, als sie noch bis 2016 die Kultusminister stellte, ihren Teil beigetragen. Auch die AfD gibt der SPD einen mit: "Mit Ihnen, der SPD, ist die damalige grün-rote Landesregierung für diese Misere ursächlich verantwortlich", sagt Rainer Balzer. Timm Kern (FDP) stellt fest: "Die verheerenden sieben Jahre der von Grün geführten Bildungspolitik in diesem Land haben uns in diese Situation gebracht."

Klar ist, dass der aktuelle Mangel auch aus einer Lehrer-Pensionierungswelle und der Verlängerung eines Lehramtsstudiums resultiert. Schnelle Abhilfe scheint nicht in Sicht.

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