Zum Tod der RNZ-Fotografin Friederike Hentschel
Hentschel war jahrzehntelang das fotografische Auge der Heidelberger RNZ. Nun ist sie mit 80 Jahren gestorben – ein Abschied von einer stillen Ikone.

Von Ingrid Thoms-Hoffmann
Heidelberg. Friederike Hentschel ist tot. Lange Jahre fotografierte sie für die Rhein-Neckar-Zeitung das Heidelberger Stadtgeschehen, bis es ihr zu beschwerlich wurde. Immer auf Zack, immer präsent zu sein, mit den schweren Fotoapparaten über ihrer Schulter. Sie zog sich in Neuenheim, in ihre Wohnung zurück, umgeben von Tausenden von Büchern und wenigen guten Freunden. Friederike Hentschel ist 80 Jahre alt geworden.
Erst wenige Wochen vor ihrem Tod entdeckten die Ärzte nach einem Rippenbruch den Krebs in ihr. Gegen den sie nicht mehr ankämpfen wollte. Als RNZ-Kollegen sie auf der Palliativstation besuchten, war sie schon vom Tod gezeichnet, aber im Kopf noch immer sehr präsent, sehr zugewandt und voller Freude, dass man sie nicht vergessen hatte.

Wie sollte man diese Frau vergessen? Ein Freund von ihr, der Verleger Günter Braus, sprach von ihr als einer einsamen Wölfin. Das war sie auch ein Stück weit. Ihr Privatleben wird für immer ein geschlossenes Buch bleiben, das nur wenigen Menschen vergönnt war, aufzuklappen.
Um nur einen kleinen Ausschnitt zu erfassen, bedurfte es auch jetzt der Hilfe von Menschen, die Friederike Hentschel seit Jahrzehnten kannten. Da erinnerte man sich gemeinsam an Geschichten über sie und mit ihr.
An Abende im Cave, an ihre Beziehung zu dem Schauspieler Gottfried John, an die Chaos-Tage mit dem Filmemacher Rainer Werner Fassbinder samt dessen Team. Und natürlich auch an Henky Hentschel, der ihr seinen Namen gab und von dem sie wohl irgendwann wieder geschieden wurde.
Mit dem Abenteurer, vier Jahre älter als sie, tauchte sie eines Tages in Heidelberg auf. Eine "bildschöne junge Frau", wie eine Freundin sagt. Da war sie noch mitten in der Lehre als Fotografin.
Und während Wikipedia Auskunft über den Journalisten, Filmemacher und Buchautor Henky Hentschel gibt, der mit renommierten Sendern, Zeitschriften und Zeitungen zusammenarbeitete, der in Heidelberg mit dem "Release" die erste Drogenhilfeeinrichtung gründete, gibt das Internet nichts preis über Friederike Hentschel. Das war von ihr so gewollt. Nichts über ihren Geburtsort, vermutlich Karlsruhe, nichts über ihren Geburtstag, der am 17. September 1944 war und dessen Jahr sie auch niemals in der Redaktion preisgab.
So arbeiteten wir seit Juni 2005 mit einer Frau zusammen, über die wir nur Rudimentäres wussten, deren Großzügigkeit uns manchmal beschämte und die uns von der schreibenden Zunft klarmachte, dass das Bild neben dem Text gleichberechtigt ist.

Hier gab sie sich sehr selbstbewusst, auch ihren lebenden "Objekten" gegenüber. Niemals wurde auf den Auslöser gedrückt, bevor die Komposition nicht perfekt war. Oftmals wurde bis zur Schmerzgrenze umdisponiert. Hetzen ließ sich Friederike Hentschel dabei nie. Ein Zauberer geriet dabei einmal so in Rage, dass die Fotografin das Weite suchen musste. Sie wollte halt das optimale Bild.
Verlässlich und konsequent beschrieb sie Günther Braus, der sie in Sachen Fotografie gerne auch um ihre Meinung bat, weil er ihre Fotografien, von denen die meisten abseits des Journalismus entstanden, sehr schätzte. Wer auf die dürre Homepage der Fotografin geht, der findet ausdrucksstarke Porträts wie von Wim Wenders, Günther Grass oder Rafik Schami, aber auch von Paul Kirchhoff, Romani Rose oder Harald zur Hausen, die in ihrem kleinen Studio entstanden sind oder als Schnappschüsse auf einem ihrer Termine.
Am 23. Juni 2025 hat Friederike Hentschel uns für immer verlassen. Am Dienstag, 8. Juli, um 14 Uhr wird sie auf dem Neuenheimer Friedhof beigesetzt. Wir werden sie nicht vergessen, nicht ihre Auftritte bei Terminen, nicht ihre dauerbrennenden Beedies, diese indischen, kleinen Zigaretten. Und wir werden den jungen Kolleginnen von ihr erzählen und darüber, was Frauenpower ermöglicht.