Die Freien Wähler treten nicht mehr an
Die aktuell viertstärkste Kraft im Gemeinderat stellt keine Kandidatenliste für die nächste Gemeinderatswahl auf. Vor allem Zeitgründen seien dafür ausschlaggebend.

Von Silke Beckmann
Ladenburg. Die Freien Wähler (FW) ziehen sich Mitte 2024 aus dem Gemeinderat zurück. Im kommenden Jahr wird sich die derzeit viertstärkste Kraft im Stadtparlament nicht mehr zur Wahl stellen.
Was nicht etwa gleichbedeutend ist mit Auflösung, sondern: "Wir stellen für die nächste Wahl keine Kandidatenliste auf", macht Fraktionsvorsitzende Gudrun Ruster deutlich. Die Gründe für den Rückzug sind vielfältig, wie die Vorsitzende der FW-Ortsgruppe Ariane Wolf auf Anfrage mitteilte.
So werde es zunehmend schwieriger, Leute zu mobilisieren, sich ehrenamtlich kommunalpolitisch zu engagieren. Das hatten die rund neun "regelmäßigen Mitstreiter", von denen sich jedoch keiner (mehr) zur Wahl stellen möchte, im letzten Jahr mit mäßigem Erfolg versucht. Allerdings wolle man aber auch keine Kandidatenliste erstellen mit Bewerbern, die letztlich gar nicht in den Gemeinderat einziehen möchten.
Und da spielt als Beweggrund auch der Faktor Zeit eine immense Rolle: "Der Umfang der Vorlagen zu den Sitzungen ist groß geworden, und es ist einfach schwierig, sich hineinzulesen und zurechtzufinden", sich auch in Spezifika wie juristische oder bautechnische Sachverhalte einzuarbeiten, erklärt Wolf.
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Und spricht sinngemäß von zeitlich intensiven Anforderungen, die das Maß für ehrenamtliche Tätigkeiten überstiegen, da damit außerdem auch noch Sitzungen diverser Ausschüsse sowie Begehungen und Besichtigungen einhergingen.
Was die aktuellen vier Mandatsträger der Freien Wähler dazu bewegt hat, von einer weiteren Amtsperiode abzusehen, ist hauptsächlich das Thema Zeit als meistgenannter Grund. Davon hat Gudrun Ruster schon seit 1999 viel investiert, und zwar stets "mit Herzblut", wie sie betont. Aber sie findet, dass, "wenn man 25 Jahre lang dabei ist, auch einmal den Jüngeren eine Chance geben sollte, da mitzumischen".
Der Arbeitsaufwand sei mit den Jahren gestiegen: "Wenn du es richtig machst, brauchst du viel Zeit." Die fehlt als selbstständig tätigem Geschäftsinhaber auch Sven Ruster, der als Beispiel die Vorlagen-Lektüre zur Sporthallen-Ausschreibung nennt: "Da setzt man sich hin und liest über viele Stunden." Nach 30 Jahren des ehrenamtlichen Engagements, davon einem Drittel als Stadtrat, sollen Freizeit und Privatleben wieder ein wenig in den Vordergrund rücken.
Derweil muss sich Sohn Tim, einst schon Jugendgemeinderat, schwerpunktmäßig auf sein Studium konzentrieren. Ließ ihm die Ausbildung noch mehr Spielraum fürs Ehrenamt, studiert er mittlerweile Geschichte, Geografie und Ethik fürs Gymnasiallehramt im zweiten Semester, was bis zum Master entsprechenden Einsatz erfordert.
Und auch Friedhofsgärtner Heiko Freund, der aus zeitlichen Gründen nicht am spontan anberaumten Gespräch teilnehmen konnte, ist beruflich stark eingespannt und möchte auch aus familiären Gründen vorerst keine weitere Amtszeit anpeilen.
Was er aber für die Zukunft, in fünf oder zehn Jahren, nicht ausschließe, wie Gudrun Ruster betont: "Wir lösen uns ja nicht auf." Und sie versichert, dass die Freien Wähler bis zur Neuwahl des Gremiums im Juni 2024 weiter volles Engagement am Ratstisch zeigen werden: "Voller Kraft und Elan – da ändert sich gar nichts."
Darüber, wie es danach weitergeht, habe man noch nicht gesprochen, sagte Wolf, "aber wir sind offen", gerne auch für neue Mitstreiter. Nicht geplant sei die Unterstützung einer anderen Partei: "Wir sind ja frei und unabhängig und sprechen keine Empfehlungen aus." Die sich abzeichnende Entwicklung bedauern die Freien Wähler zutiefst, sind sie doch überzeugt, dass kommunalpolitische Entscheidungen einen größeren Einfluss auf das Leben der Bürger haben als von diesen vielfach wahrgenommen und zudem parteiunabhängig und lösungsorientiert getroffen werden sollen.