Werden Asylbewerber besonders oft straffällig?
Polizeipräsident Köber präsentiert eine durchwachsene Bilanz des vergangenen Jahres

Heidelberg. (hö) Früher galt Heidelberg in Sachen Kriminalität als ruhiges Pflaster. Doch von 2013 bis 2017 nahmen die Straftaten um 30 Prozent zu. Ist die Entwicklung nun endlich gestoppt? Wie man es sieht: Die grüne Landtagsabgeordnete Theresia Bauer freute sich am Donnerstag über eine Trendumkehr. Tatsächlich gehen die Straftaten in Heidelberg zurück, wenn man die Delikte herausrechnet, die nur Asylbewerber begehen können - wie Verstöße gegen Meldeauflagen. Doch die Gesamtzahl der Straftaten nahm abermals auf 16.346 zu - bisher absoluter Rekord.
Heidelberg ist, gerechnet auf 100.000 Einwohner, die drittkriminellste Großstadt Baden-Württembergs (2015: Platz 5). Insofern gibt es Licht, aber auch Schatten bei der Kriminalitätsstatistik, die Polizeipräsident Thomas Köber am Mittwoch im Haupt- und Finanzausschuss im Detail präsentierte. Die großen Linien hatte er bereits vor sechs Wochen geliefert. Schon damals freute er sich über ein deutliches Minus bei Wohnungseinbrüchen und Gewaltdelikten. Auch Straßen und Plätze sind eher sicherer geworden.
Aber es wurden zugleich deutlich mehr Autoaufbrüche gezählt, die zu einem Schaden von fast 900.000 Euro führten. Da gab es sicherlich auch die "Gelegenheitsdiebe", die einfach ein Autofenster einschlugen, weil sie etwas sahen, was sie haben wollten. Aber fast noch mehr Sorgen machen Köber die Banden, die Heidelberg entlang der autobahnnahen Hauptverkehrsrouten durchstreifen und vor allem Navigationsgeräte und Airbags auf Bestellung klauen. Eine deutliche Zunahme gibt es auch bei Sexualstraftaten und Drogendelikten.
Hintergrund
Kriminalitätsstatistik
> Straftaten je 100.000 Einwohner
Heidelberg: 10.222 (-99)
Rhein-Neckar-Kreis: 4335 (-316)
Mannheim: 11.448 (-136)
Karlsruhe: 8917 (-1423)
Freiburg: 12.237 (-508)
Stuttgart:
Kriminalitätsstatistik
> Straftaten je 100.000 Einwohner
Heidelberg: 10.222 (-99)
Rhein-Neckar-Kreis: 4335 (-316)
Mannheim: 11.448 (-136)
Karlsruhe: 8917 (-1423)
Freiburg: 12.237 (-508)
Stuttgart: 8639 (-799)
> Straftaten in Heidelberg
Straftaten gesamt: 16.346 (+6,1%)
Straftaten ohne ausländerrechtliche Verstöße: 14.745 (-1,8%)
Aufklärungsquote: 60,4% (+2,7%)
> Zunahme nach Delikten
Autoaufbrüche: +50,0% (393 Fälle)
Ausländerrechtliche Verstöße: +44,8 % (1601)
Rauschgift: +19,9% (1157)
Ladendiebstahl: +4,5% (1757)
> Rückgänge nach Delikten
Diebstähle von Autos: -54,4% (15 Fälle)
Wohnungseinbruch: -36,6% (111)
Taschendiebstahl: -35,8% (518)
Raub: -25,0% (72)
Gefährliche Körperverletzung: -7,3% (366)
> Tatverdächtige
Gesamt: 6017 (-252)
Ausländer: 2695 (-123, Anteil: 44,8%)
Asylbewerber: 1409 (+9, Anteil: 23,4%)
> Nationalitäten der 6017 Tatverdächtigen:
Deutschland: 3222
Georgien: 221
Türkei: 192
Algerien: 190
Gambia: 179
Rumänien: 170
Tunesien: 123
Syrien: 110 (nur Straftaten ohne ausländerrechtliche Verstöße). hö
Seit der Flüchtlingswelle ab 2015 wird immer wieder die Frage gestellt, ob und in welchem Ausmaß Asylbewerber kriminell werden oder sind. Tatsächlich geht die Zahl der Straftaten in Heidelberg nach oben - auch wenn man ausländerrechtliche Verstöße herausrechnet. In Heidelberg waren 2017 fast ein Viertel aller Tatverdächtigen Asylbewerber. Die meisten ihrer Taten sind aber vergleichsweise harmlos: Allein 923 der insgesamt 2481 begangenen Straftaten waren Ladendiebstähle, 119 mal wurde Schwarzfahren angezeigt, 134 mal wurden Urkunden gefälscht. Und doch sticht gerade bei Rauschgiftdelikten (129) und Körperverletzungen (293) diese Bevölkerungsgruppe deutlich hervor.
Woran liegt das? Zunächst, so erklärt Köber, kommen viele junge männliche Flüchtlinge hierher. Und im Alter von 18 bis 30 Jahren neigen auch Deutsche eher zur Kriminalität. Zweitens kommen die meisten allein, es fehlt die soziale Kontrolle durch die Familie. Drittens stammen momentan die wenigsten aus Bürgerkriegsländern, sondern aus Afrika - mit einer entsprechend geringen Bleibeperspektive: "Und das erhöht nicht unbedingt die Neigung, sich an Recht und Gesetz zu halten", so der Polizeipräsident. Viertens schädigen viele Asylbewerber nicht unbedingt die einheimischen Heidelberger, sondern ihre Mitbewohner in den Heimen - indem sie sich untereinander schlagen oder bestehlen. Und fünftens gab es im letzten Jahr in Heidelberg viel mehr Asylbewerber, als es die aktuelle Zahl von 1186 Personen suggeriert, die das Ankunftszentrum Patrick Henry Village (PHV) in Kirchheim bewohnen. Sie bleiben in der Regel sechs Wochen und kommen dann in den Kommunen unter. Und so wurden allein 2017 in PHV laut Auskunft des Regierungspräsidiums 12.000 Erstanträge registriert. Das entspricht fast acht Prozent der Heidelberger Wohnbevölkerung.
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Das erklärt auch, wieso ausgerechnet Kirchheim der Stadtteil mit den absolut meisten Delikten ist. Rechnet man aber die heraus, die nur Asylbewerber begehen können, liegen die Altstadt und Bergheim weit vorn, Kirchheim kommt an dritter Stelle. Manche Straftaten werden auch auf dem Weg zur Unterkunft begangen. Und wenn man schon bei den Stadtteilen ist: Der Emmertsgrund und der Boxberg, die bei der jüngst veröffentlichten Studie zur gefühlten Sicherheit am schlechtesten abschneiden, sind mit am sichersten.



