Neckargemünd

Streit um Kindergartengebühren

Der Gemeinderat lehnte die Erhöhung knapp ab, der Bürgermeister widersprach.

12.07.2023 UPDATE: 12.07.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 22 Sekunden
Steigen die Gebühren für die städtischen Kindergärten nun doch noch? Foto: Alex

Von Christoph Moll

Neckargemünd. Es ist ein Vorgang, wie er in der Region nur selten vorkommt: Ein Bürgermeister widerspricht seinem Gemeinderat – so geschehen nun in Neckargemünd. Anlass waren die geplanten Erhöhungen der Gebühren für die Kinderbetreuung und für die außerschulische Betreuung, die das Gremium jeweils mit knapper Mehrheit ablehnte – in Abwesenheit von Bürgermeister Frank Volk, der mit dem Fahrrad gestürzt war. Dieser sah in den Entscheidungen im Nachgang einen Schaden für die Stadt und widersprach den Beschlüssen. Deshalb muss der Gemeinderat am morgigen Donnerstag, 13. Juli, ab 19 Uhr im Ratssaal des Rathauses erneut beraten.

Darauf hatte zunächst nichts hingedeutet. Einstimmig war noch der Beschluss zur Kindergartenbedarfsplanung ausgefallen, bei der es um die finanzielle Förderung der Einrichtungen geht. Vorher hatte es aber noch einen anderen Aufreger gegeben: Immer wenn Joachim Bergsträsser (SPD) gleich zu Beginn einer Sitzung meist beide Hände in die Luft streckt, geht es um einen Antrag zur Geschäftsordnung. So auch dieses Mal. Er beantragte, ohne Diskussion über die Erhöhungen der Gebühren abzustimmen. Außer, dass die Landesregierung die Kosten übernehmen soll, sei nicht viel dazu zu sagen, meinte er. Hermino Katzenstein (Grüne) hielt dagegen: "Nicht nur wir haben einige Fragen, die auch für Bürger relevant sind", meinte er. "Es gehört zum Anstand, sich über ein so wichtiges Thema angemessen auszutauschen – es geht hier um das Geld der Bürger."

Doch bei zehn zu neun Stimmen und drei Enthaltungen wurde denkbar knapp beschlossen, ohne Aussprache abzustimmen. "Eine Sternstunde für die Demokratie", kritisierte Katzenstein dies ironisch. Und auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende Petra Groesser schäumte: "Das geht gar nicht – es ist unglaublich, dass man als Stadträtin den Mund verboten bekommt." Bürgermeister-Stellvertreter Jürgen Rehberger versuchte als Sitzungsleiter zu beruhigen: "Die Mehrheit hat entschieden – ob es einem gefällt oder nicht." Es gelte, den "demokratisch entschiedenen Antrag" zu akzeptieren. Dieser sie zulässig gewesen. "Das ist damit erledigt", meinte Rehberger.

Als es dann um die Kinderbetreuungsgebühren ging, sagte Rehberger lediglich, dass man der Empfehlung des gemeinsamen Gremiums von Gemeindetag und Kirchen folgen wolle. Dieses schlage eine Erhöhung aller Gebühren um 8,5 Prozent vor. Dies wurde jedoch erneut knapp mit zwölf Stimmen überwiegend aus den Reihen von Grünen und CDU gegen zehn Stimmen vor allem der SPD und den Freien Wählern sowie bei zwei Enthaltungen abgeschmettert.

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Auch die Gebühren für die außerschulische Betreuung sollten um 8,5 Prozent steigen. "Es handelt sich nicht um eine Pflichtaufgabe der Stadt", erläuterte Rehberger. "Hier können wir auch andere Gebührensätze verlangen." Die vorgeschlagene Erhöhung sei "moderat und erschwinglich für Familien". Doch auch hier gab’s eine Ablehnung mit zwölf zu neun Stimmen bei drei Enthaltungen.

Hermino Katzenstein erläuterte anschließend in einer persönlichen Erklärung – eine solche war zulässig – seine Ablehnung: Er sehe zwar einen Bedarf, die Gebühren zu erhöhen. "Aber ich halte das Modell nicht für sozial gerecht und wünsche mir eine Staffelung der Gebühren für Kita und Hort nach finanzieller Leistungsfähigkeit der Eltern." Er gehe davon aus, dass seine Fraktion diese Ansicht teile. Thomas Schmitz (Grüne) gab jedoch einen anderen Grund an: "Meine Ablehnung ist alleine in der meines Erachtens unzulässigen Beschneidung des Rederechts zu diesen Tagesordnungspunkten begründet – und nur darin."

Manfred Rothe (Freie Wähler) wollte dann noch wissen, um welche Summe es bei der Gebührenerhöhung für den Haushalt ging – darüber durfte jedoch wegen der eingangs getroffenen Entscheidung nicht diskutiert werden. Katzenstein wies Rothe darauf hin, dass dieser selbst dem Bergsträsser-Antrag zugestimmt habe. Giuseppe Fritsch (fraktionslos) zeigte sich einfach nur "enttäuscht".

"Somit haben wir keine Erhöhung der Gebühren, was den Haushalt belastet", bilanzierte Rehberger und deutete schon an: "Es wird zu prüfen sein, ob diesem Beschluss widersprochen werden muss."

Dies tat Bürgermeister Frank Volk aus dem Krankenstand und wird die Sondersitzung am Donnerstag selbst leiten. "Ein Verzicht auf Gebührenerhöhungen beziehungsweise Erhöhung der Entgelte für die städtischen Leistungen steht in Widerspruch zur gemeindlichen Verpflichtung zu einer sparsamen Haushaltsführung", betont er auf RNZ-Nachfrage. Die Gebühren beziehungsweise Entgelte, die weit weg von der Kostendeckung liegen, lieber stetig in geringerem Maße als sprunghaft nach mehreren Jahren anzupassen, sei ein guter und schonender Weg gewesen.

Dieser Weg sei für den Gemeinderat unabdingbar. Das Gremium sei in Kenntnis der äußerst prekären Haushaltslage und habe die Notwendigkeit gesehen, für die Konsolidierung des Haushaltes über eine Haushaltsstrukturkommission sämtliche Möglichkeiten für Einsparungen beziehungsweise Erhöhung der Einnahmestruktur über Kostenweitergabe für städtische Leistungen zu erheben. Mit einer Umsetzung der nun getroffenen Beschlüsse sei mit "massiven negativen Auswirkungen auf die Gemeindefinanzen in diesem und den nächsten Jahren in sechsstelliger Höhe zu rechnen".

Auch der Grundsatz des Vorrangs des Verursacherprinzips bei der Einnahmebeschaffung – Belastung der Nutzer vor der Allgemeinheit – sei zu beachten. "Ich bin der Auffassung, dass die Belastung der Eltern so gering wie möglich sein sollte, und die Gebühren für die Kinderbetreuung dem Grunde nach für die Eltern kostenlos sein beziehungsweise vom Land Baden-Württemberg vollständig übernommen werden sollten", so Volk. "Dennoch kann die Lösung nicht sein, die Gesamtheit aller Neckargemünder mit den Kosten zu belasten beziehungsweise dringende anderweitige Aufgaben nicht erfüllen zu können, weil die Mittel fehlen." Daher sehe er keine andere Möglichkeit, als die Beschlüsse erneut zur Diskussion zu stellen.

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