Ford Joncker ist nun Geschichte
Zum 31. Januar endeten 83 Jahre Heidelberger Automobilgeschichte - Es gab keinen Investor - Fast alle Angestellten haben neue Jobs

Von Micha Hörnle
Heidelberg. Noch wissen es nicht alle Kunden, denn die Geschäftsführung wollte die schlechte Nachricht sparsam dosieren: Das traditionsreiche Autohaus Ford-Joncker schloss vorgestern, am gestrigen Donnerstag wurde die RNZ vom Insolvenzverwalter Karl-Heinrich Lorenz aus Mannheim informiert.
In den letzten Jahren war einfach zu viel zusammengekommen: Der sehr schnelle Abzug der Amerikaner vor viereinhalb Jahren war der erste Nackenschlag, denn, so berichtet Geschäftsführer Gerhard Bouwhuis, man habe vor allem bei den "Amis" als Autovermietung sein Geld verdient. Auch wenn man recht erfolgreich neue Kunden geworben habe, änderte das an einem nichts: Die Gebäude in der Hebelstraße waren nicht mehr auf dem neuesten Stand: "Das passte einfach nicht mehr zu den heutigen Abläufen, wo man vorne in die Halle rein und hinten wieder raus fährt", sagt Anwalt Lorenz. Alles war zu verwinkelt, mit etlichen Ein- und Ausfahrten und viel Rangieren. Und schließlich gab es zu wenig Außenfläche, gerade für die Gebrauchtwagen. "Im Grunde hätte man hier alles abreißen und neu bauen müssen." Aber auch dann wäre der Standort immer noch nicht ideal, da zu klein. Nun war es ja nicht so, dass in den letzten Jahren nicht investiert wurde, aber die strukturellen Schwächen ließen sich nicht ausgleichen. Und ganz duster wurde es, als auch die Stiftung der früheren Besitzer Willy und Helga Tegtmeier dem Betrieb keinen ausreichend großen Kredit geben durfte - das hätte dem Stiftungszweck widersprochen.
Hintergrund
hö. Ford-Joncker gehört zu den Traditionsfirmen Heidelbergs: Leo Joncker gründete ein Autohaus in der Römerstraße, schließlich zog es 1952 mit Ausstellungshalle, Teilelager und Werkstatt an den heutigen Standort in der Hebelstraße. 1964 übernahm Willy Tegtmeier die Firma und
hö. Ford-Joncker gehört zu den Traditionsfirmen Heidelbergs: Leo Joncker gründete ein Autohaus in der Römerstraße, schließlich zog es 1952 mit Ausstellungshalle, Teilelager und Werkstatt an den heutigen Standort in der Hebelstraße. 1964 übernahm Willy Tegtmeier die Firma und erweiterte sie immer mehr, schließlich übernahmen Gerhard Bouwhuis - er arbeitete seit 1989 hier - und Claudia Benz (36 Jahre bei Ford, davon zehn bei Joncker) 2011 die Firma. Auch wenn beide nun einen neuen Job haben, ist es für Bouwhuis "eine Katastrophe", die ihn mitgenommen habe. Gerade bei den Kunden "gab es viel Anteilnahme", der Prozentsatz von Stammkunden sei überhaupt sehr hoch. Immer wieder werde er gefragt, wo man denn nun hingehen solle: Zwar gibt es in Heidelberg einen Händler in Rohrbach-Süd, der auch Ford-Modelle verkauft, aber ab sofort kein "reines" Haus mehr dieser Marke.
In Konkurs gegangene Autohäuser gibt es immer wieder in Heidelberg: Noch gut in Erinnerung ist das Ende des BMW-Autohauses Kocher vor knapp zwölf Jahren - ebenfalls nach über 80 Jahren. Ende November 2005 deuteten sich, für die Kunden überraschend, gravierende Schwierigkeiten an, im Januar 2006 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Das war nicht nur für die knapp 80 Mitarbeiter im Wieblinger Taubenfeld ein Schock, sondern auch für den Seniorchef Hanns-Peter Eger, den Enkel des Firmengründers Georg Kocher. Er hatte 1968 den Betrieb übernommen, aber vor allem engagierte er sich jahrzehntelang in der Interessenvertretung der Autohändler. Und, wie im Falle von Ford-Joncker, unternahm die Münchner BMW-Zentrale nichts zur Rettung des Traditionsbetriebs, wie Insolvenzverwalter Jobst Wellensiek beklagte - möglicherweise aus "Rache" für Egers oft deutliche Worte an die Autohersteller und ihre Politik den Händlern gegenüber. Später übernahm ein anderer Familienbetrieb, Krauth aus Meckesheim, die BMW-Vertretung in Heidelberg, aber nicht am alten Standort. Eger selbst verwand das Ende seiner Firma nie: Er starb am 1. Juni 2009 mit nur 62 Jahren.
Ähnlich groß wie BMW-Kocher war VW-Haussmann in der Eppelheimer Straße mit knapp 90 Mitarbeitern - und sogar noch älter, da 1885 gegründet. 2002 geriet das Autohaus in den Strudel der Insolvenz des gesamten Ernst-Islinger-Verbundes, Ende des Jahres schloss man die Pforten, es gab keinen Interessenten - weil der Investitionsstau im Gebäude zu hoch war. Seitdem gibt es nur noch einen VW-Händler in Heidelberg, Bernhardt in der Hebelstraße.
Vor knapp 25 Jahren, im Oktober 1993, meldete Opel-Pfotzer in der Speyerer Straße Konkurs an. Den 62 Jahre alten Betrieb mit über 60 Mitarbeitern übernahm die saarländische Dechent-Gruppe.
Was Bouwhuis und Insolvenzverwalter Lorenz mit am meisten enttäuscht hat, war die Reaktion der Kölner Ford-Zentrale: "Die hat uns überhaupt nicht unterstützt", sagt Lorenz, "in der Sanduhr von Ford waren wir noch nicht mal ein Sandkörnchen." Auch Geschäftsführer Bouwhuis glaubt, dass Ford im Prinzip am Standort Heidelberg kein Interesse mehr gehabt habe. Man setze wohl eher auf kleine dezentrale Händler - und dabei habe man doch im Jahr immerhin 500 Neuwagen abgesetzt.
Aber wenn es schon für den bestehenden Betrieb nicht gut aussah, wieso fand sich kein anderer Interessent? "Es gab schon drei, die sich das angeschaut haben. Aber das große Problem ist die Baustelle", sagt Bouwhuis: Direkt vor dem Firmengelände will die Stadt die Hebelbrücke über die Bahngleise neu bauen, mit den ersten Arbeiten soll noch im Juli begonnen werden. "Und eine Baustelle für zwei Jahre hat jeden Investor endgültig abgeschreckt. Da rechnete man mit Umsatzeinbußen von 50 Prozent", berichtet Bouwhuis.
So blieb nach etwas über zwei Monaten Insolvenzverfahren Lorenz nichts anderes übrig, als den Betrieb zu schließen - durchaus bitter für jemanden, der wie bei Alfa-Romeo-Windisch und Toyota-Heiler eine Betriebsrettung durch neue Eigentümer hinbekommen hat. Immerhin haben alle der 34 Angestellten neue Jobs - nicht nur Mechatroniker, sondern auch die Mitarbeiter aus der Verwaltung. Im Moment hält hier nur noch eine kleine Rumpfmannschaft aus, um den Betrieb abzuwickeln und noch die letzten eingelagerten Reifen an die Kunden auszugeben.
Das Areal, das direkt an dem beliebten Stadtteil Weststadt und unweit vom Hauptbahnhof liegt, wird wahrscheinlich ganz neu genutzt, vermutet Lorenz: "Büros, Wohnungen oder Studentenwohnheim. Das geht immer." Die Fläche gehört einem Neffen der Tegtmeiers, der selbst Immobilienhändler in Österreich ist. Aber am liebsten, so Lorenz, hätte er wieder ein Autohaus hier gehabt.