Eine neue Stadt im Odenwaldkreis
Am 1. Januar wurde aus vier Kommunen die Stadt Oberzent

In Beerfelden ist der Hauptsitz der Verwaltung von Oberzent, der drittgrößten Flächenkommune in Hessen. Foto/Grafik: Stadt Oberzent
Von Carsten Blaue
Oberzent. Die große Silvestersause gab es nicht. Dabei passierte beim Jahreswechsel von Sonntag auf Montag im Odenwaldkreis etwas nicht gerade Alltägliches. Eine neue Stadt wurde über Nacht aus der Taufe gehoben und damit auch gleich noch die drittgrößte Flächenkommune in ganz Hessen - nach Frankfurt und Wiesbaden. Oberzent heißt sie, hat genau 10.248 Einwohner auf 165 Quadratkilometern Gemarkung und ist das Ergebnis der Fusion der Stadt Beerfelden mit den Gemeinden Hesseneck, Rothenberg und Sensbachtal. Ein Zusammenschluss, der von den Bürgern getragen wurde.
Wäre also doch ein Grund zum Feiern gewesen. "Haben wir schon", sagt Christian Kehrer, Projektleiter der Fusion und jetzt zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit in Oberzent: "Nach dem erfolgreichen Bürgerentscheid für die Zusammenlegung vom 6. März 2016. Das war unser Neujahrstag." Außerdem soll es am 21. Januar in Beerfelden eine Gründungsfeier mit Neujahrsempfang geben - in der dortigen Oberzent-Halle. Benennungen mit dem neuen Stadtnamen sind schon lange nichts Neues mehr.
Hintergrund
Das neue Wappen der Stadt Oberzent. Der Bär weist auf Beerfelden hin, das Rad auf Sensbachtal, das Kreuz mit dem Bogen und den Sternen auf Hesseneck. Das Hirschgeweih und die Eichel sind im Rothenberger Wappen zu finden.
Das neue Wappen der Stadt Oberzent. Der Bär weist auf Beerfelden hin, das Rad auf Sensbachtal, das Kreuz mit dem Bogen und den Sternen auf Hesseneck. Das Hirschgeweih und die Eichel sind im Rothenberger Wappen zu finden.
Es gibt beispielsweise einen Reit- und Fahrverein, der so heißt, dann die Oberzent-Schule oder die Fußball-Jugendspielgemeinschaft Oberzent. Eben weil der Stadtname auf den mittelalterlichen Gerichtsbezirk zurückgeht, ist dieser im Bewusstsein der Bürger verankert. Und dennoch: "Wir werden jetzt bestimmt keine Oberzenter", sagt Kehrer: "Ich zum Beispiel bleibe Finkenbacher." Jeder der insgesamt 19 Stadtteile werde seine Identität bewahren: "Und das ist ja auch gut so. Es gibt die Verwurzelung mit dem eigenen Ort, nicht mit der neuen Kommune." Kirchturmdenken soll nichts schlechtes sein. Zumindest nicht, was diese Tradition betrifft. Umdenken war an anderen Stellen gefragt.

Denn seit dem Jahr 2000 gingen massiv Arbeitsplätze in den vier Fusionsorten verloren. Zudem schrumpfte die Bevölkerung in 25 Jahren um 1140 Bürger, was nicht nur demografische Gründe hatte. Also erkannten sie, dass sie ihre Kräfte bündeln müssen, um gegenzusteuern: "Wir kämpfen jetzt gemeinsam", sagt Kehrer. Um Firmen, um Bürger, um Kinder. "Da wir jetzt eine Stadt sind, ist es eigentlich egal, wo sich ein Unternehmen ansiedelt." Dass sich etwas tut, merkt man schon an steigenden Anmeldezahlen in Kindergärten einzelner Orte.
Auch interessant
Und vielleicht traut sich ja doch bald wieder ein Bäcker oder Metzger, eine Filiale auf dem Dorf aufzumachen. Oberzent hat da die gleichen Probleme wie alle Kommunen im ländlichen Raum. Man findet ein paar große Supermärkte. Aber Geschäfte am Ort gibt es nicht mehr so wie früher. Dafür viel Wald. Dieser mache rund 70 Prozent der Gemarkung aus, so Kehrer. Eine eigene Forstverwaltung könne da mal ein Thema werden.
Jetzt gibt es erst mal andere Dinge, die zu klären sind. Beschilderungen und Straßennamen zum Beispiel. Wegweiser wurden schon Ende Dezember geändert. Auch der größte Teil der neuen Ortstafeln steht schon. In diesem Monat werden die übrigen ersetzt, samt der Schilder mit neuen Straßennamen. Die Regelung sieht vor, dass solche, die es doppelt gibt, geändert werden. Wobei die Straße, in der weniger Bürger wohnen, umbenannt wird.
Für die Feuerwehren bedeutet das etwas Umgewöhnung. Genau 16 Wehren mit rund 500 aktiven Kameraden gibt es in Oberzent. Seit 1. Januar sind sie gemeinsam die Freiwillige Feuerwehr der Stadt. Schon vor einem Jahr haben sie Arbeitsgruppen gebildet, um einheitliche Standards zu entwickeln. Bis ein neuer Stadtbrandinspektor ernannt wird, führen die bisherigen Inspektoren ihre Arbeit kommissarisch fort. Die Stelle sei ausgeschrieben, so Kehrer. Wann sie besetzt werde, stehe noch nicht fest: "Da warten wir auch noch die Jahreshauptversammlungen ab."
Wann ein neuer Bürgermeister gewählt wird, ist allerdings klar, nämlich am 29. April. Dann wählen die Bürger von Oberzent auch ihre 37-köpfige Stadtverordnetenversammlung sowie die 79 Mitglieder der Ortsbeiräte. Außerdem wird der Magistrat aus acht Stadträten gebildet. Bis dahin führt Egon Scheuermann als Staatsbeauftragter die Geschäfte der Verwaltung, die sich auf die vier Rathäuser verteilt. Hauptsitz ist in Beerfelden. In allen Fachbereichen wurden in dieser Woche Arbeitsplätze eingerichtet, Telefone und Mail-Adressen scharf geschaltet und alle Systeme überprüft. Einige Verwaltungsmitarbeiter werden erst später in neue Büros umziehen. Übrigens wurden alle Beschäftigten in den Dienst der Stadt Oberzent übernommen.
Richtig gespart wird zunächst bei den Verwaltungschefs. Schließlich fallen drei Stellen weg. Zudem wird das Land Hessen ein Drittel der Stadtverschuldung übernehmen. Der aktuelle Haushalt von Oberzent werde derzeit erstellt, so Kehrer. Mit diesen Zahlen wird der neue Bürgermeister arbeiten müssen. Scheuermann, der ehemalige Rathauschef von Sensbachtal, wird es nicht. Denn zur Wahl im April tritt er nicht mehr an. Er folgt Gottfried Görig (Beerfelden) und Hans Heinz Keursten (Rothenberg) in den Ruhestand. Von den vier bisherigen Bürgermeistern wirft also nur Thomas Ihrig (52, SPD) aus Hesseneck seinen Hut in den Ring. Seine Mitbewerber heißen Thomas Väth (52, Grüne), Oliver von Falkenburg (32, CDU) und Claus Weyrauch (50) von der Überparteilichen Wählergemeinschaft Oberzent (ÜWO).