Fast alle Heidelberger fühlen sich sicher
Doch die Angst vor Einbrüchen und Pöbeleien steigt - Beinahe jeder Fünfte änderte Verhalten aus Furcht vor Straftaten

Die Heidelberger finden, dass die Polizeipräsenz in der Stadt im Vergleich zu 2009 gestiegen ist. Unser Foto zeigt vier Bereitschaftspolizisten, die in der Schwanenteichanlage in Bergheim Streife laufen. Foto: Philipp Rothe
Von Sebastian Riemer
Heidelberg. Die große Mehrheit der Heidelberger fühlt sich sicher. Das zeigt die jüngste Bürgerbefragung zur Sicherheitslage (PDF-Download) in Heidelberg, deren Ergebnisse am gestrigen Montag vorgestellt wurden. Wir dokumentieren die wichtigsten Erkenntnisse:
Hintergrund
Die Bürgerbefragung zur Sicherheitslage in Heidelberg wurde zum dritten Mal nach 1998 und 2009 durchgeführt. Dafür hat das Institut für Kriminologie der Universität Heidelberg im März und April 2017 insgesamt 8000 zufällig aus dem Melderegister ausgewählte
Die Bürgerbefragung zur Sicherheitslage in Heidelberg wurde zum dritten Mal nach 1998 und 2009 durchgeführt. Dafür hat das Institut für Kriminologie der Universität Heidelberg im März und April 2017 insgesamt 8000 zufällig aus dem Melderegister ausgewählte Bürger ab 13 Jahren angeschrieben. Den mehrseitigen Fragebogen füllten 2770 Menschen aus, das sind 35 Prozent der Angeschriebenen. Ziel der repräsentativen Umfrage ist es, die Kriminalitätsfurcht der Heidelberger – also die "gefühlte Unsicherheit" – zu erfassen. Auf Basis der Ergebnisse der Befragung erstellte der Kriminologe Prof. Dieter Hermann vom Institut für Kriminologie ein Gutachten. Dieses gibt es zum Download als PDF online unter www.rnz.de/sicherheitsstudie.
Die Stadt will die Ergebnisse der Befragung nun auch in die Sicherheitspartnerschaft einfließen lassen, die im Februar mit dem Land Baden-Württemberg geschlossen wurde. Diese nimmt mit Schwerpunkteinsätzen der Polizei bislang insbesondere die bekannten Brennpunkte Altstadt und Neckarwiese ins Visier. rie
Allgemeines Sicherheitsgefühl: 92 Prozent aller Befragten gaben an, dass sie sich in ihrem Stadtteil sicher fühlen. Acht Prozent fühlen sich dagegen "ziemlich oder sehr unsicher". Bei der letzten Befragung 2009 hatten sich noch sechs Prozent so geäußert. 1998 allerdings fühlte sich noch fast jeder Vierte unsicher. Leicht gestiegen ist auch die Furcht der Menschen, nachts im Freien Opfer einer Straftat zu werden. 17 Prozent der Befragten haben deshalb "oft oder sehr oft Angst", 2009 gaben dies 13 Prozent an. Doch auch dieser Wert ist im Langzeitvergleich gering: 1998 teilten noch 30 Prozent der Befragten diese Angst.
Konkrete Ängste: Trotz der allgemein geringen Kriminalitätsfurcht haben bestimmte Ängste bei einigen Befragten zugenommen. So halten es mittlerweile 21 Prozent der Befragten für wahrscheinlich, dass binnen eines Jahres in ihre Wohnung eingebrochen wird (2009: 12 Prozent). Und 27 Prozent der Befragten glauben, dass sie wahrscheinlich in den nächsten zwölf Monaten in Heidelberg durch Anpöbeln belästigt werden (2009: 20 Prozent). Für 24 Prozent der Befragten sind außerdem Diebstahl, Sachbeschädigung und Gewalt ein großes Problem (2009: 19 Prozent).
Polizeipräsenz: Die gefühlte Präsenz der Polizei in Heidelberg ist gestiegen: 2009 gaben noch 36 Prozent der Befragten an, dass sie das letzte Mal vor mehr als einem Monat oder noch nie eine Polizeistreife in ihrem Stadtteil gesehen haben. Dieser Wert sank nun auf 23 Prozent. Oder andersherum: 58 Prozent der Gefragten gaben 2017 an, in den letzten sieben Tagen Polizei oder städtischen Vollzugsdienst in ihrem Stadtteil gesehen zu haben, 2009 hatten dies nur 44 Prozent angegeben.
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Verhaltensänderung: Fast jeder Fünfte - 18 Prozent der Befragten - gibt an, in den vergangenen zwölf Monaten seine Freizeitaktivitäten eingeschränkt zu haben, aus Angst davor, Opfer einer Straftat zu werden. Dieser Wert hat sich seit 2009, als er bei neun Prozent lag, verdoppelt - ist aber noch immer geringer als 1998: Damals lag er bei 26 Prozent.
Lebensqualität: Obwohl mehr Befragte Angst vor Straftaten haben, hat sich die subjektiv empfundene Lebensqualität in Heidelberg seit 2009 leicht verbessert. Der Wert wird in Schulnoten gemessen und - sank von 2,1 auf 2,0. 1998 lag dieser Wert noch bei 2,6.
Ärgernis Verkehr: Das größte Thema für die Heidelberger - auch beim Sicherheitsgefühl - ist der Verkehr: Für 42 Prozent der Befragten sind Falschparker, für 35 Prozent undisziplinierte Autofahrer ein ziemliches oder großes Problem. Warum Falschparken einen Einfluss auf das Sicherheitsgefühl der Menschen hat, erklärte Prof. Dieter Herrmann vom Kriminologischen Institut, das die Befragung durchführte, so: "Wenn Normbrüche zum Massenphänomen werden, entsteht der Eindruck, dass diese Normen überhaupt nicht mehr kontrolliert werden."
Ausländerkriminalität und Fremdenfeindlichkeit: Asylbewerber haben einen Anteil daran, dass die Kriminalität in Baden-Württemberg in den letzten beiden Jahren stark stieg, wie Herrmann bei der Vorstellung der Bürgerbefragung deutlich machte. Er nannte mehrere Gründe: Viele Flüchtlinge seien jung und männlich - zwei Merkmale, die zu mehr Kriminalität führen, egal woher jemand kommt. Zudem stammten viele Asylbewerber aus Gesellschaften mit gewaltlegitimierenden Männlichkeitsnormen. "Und schließlich schätzt man, dass die Hälfte der Flüchtlinge eine posttraumatische Belastungsstörung aufweist", so Herrmann. Auch in Heidelberg ist die Zahl der Flüchtlinge - besonders durch das Registrierzentrum in Patrick Henry Village - gestiegen. Fremdenfeindlichkeit ist hier aber weit weniger ausgeprägt als in anderen Kommunen. 13 Prozent der Befragten sehen in Flüchtlingen ein Problem, elf Prozent in Menschen mit Migrationshintergrund. Die Ausländerfeindlichkeit jedoch hat sich seit 2009 von drei auf nun sechs Prozent verdoppelt.
Bundesweite Einordnung: "Man muss die Werte gesamtgesellschaftlich einordnen", sagte Herrmann. "2016 war das ,Jahr der Ängste’, wie deutschlandweite Studien zeigen", so Herrmann. Die Deutschen hätten nie zuvor so viele Ängste gehabt. So sei die Furcht vor Terrorismus, Extremismus, dem Zuzug von Ausländern und einem Kontrollverlust des Staates 2016 stark gestiegen - und 2017 nur leicht zurückgegangen. Vor diesem Hintergrund seien die hiesigen Ergebnisse ein großer Erfolg. "Die im Bundesvergleich hervorragenden Werte sind der erfolgreichen Kriminalprävention in Heidelberg zu verdanken", so Herrmann.
Fazit: "Heidelberg ist ein Leuchtturm der Kriminalprävention in Europa", sagte Herrmann. Doch müssten die Bemühungen fortgesetzt werden, damit das so bleibe. Bürgermeister Wolfgang Erichson verwies darauf, dass der Gemeinderat jüngst acht Stellen beim Gemeindevollzugsdienst und vier Stellen beim Kommunalen Ordnungsdienst geschaffen habe - noch mehr Präsenz für das Sicherheitsgefühl also. Erichsons Fazit: "Wir sind auf dem richtigen Weg und werden diesen Weg weitergehen."