Heidelberg musste das Millionen-Projekt alleine stemmen
Aber Mannheim bekommt wohl Hunderte Millionen von Bund und Land

Von Ingrid Thoms-Hoffmann
Heidelberg. Was haben die Heidelberger nicht alles gemacht, um ihrem Theater wieder auf die Beine zu helfen. Sie haben alte Theaterstühle gekauft, "goldene" Bausteine erstanden, die Schüler spielten Theater und sammelten Geld - und Kulturbürgermeister Joachim Gerner rührte in der Küche des "Weißen Bock" sogar den Kochlöffel.
Und wie ist es in Mannheim? In der Nachbarstadt soll ab 2022 das Nationaltheater generalsaniert werden - und der Bund hat schon zugesagt, dass er mit 80 Millionen Euro dabei ist. Mindestens die gleiche Summe erhofft sich Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) auch vom Land - und ungefähr noch einmal so viel müsste die Stadt drauflegen.
Dass die Heidelberger ein wenig neidisch auf die Nachbarstadt blicken, ist verständlich, denn das Land - vom Bund ist gar nicht erst die Rede - investierte keinen müden Euro in das Heidelberger Kommunale Theater. Zur Klarstellung: Um nichts anderes, als um ein Kommunales Theater geht es auch in Mannheim. Die verwirrende Bezeichnung "Nationaltheater" rührt noch aus der Zeit Friedrich Schillers und der Kleinstaaterei - und ist nicht politisch, sondern kulturell zu verstehen.
Hintergrund
> Das Städtische Theater wurde 2012 nach einer umfangreichen Sanierung und Erneuerung wieder eröffnet. Knapp 70 Millionen Euro kostete der Neubau. 2006 wurde das Theater wegen erheblicher baulicher Mängel geschlossen. Im August 2009 begann die Sanierung
> Das Städtische Theater wurde 2012 nach einer umfangreichen Sanierung und Erneuerung wieder eröffnet. Knapp 70 Millionen Euro kostete der Neubau. 2006 wurde das Theater wegen erheblicher baulicher Mängel geschlossen. Im August 2009 begann die Sanierung sowie der Neubau. Ermöglicht wurde dies unter anderem durch ein außergewöhnliches bürgerschaftliches Engagement und mit Hilfe der Großspender. Ein Drittel der Bausumme kam von den Sponsoren. Die Rhein-Neckar-Zeitung hatte die Theater-Rettungsaktion zu ihrer eigenen Kampagne gemacht.
Das Heidelberger Theater musste schon immer um seine Existenz kämpfen - und die Heidelberger standen schon immer hinter dem Theater. Schon 1950 sammelten die Bürger, um die Gagen für die Orchestermusiker zu bezahlen. Die Redaktion der Rhein-Neckar-Zeitung schrieb damals einen offenen Brief an Ministerpräsident Reinhold Maier, er möge doch einen Landeszuschuss geben - vergebens. Heute übersteigt die Zahl der Theaterbesucher mit über 170.000 jährlich die Einwohnerzahl Heidelbergs. Das Theater ist mit rund 300 festen Mitarbeitern und etwa 150 regelmäßigen Gästen einer der größeren Arbeitgeber der Stadt. if
Da muss auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) etwas gründlich missverstanden haben, als er bei seiner Eröffnungsrede zum Maimarkt Ende April meinte, das Land könne die Mannheimer Sanierung leider nicht unterstützen, da es sich um ein "Nationaltheater" handle - und das sei eben Sache des Bundes. Weshalb er jetzt die Rolle rückwärts macht, erklärt er selbst so: "Die Zusage des Bundes wird nun auch Anlass für das Land sein, einen finanziellen Beitrag zu leisten, um die national hervorgehobene Stellung und damit die künstlerische Qualität des Mannheimer Theaters sicherzustellen."
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Das stößt in Heidelberg bitter auf. Denn ohne Großsponsoren wie Manfred Lautenschläger, der mit seiner ersten Million die Sanierung überhaupt erst anstieß, und natürlich Wolfgang Marguerre, der mit über 20 Millionen Euro den Gemeinderat "überzeugen" konnte, wäre der so dringend benötigte Umbau wie eine Seifenblase geplatzt. Vom Land kam damals gar nichts.
Hat also Heidelberg, als es um die Finanzierung ging, einen Fehler gemacht? Hätte die Stadt erst bei der Bundesregierung anfragen müssen? Beim Land fragte Heidelberg brav nach, mit negativem Ergebnis. Auch Kulturministerin Theresia Bauer - immerhin Heidelbergerin - tat sich nicht durch übergroßes Engagement hervor. Man könne zwar Projekte hie und da unterstützen, aber doch keine Mitfinanzierung für ein Theater übernehmen, sagte sie damals. Immerhin war sie 2012 dann bei der Eröffnung dabei, der Ministerpräsident ließ sich entschuldigen.
Heidelbergs Kulturbürgermeister Joachim Gerner wundert sich schon sehr über die Morgengabe aus Berlin und die angekündigte aus Stuttgart: "Mannheim hat offenbar die politisch bessere Vernetzung als Heidelberg, anders kann ich mir das nicht erklären." Er bedauert nach wie vor, dass die Investitionsförderung für Theater ja längst abgeschafft ist - und findet es umso bemerkenswerter, dass sie jetzt wieder auftaucht. Nur ungern erinnert er sich an das Hickhack um die "Vorsteuerabzugsberechtigung", die man den Finanzbehörden quasi abringen konnte, weil eine Theater-Stiftung gegründet wurde.
Mühsam und erfolglos waren die Diskussionen, als es darum ging, dass sich das Land wenigstens im Zuge der Altstadtsanierung an den Baukosten beteiligen möge. Abgelehnt - obwohl das Theater ja im geförderten Sanierungsgebiet liegt. Für den Bürgermeister wird hier eindeutig mit "zweierlei Maß" gemessen. Als Mitglied im Vorstand des Bühnenvereins wird er zwar nicht gegen die Unterstützung des Nationaltheaters opponieren, aber "ich werde auch keine Petition dafür unterschreiben", so Gerner. "In Heidelberg haben sie uns alle alleine gelassen." Und er gesteht: "Jetzt ist bei mir schon etwas Neid dabei."
Ganz ohne Neid ist dagegen der ehemalige Intendant des Heidelberger Theaters und Motor der Sanierung, Peter Spuhler. "Ich gratuliere Mannheim von ganzem Herzen", sagt der jetzige Generalintendant des Staatstheaters Karlsruhe. "Die 80 Millionen vom Bund sind doch in die Kultur besser investiert als in Autobahnen."