Ankunftszentrum Patrick Henry Village

Altersfeststellung ist für die Stadt Heidelberg allein "nicht zu leisten"

Sozialministerium: Prozedere wird mit Kommunen verhandelt – Stadt strebt offenbar PHV-Räumung bis 2020 an

14.06.2018 UPDATE: 15.06.2018 06:00 Uhr 1 Minute, 43 Sekunden
Unbegleitete minderjährige Ausländer werden von den kommunalen Jugendämtern in Obhut genommen, die dann auch im Zweifelsfall deren Alter feststellen. ​Foto: Uli Deck/dpa

Von Micha Hörnle

Heidelberg. Das hörte sich schon relativ heftig an, was auf die Stadt Heidelberg zukommen sollte: Die Altersfeststellung für junge Flüchtlinge wird im Ankunftszentrum Patrick Henry Village (PHV) Baden-Württemberg-weit zentralisiert und das Heidelberger Kinder- und Jugendamt übernimmt diesen Job. Seitdem herrscht bei der Stadt blankes Entsetzen: "Wir können nicht die Zuständigkeiten, die bisher auf 46 Kinder- und Jugendämter im Land verteilt waren, ganz alleine übernehmen. Das zu leisten, ist völlig ausgeschlossen", sagt ein Stadtsprecher. Selbst für alles Geld vom Land könne sich das städtische Amt keine Experten in diesem Bereich "backen".

Beim Sozialministerium in Stuttgart rudert man unterdessen zurück: "Das Prozedere ist noch gar nicht festgelegt, wir müssen das noch mit den Kommunen verhandeln." Wieso kümmert sich das Land nicht selbst um die Altersfeststellung? Das liegt an rechtlichen Vorgaben des Sozialgesetzbuches: Die sogenannten unbegleiteten minderjährigen Ausländer (UMA) werden von den kommunalen Jugendämtern in Obhut genommen - die dann auch im Zweifelsfall deren Alter feststellen. Es ist also nicht Sache des Landes.

Von November 2015 bis September 2017 nahm allein Heidelberg knapp 1100 UMAs auf, allerdings gehen die Zahlen stark zurück: Waren es in Spitzenzeiten Ende 2015/Anfang 2016 noch bis zu 170 im Monat, sind es momentan nur zwischen zehn und 20. Landesweit, so berichtet eine Ministeriumssprecherin, kommen zwischen 80 und 120 UMAs an, von denen die Hälfte sofort an andere Kommunen in ganz Deutschland verteilt werden, der Rest bleibt in Baden-Württemberg.

Die Mehrarbeit, die dann auf das Heidelberger Kinder- und Jugendamt zukäme, wäre also erheblich.

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Zumal es ja damit nicht getan wäre: Was passiert mit den jungen Leuten, die sich der Altersfeststellung verweigern? Laut Gerichtsentscheiden gelten sie bis zum Beweis des Gegenteils als minderjährig und müssten dann von der Stadt Heidelberg in Obhut genommen werden. Kein Wunder, dass OB Eckart Würzner vor einer Überforderung seines Amtes warnt.

Wenn nun die Altersfeststellung als zusätzliche Funktion ins PHV verlagert wird, hat das Auswirkungen auf die geplante Rückgabe des Areals an die Stadt? Nein, sagt ein Rathaussprecher: "Das ändert nichts an der bisherigen Situation: Wir haben die Zusage des Landes, wonach uns die Fläche bald wieder zur Verfügung steht, damit wir hier einen Stadtteil für 10.000 Bewohner bauen können. Und diese Zusage gilt, unabhängig davon, ob PHV nun eine weitere Aufgabe erhält oder nicht."

Momentan läuft die baurechtliche Duldung des PHV als Ankunftszentrum bis zum 20. September. Bei der Juli-Sitzung des Gemeinderates soll ein Vertreter der Landesregierung sagen, wie es weitergehen soll. Offenbar strebt die Stadt an, dass PHV bis 2020 geräumt wird - denn bis dahin sind die Bahnstadt und ein Großteil der Konversionsflächen fertig gebaut. Die Stadt braucht dann Platz für neuen Wohnraum, denn es gilt das selbst gesteckte Ziel, jedes Jahr 800 neue Wohnungen zu schaffen.

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