Hoffenheim gegen Dortmund

Frohes Fest mit Störgeräuschen

Eiskalte Hoffenheimer nehmen das BVB-Geschenk dankbar an, doch im Hintergrund rumort es wegen Belfodil und Ex-Kapitän Vogt

22.12.2019 UPDATE: 23.12.2019 06:00 Uhr 3 Minuten, 9 Sekunden
Entscheidung: Andrej Kramaric (linkes Bild,2.v.r.) köpft das 2:1 für Hoffenheim, BVB-Torhüter Roman Bürki kommt nicht mehr ganz ran. Der jubelnde Edel-Joker Sargis Adamyan (r.o.) war der Mann im Weihnachtsspiel. Für Kevin Vogt (r.u.) ist die Atmosphäre hingegen gerade eisig – aus Verärgerung hat er sein Kapitänsamt bei den Hoffenheimern niedergelegt. Fotos: APF

Von Joachim Klaehn

Sinsheim. Fast immer, wenn die TSG 1899 Hoffenheim und Borussia Dortmund in der Bundesliga aufeinander treffen, ist eine ganz besondere Dramaturgie garantiert. So auch am späten Freitagabend in der ausverkauften Sinsheimer Arena, im 23. Duell zweier Klubs, die sich im Binnenverhältnis durch eine eigenwillige Form der Zuwendung auszeichnen. Im "Weihnachtsspecial", zum Abschluss der Vorrunde, wurde eine Beziehung zweier gar so unterschiedlicher Vereine zum Aufpoppen gebracht, wie Popcorn in einem Topf bei mittlerer Hitze. Das weitaus bessere Ende hatte derweil "Hoffe" für sich. Mit einem Wendepunkt, der lange, sehr lange in diesem Match mit Knalleffekt unmöglich zu sein schien.

Zusammengefasst: Da die Schwarz-Gelben nach dem früh herausgespielten 0:1 (17.) durch Mario Götze den "Krabbelsack" nicht geschlossen bekamen, purzelten die Geschenke für die Kraichgauer heraus. Nach dem verpassten 0:2, 0:3 oder 0:4 des BVB nutzte die TSG ihre wenigen Chancen eiskalt aus, stellte den Spielverlauf somit auf den Kopf und karikierte gewissermaßen die Dortmunder Dominanz und das unfassbare Laissez-faire der Lucien-Favre-Schützlinge. Erst traf Edel-Joker Sargis Adamyan zum 1:1 (79.), dann setzte Andrej Kramaric zum frenetisch gefeierten 2:1 (87.) den entscheidenden Nadelstich.

Adamyan trat mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck in die Mixed Zone. Der gebürtige Armenier und Wahl-Heidelberger wirkt eher schüchtern-zurückhaltend und überaus freundlich. "Wir haben hart gearbeitet", sagte Adamyan ohne Triumphgeschrei, "es ist schön, dass wir uns dafür belohnt haben." Seine Hoffenheimer Mannschaft habe gespürt, dass der BVB angesichts der Mehrfachbelastung in den letzten Wochen nachlassen werde. Aufsteiger Adamyan sollte im letzten Heimspiel des Jahrzehnts zum maßgeblichen Protagonisten werden. Beim Ausgleich antizipierte er die Situation am schnellsten, das 2:1 legte er für seinen Sturmkollegen Andrej Kramaric mit einer optimal getimten Flanke auf, besser geht es kaum, wenn man bedenkt, dass er von Cheftrainer Alfred Schreuder erst in der Pause für den auffällig unauffälligen Diadie Samassékou eingewechselt worden war.

Inzwischen hat der von Jahn Regensburg verpflichtete "Sargis wer?", wie es das Fachmagazin kicker Anfang Oktober pointiert formulierte, vier Tore für die Blauen markiert. Nicht irgendwelche, nein, ein Doppelpack beim 2:1-Sensationscoup gegen das Münchner Starensemble, ein Treffer in Köln (2:1) und nunmehr das Tor und der Assist gegen den vermeintlichen Giganten aus dem Ruhrpott. Methode oder Zufall? "Warum es gegen Spitzenteams bei mir klappt, kann ich auch nicht sagen. Ich treffe immer gerne – ich hätte auch gerne gegen andere Teams getroffen", hauchte Adamyan bescheiden in Reporter-Mikrofone und Aufnahmegeräte.

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Man spürt: Für ihn ist die persönliche Entwicklung wie ein Weihnachtsmärchen – vor drei Jahren habe er noch in der Regionalliga beim TSV Steinbach gezockt, und nun dies: Im Brennglas der Öffentlichkeit, im ZDF zur besten Sendezeit, im Mittelpunkt des Geschehens gegen Topklubs aus Deutschland. "Es ist einfach schön, hier zu sein", schob er mit der für ihn typischen Demut nach, das TSG-Team habe den Fans zum Jahresabschluss "das Beste bieten wollen", es sei "versöhnlich" und 27 Punkte nach 17 Spieltagen "fühlen sich eigentlich ganz gut an", darauf könne man in der zweiten Saisonhälfte aufbauen.

Wären da nicht die Störgeräusche durch Ishak Belfodil, der offenbar seinen Wechsel im Winter forcieren will und womöglich von seinem Berater gelenkt werden könnte, und Kevin Vogt. Der 28-Jährige, zuletzt von Schreuder angeblich aus sportlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt oder nur auf die Bank verbannt, hat unmittelbar vor dem Urlaubsantritt sein Kapitänsamt niedergelegt. Gegenüber der Bildzeitung äußerte sich Vogt klar, überlegt und fast ein bisschen staatsmännisch. Vogt: "Das für das Amt nötige und wichtige Vertrauensverhältnis zwischen Cheftrainer und mir ist gestört, die Entscheidungen und mir gegenüber gemachten Aussagen sind für mich inhaltlich nicht nachvollziehbar."

Das klingt nicht gut – und will nicht so recht zur vorweihnachtlichen Idylle nach den Dreiern bei Union Berlin (2:0) und gegen den BVB (2:1) passen. Erst recht, weil mit Havard Nordtveit, der lange Zeit überhaupt kein Faktor mehr bei der TSG war, eine solide Kraft aus der Versenkung aufgetaucht ist. Alles deutet auf interne Zwistigkeiten und Befindlichkeiten hin. Dass Schreuder durchaus auch ein Hardliner sein kann, hat er zuletzt auch bei öffentlichen Auftritten bewiesen. Wenn ihm eine Frage nicht passt, wird’s ungemütlich. "Ich werde zu Belfodil keine Aussage machen", grollte Schreuder nach der Pressekonferenz, "das ist eine Sache für Alexander Rosen." Zu den Fakten: Belfodils Vertrag läuft bis 2022, der von Vogt ebenfalls. Stoff für Zoff? Oder eben doch für die eine oder andere nachträgliche Zäsur im Profikader?

Wie dem auch sei: Schreuder hat dank zuletzt sechs Punkten und den Einwechslungen bei den "Eisernen" und gegen den Wackel-BVB alle Argumente auf seiner Seite. "Die letzten drei Spiele waren extreme Mentalitätsspiele", sagte er.

Der Konkurrenzkampf ist jedenfalls eröffnet, man habe laut Schreuder viele Profis mit "ähnlicher Qualität". Vom 3. bis 10. Januar wird "Hoffe" sein Trainingslager im spanischen Marbella beziehen. Noch ist nicht klar, wohin die saisonale Reise führt. Alfred Schreuders Fazit fiel übers Wochenende ambivalent aus: "Wir haben Punkte geholt, die nicht erwartet waren. Und Punkte vergeben, die man nicht hätte vergeben dürfen."

Es geht halt – augenzwinkernd – nicht immer gegen den FC Bayern oder den BVB, sondern auch mal gegen Düsseldorf, Mainz oder Augsburg …

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