Weinheim hat jetzt einen Hauptbahnhof
Modernisierung abgeschlossen - Kritik am langen Umbau - Unter dem Strich stehen 8,6 Millionen Euro Kosten

Das neue Schild lässt keine Zweifel zu: Der Weinheimer Bahnhof wurde zum Hauptbahnhof aufgewertet. Oberbürgermeister Heiner Bernhard (5. v. l.) sparte aber auch nicht mit Kritik an der langen Umbauzeit. Foto: Dorn
Von Günther Grosch
Weinheim. Für die "Woinemer" war die Bahnstation schon immer "unser Hauptbahnhof". Seit dem vergangenen Samstag ist er es nach einer scheinbar nicht enden wollenden Umbaugeschichte auch offiziell. "Gut Ding braucht Weile", bezog sich dabei Oberbürgermeister Heiner Bernhard auf "Volkes Mund".
Wenn man sich heute den nach abgeschlossener Modernisierung "neuen alten Bahnhof" anschaue, dann erkenne man, dass es ein "gut Ding" geworden sei. Das vor 172 Jahren erbaute Ensemble präsentiere sich endlich einer Großen Kreisstadt würdig sowie der touristischen und wirtschaftlichen Bedeutung der Zweiburgenstadt angemessen.
Hintergrund
Zur feierlichen Einweihung des "Hauptbahnhofs Weinheim" hatte die Deutsche Bahn einen der neuen TwinDexx-Doppelstockzüge des Main-Neckar-Ried-Express auf Gleis 1 zur Besichtigung bereitgestellt. Im Zuge der zweiten Ausbaustufe der S-Bahn Rhein-Neckar wurden
Zur feierlichen Einweihung des "Hauptbahnhofs Weinheim" hatte die Deutsche Bahn einen der neuen TwinDexx-Doppelstockzüge des Main-Neckar-Ried-Express auf Gleis 1 zur Besichtigung bereitgestellt. Im Zuge der zweiten Ausbaustufe der S-Bahn Rhein-Neckar wurden einschließlich des Weinheimer Bahnhofs acht Stationen entlang der Strecke Mannheim-Darmstadt S-Bahn-gerecht ausgebaut.
Beim Ausbau in Weinheim wurden die Bahnsteige A, B und C der Gleise 1 bis 4 auf 76 Zentimeter erhöht und an allen drei Bahnsteigen jeweils ein Personenaufzug errichtet. Außerdem erhielten die Bahnsteige ein taktiles Blindenleitsystem. Ebenfalls neu sind das Bahnsteigdach am Hausbahnsteig sowie die Überdachungen zu den Treppenauf- und -abgängen an den Bahnsteigen. Und auch die Beschilderungen und die Wartehallen sind jetzt "S-Bahn-Standard".
Die Kosten für die gesamten Maßnahmen belaufen sich auf rund 8,6 Millionen Euro. Davon übernehmen die Stadt und der Rhein-Neckar-Kreis jeweils 1,7 Millionen. Das Land Baden-Württemberg trägt 1,88 Millionen Euro und der Bund 3,57 Millionen Euro.
Der Weinheimer Hauptbahnhof liegt an der Main-Neckar-Bahn und ist Teil des Gesamtverkehrskonzeptes des Main-Neckar-Ried-Express und der künftigen S-Bahn Rhein-Neckar. Diese verbindet die Orte entlang der Bergstraße mit Mannheim und Heidelberg im Süden sowie Darmstadt und Frankfurt im Norden. keke
Dass das "Upgrade" vom Bahnhof zum Hauptbahnhof quasi in letzter Minute seiner am 11. August endenden 16-jährigen Amtszeit erfolgte, sei "höchste Eisenbahn" gewesen und versöhne ihn und die Bürger ein wenig mit der Bahn und ihren Gesellschaften. Diese "lange Weile" für das "gute Ding" erschließe sich ihm allerdings bis zum heutigen Tage nicht, koppelte Bernhard an sein Lob auch einige kritische Anmerkungen.
Bereits im Juni 2015 waren der "Baggerbiss" und das Signal zum Bahnhofsumbau erfolgt. Mit der voraussichtlichen "Ankunftszeit" - sprich Fertigstellung - "Sommer 2016". Er habe längst nicht mehr mitgezählt, wie oft der Termin stillschweigend verlängert wurde, verhehlte Bernhard seine Verärgerung darüber nicht. Dies passe darüber hinaus zu dem jahrelangen "Verschiebe-Bahnhof" bei der Einführung des S-Bahn-Abschnittes in Richtung Rhein-Main-Region.
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"So wenig Verspätung" sei bei der Bahn doch normal und "eine alte Frau kein D-Zug", würde mancher Zeitgenosse sagen. Er, Bernhard, habe trotzdem Mühe, bei diesem Thema seinen Humor zu bewahren. Die Zeit stelle das eine, die Kosten ein anderes Thema dar, wechselte Bernhard das Gleis.
Als sich der Gemeinderat 2006 erstmals mit der Einführung der S-Bahn und dem hierzu erforderlichen Bahnhofsumbau beschäftigte, ging man in einer Vorstudie noch von rund 1,76 Millionen Euro Baukosten aus. Im März 2011 waren es bereits rund sieben Millionen Euro.
Nachdem die Stadt und deren Verkehrsplaner unter ihrem Amtsleiter Sven-Patrick Marx der Bahn auf Drängen des Gemeinderates diverse Einsparmöglichkeiten aufgezeigt hatte, wurden daraus bis heute 6,37 Millionen Bau- und weitere 2,3 Millionen Euro Planungskosten: unter dem Strich insgesamt 8,6 Millionen Euro.
Im Klartext, so der OB: Die Anteile von Stadt und Kreis hätten sich im Verhältnis dazu von jeweils knapp einer halben Million auf fast 1,7 Millionen Euro erhöht. Auf die Frage, wie man "so etwas" den Bürgern vermitteln solle, habe er bis heute keine Antwort gefunden.
In diesem Sinne hoffe er, so der "Pfiff" Bernhards an die Adresse von Michael Groh von der Regionalbereichsleitung der "DB Station & Service", dass allen ein ähnliches Szenario bei der Entwicklung des S-Bahn-Haltepunktes Sulzbach erspart bleibt.
Trotz aller harschen Kritik freue sich Weinheim über den neuen Service und die damit verbundenen Möglichkeiten, die der Hauptbahnhof eröffne, stellte Bernhard die Weichen auf Versöhnung. Eine komfortable Bahnanbindung gehöre zu einer modernen kommunalen Mobilität, ohne die die Städte nicht zukunftsfähig würden. Die Komplettierung der S-Bahn-Rhein-Neckar in Richtung Norden bringe nicht nur die Zweiburgenstadt, sondern die gesamte Metropolregion voran.
Weinheim stelle dabei ein entscheidendes Bindeglied zwischen den Metropolregionen Rhein-Neckar und Rhein-Main dar. Der barrierefreie Ausbau vor Ort war längst überfällig. "Jetzt können wir endlich die Visitenkarte einer gastfreundlichen Stadt herzeigen."
"Was lange währt, wird endlich gut", fuhr Michael Groh auf der Volksmund-Schiene weiter. Auch wenn es "etwas länger gedauert" habe, weil "unter rollendem Rad" - sprich uneingeschränktem Zugverkehr - gebaut werden musste, so zeigten sich das Gebäude und sein Umfeld für die rund 7500 Reisenden pro Tag als "intermodale Verkehrsdrehscheibe", "neues Tor der Stadt" und "Bahnhof der Zukunft und mit Zukunft".
"Das ist gelebte Verkehrswende": Von einer Mobilitätsstation, die man sich überall wünschen würde, sprach der Erste Bürgermeister der Stadt Mannheim, Christian Specht. "Reisende und Pendler verlassen in Weinheim als Scharnier zwischen beiden Metropolregionen ihre Züge. Sie betreten barrierefrei das Gelände für Busse und ausleihbare Fahrräder oder erreichen mit der Ringlinie 5 der RNV ihr Ziel." Abgerundet werde das Ganze demnächst durch den Umbau der Haltestelle Luisenstraße und die künftigen "Grüngleise" in der Mannheimer Straße.
Was an diesem Tag gefeiert werde, habe viel mit Solidarität innerhalb der kommunalen Familie zu tun, rechnete Landrat Stefan Dallinger die finanziellen Leistungen der 54 beteiligten Städte und Gemeinden vor. Dass der "Wissenschafts-Shuttle" genannte Main-Neckar-Ried-Express als "Durchbringung zum Flughafen Frankfurt" mit seiner neuesten Zuggeneration komme, sei auch ein Verdienst des aus Weinheim kommenden Landtagsabgeordneten der Grünen, Uli Sckerl.
Ausgerechnet der aber fehlte bei der Einweihungszeremonie aus einem nicht schwer zu erratenden Grund: Sein aus Stuttgart kommender Zug hatte Verspätung.