Gemeinderat beschließt Generalsanierung ohne Finanzkonzept
Mannheim hofft weiterhin auf einen 80-Millionen-Euro-Zuschuss vom Land

Das traditionsreiche Mannheimer Nationaltheater muss dringend saniert werden. Dazu braucht die Stadt auch Geld aus Stuttgart. Foto: vaf
Von Alexander Albrecht
Mannheim. Tue Gutes und rede darüber: Als Nikolas Löbel am Dienstagabend im Gemeinderat bei der Aussprache über die Generalsanierung des 600 Mitarbeiter starken Nationaltheaters an der Reihe ist, betreibt er mächtig Werbung - auch in eigener Sache. Genüsslich schildert der CDU-Stadtrat und Bundestagsabgeordnete, wie er für den 80 Millionen Euro Zuschuss aus Berlin gekämpft hat.
Die Geschichte nimmt ihren Anfang im April 2016. Löbel ist Mitglied einer Arbeitsgruppe, die das grün-schwarze Bündnis im Land vorbereitet. Bei einem Treffen habe er sich ein Duell geliefert - mit Edith Sitzmann von den Grünen, der späteren Finanzministerin.
Tatsächlich schreibt der Koalitionsvertrag - wie schon fünf Jahre zuvor bei Grün-Rot - dem Nationaltheater (NT) eine Sonderrolle zu: als größtem kommunal geführten Vierspartenhaus in Europa und dem ersten bundesweit in städtischer Trägerschaft.
Schon damals war klar: Das in die Jahre gekommene Haus muss dringend saniert werden. Nur ging man zu jenem Zeitpunkt von Kosten im zweistelligen Millionenbereich aus. Inzwischen werden die reinen Bauarbeiten mit rund 200 Millionen Euro veranschlagt, hinzu kommen etwa 40 Millionen Euro für Umzug und Ersatzspielstätten. Löbel sagt, er und Oberbürgermeister Peter Kurz hätten im März 2016 bei der Eröffnung des Maimarkts mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann über die Sanierung gesprochen.
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Der Regierungschef habe das Wort "National" im Namen des Theaters zum Anlass genommen, um den beiden zu empfehlen, in Berlin vorstellig zu werden. Wohl wissend, dass der Bundestag noch nie ein kommunal betriebenes Theater bezuschusst habe. Als der kollektive Schock in Mannheim über die tatsächlichen Kosten abgeklungen war, glühten hinter den Kulissen bereits die Drähte.
Und es kam zu Gesprächen, die der Volksmund gerne "Hinterzimmerpolitik" nennt. So traf sich OB Kurz mit dem mächtigen SPD-Haushaltpolitiker Johannes Kahrs. "Mein Job war es, die CDU einzusammeln", sagt Löbel. Schließlich habe die zuständige Kulturstaatsministerin Monika Grütters, eine Parteifreundin des Mannheimers, einen Bundeszuschuss von 50 Millionen Euro in Aussicht gestellt. "Jetzt ging es nicht mehr um die Frage des Ob, sondern um das Wie", erzählt Löbel. Und resümiert: "Wir haben das Unmögliche geschafft."
Applaus erhält Löbel nur aus den eigenen Reihen. Andere empfinden den Vortrag als selbstbeweihräuchernd und überheblich. SPD-Stadtrat Thorsten Riehle nennt den Christdemokraten einen "selbsternannten Macher". Und sein Fraktionskollege Reinhold Götz ruft Löbel zu mehr Demut auf.
Achim Weizel, der Fraktionschef der Mannheimer Liste, meint, der junge Parlamentarier habe mit seinen 80-Millionen-Plakaten, die derzeit in der Stadt aushängen, vor allem eines bewirkt: "Sie haben ihrem Image einen weiteren Schaden zugefügt."
Nach wie vor unklar ist, in welcher Höhe sich das Land an den Kosten für die Sanierung beteiligt. Kurz schwebt eine Drittelfinanzierung vor, das heißt Berlin, Stuttgart und die Stadt tragen jeweils 80 Millionen Euro. Laut einem Medienbericht wollen die grün-schwarzen Regierungsfraktionen im Landtag jedoch "nur" 40 Millionen Euro beisteuern.
"Das ist reine Spekulation", sagt Kurz, der von einer positiven Ausgangslage spricht, keinen Druck auf Stuttgart ausüben will, sondern auf Gespräche und die Kraft der Argumente setzt und sich an den "Vorfelddiskussionen" stört.
Entschieden werde wahrscheinlich erst nach der Sommerpause. Bei den mit dem NT vergleichbaren Staatstheatern in Stuttgart und Karlsruhe hatten sich Land und Kommunen die Sanierungskosten geteilt. Im Gegensatz zu den beiden Städten trage Mannheim aber das Risiko etwa für entgangene Ticketeinnahmen.
Dass der Gemeinderat - bei einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen - am Dienstagabend die Generalsanierung noch ohne Finanzierungskonzept beschließt, liegt, so Kurz, daran, dass die Stadt rechtzeitig und damit auch preisgünstig Aufträge an Firmen vergeben will.
ML-Vertreter Achim Weizel glaubt indes ganz fest an ein Happy End. Seinen Optimismus entfacht hat eine Heidelbergerin: Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. "Sie war in letzter Zeit so oft im Nationaltheater, dass man meinen konnte, sie hätte dort ein Abonnement."