Julian Nagelsmann im Porträt

Auf dem besten Weg in den Kreis der großen Trainer

Julian Nagelsmann begeisterte in den letzten dreieinhalb Jahren bei der TSG 1899 Hoffenheim die Fußballwelt. Dem jungen Fußballlehrer wird eine große Karriere prophezeit. rnz.de blickt auf seine bisherige Karriere zurück

07.03.2018 UPDATE: 07.03.2018 17:14 Uhr 5 Minuten, 18 Sekunden
Julian Nagelsmann. Foto: dpa

Von Patrick Mitschke

Zuzenhausen. Nach rund dreieinhalb Jahren als Cheftrainer und insgesamt neun Jahren im Verein endet im Sommer die Zeit Julian Nagelsmanns bei der TSG 1899 Hoffenheim Aus dem Bundesliga-Abstiegskampf brachte der heute 31-Jährige die TSG 1899 Hoffenheim bis in die Champions-League und begeisterte mit seiner Elf phasenweise die Liga. rnz.de blickt auf die bisherige Karriere des Trainers zurück.

Geboren wurde Nagelsmann am 23. Juli 1987 in Landsberg am Lech. Seine fußballerische Laufbahn begann er beim FC Issing. Von dort ging es für den talentierten Verteidiger weiter über den FC Augsburg zum TSV 1860 München, bei dem er schließlich nach 31 Spielen in der A-Jugend-Bundesliga den Sprung in die U23 schaffte.

Schon früh hinderten ihn einige Verletzungen im Lendenwirbelbereich daran, bei der Reserve der Löwen richtig Fuß zu fassen, sodass sich Nagelsmann zu einem Wechsel nach Augsburg entschied. Nach einem kapitalen Meniskus- und Knorpelschaden im Knie entschied er sich, schon mit 20 Jahren seine aktive Karriere zu beenden. Daraufhin wurde er aufgrund seines noch bestehenden Vertrages zum Assistenten von Thomas Tuchel, der damals die zweiten Mannschaft des FCA trainierte. Für Tuchel arbeitete Nagelsmann zunächst als Scout in der Gegnerbeobachtung.

2008 folgte dann die Rückkehr nach München, wo er eine Stelle als Co-Trainer der U17 antrat. Nach zwei weiteren Jahren bei den Löwen kehrte Nagelsmann seiner Heimatregion den Rücken und wagte den Sprung zur Hoffenheimer U17, auch weil ihm im Kraichgau schon früh eine tragende Rolle angeboten wurde. Und so kam es, dass er nach einem Jahr als Co-Trainer der U17 bereits 2011 zum Cheftrainer der U16 wurde.

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Zum ersten Mal auf der Bundesligabühne tauchte Nagelsmann im Dezember 2012 auf, als er zunächst dem damaligen Cheftrainer Frank Kramer und später auch seinen Nachfolgern in dieser Spielzeit (Marko Kurz, Markus Gisdol) assistierte. Von Tim Wiese damals "Baby-Mourinho" getauft, konnte er erste Erfahrungen im Bundesligaabstiegskampf sammeln. Ab der Saison 2013/14 nahm die Erfolgsstory des jungen Trainers dann richtig Fahrt auf. Nagelsmann übernahm im Kraichgau die U19 und führte diese schon in seiner ersten Saison zum Gewinn der Süddeutschen und der Deutschen Meisterschaft. Im darauffolgenden Jahr scheiterte er erst im Finale an Schalke 04 und damit an der doppelten Titelverteidigung.

Im Juni 2015 begann Nagelsmann seine Ausbildung als Fußballlehrer. Nachdem Huub Stevens, der selbst erst Ende Oktober 2015 das Zepter im Kraichgau übernommen hatte, wegen Herzrhythmusstörungen bereits im darauffolgenden Februar wieder zurücktratt, war es an Julian Nagelsmann die Hoffenheimer aus dem Abstiegssumpf zu befreien. Für die Kraichgauer war die vorzeitige Beförderung Nagelsmanns zum Cheftrainer damals nicht risikofrei, bei einem eventuellen Abstieg hätte das vielgelobte Trainertalent gleich mit einem Negativerlebnis zu kämpfen gehabt.

Doch es kam ganz anders. Angefangen mit einem 1:1 in Bremen arbeiteten sich die Hoffenheimer unter ihrem neuen Trainer Stück für Stück zurück auf die Nichtabstiegsplätze. 23 Punkte aus den letzten 14 Spielen standen zu Buche, die TSG auf Tabellenplatz 15 – und Julian Nagelsmann gleich im Rampenlicht.

Für die erste komplette Saison als Hauptverantwortlicher der TSG 1899 Hoffenheim gab Nagelsmann im RNZ-Interview im Sommer 2016 die Marschroute vor: "So mit ein bisschen Rumkicken in der Bundesliga und dem Verbleib kann ich nicht so viel anfangen. Das befriedigt mich nicht. Wenn ich Zwölfter werde, möchte ich nicht durch Heidelberg sprinten, mir eine Krone aufsetzen und sagen: Was bin ich für ein geiler Typ! Ich will richtig guten Fußball spielen lassen und Erfolg haben."

Seinen großen Worten ließ er gemeinsam mit einer hungrigen Hoffenheimer Mannschaft sogleich auch Taten folgen. Nach vier Unentschieden zum Auftakt startete die TSG durch und blieb die gesamte Hinrunde über ungeschlagen. Die Erfolgsstory des jungen Hoffenheimer Trainers blieb natürlich in der Liga nicht unbemerkt. Schon in der Winterpause 2016/17 kursierten die ersten zaghaften Gerüchte um eine Zukunft beim FC Bayern – wenn auch als Weißbier-Wette im RNZ-Interview.

Nach der Rückrunde, die die TSG auf einem überragenden vierten Platz und der ersten Teilnahme am internationalen Geschäft abschloss, nahmen die Gerüchte um einen Wechsel nach München immer weiter zu. 

Diese gerieten allerdings zu Saisonende wieder ins Hintertreffen – Nagelsmann unterschrieb bis 2019, die TSG feierte die erfolgreichste Saison in der Vereinsgeschichte und der ganze Kraichgau freute sich auf die Champions-League-Playoffs gegen den glorreichen FC Liverpool. Dass Julian Nagelsmann die Entwicklung seiner Mannschaft keineswegs überraschte und er die ein Jahr zuvor getroffenen Aussagen durchaus ernst meinte, bewies er durch die Enthüllung der eigenen Saisonziele am letzten Spieltag.

Nach dem anderthalbjährigen Höhenflug der TSG unter Julian Nagelsmann kehrte zu Beginn der Spielzeit 2017/18 das erste Mal eine gewisse Ernüchterung im Kraichgau ein. Die Spiele gegen den FC Liverpool gingen verloren und auch die erste Gruppenphase im internationalen Geschäft mit Spielen gegen Istanbul Basaksehir, Ludogorez Rasgrad und Sporting Braga verlief enttäuschend. Mit einem unglücklichen Interview gegenüber Eurosport, in dem Nagelsmann bekannte, der FC Bayern spiele in seinen Träumen "doch eine etwas größere Rolle", lieferte Nagelsmann der Medienlandschaft zusätzliche Angriffspunkte. Noch dazu lief es für sein Team nicht mehr so gut, wie im Jahr zuvor – was aufgrund der hohen Messlatte allerdings kaum verwunderlich war. Als im Dezember Peter Bosz in Dortmund gehen musste, war Nagelsmann auch bei den Schwarz-Gelben ein Thema. Zur Winterpause war die TSG aus Pokal und Europa-League ausgeschieden und rangierte in der Bundesliga auf Platz Sieben.

Doch auch diese erste schwächere Phase in der Amtszeit Julian Nagelsmanns überstanden Verein und Trainer gemeinsam. Dietmar Hopp erteilte allen Bewerbern um den eigenen Trainer eine Absage und auch Nagelsmann selbst bekräftigte bis 2019 Trainer der TSG bleiben zu wollen. Es sollte eine starke Rückrunde folgen. Nach zwei Unentschieden und zwei Niederlagen zum Auftakt in die Restspielzeit verloren die Kraichgauer nur noch zwei Spiele und durften nach dem abschließenden 3:1-Heimsieg gegen Borussia Dortmund mit Platz Drei die beste Saison der Vereinsgeschichte feiern - der kleine Dorfverein aus Hoffenheim durfte in der darauffolgenden Spielzeit das erste Mal in der Champion-League antreten.

Auf die Feierlichkeiten folgte allerdings die Ernüchterung. Bereits im Juni gab Nagelsmann bekannt, dass er den Verein im Sommer 2019 in Richtung Leipzig verlassen werde. Der Bundesligakonkurrent nutzte eine Ausstiegsklausel im Vertrag des Hoffenheimer Trainers und zahlt wohl rund fünf Millionen Ablöse. Dass ein Trainer bereits über ein Jahr vor seinem Abgang denselben bekanntgibt, ist nicht alltäglich. Doch dieses Wagnis sollte sich für Nagelsmann auszahlen. Von Vereinsseite gab es keine Kritik an der frühen Bekanntgabe und auch seine Spieler waren überzeugt, dass dies der eigenen Leistung keinen Abbruch geben werde. So war auch ein vorzeitiger Wechel schnell vom Tisch. Auch etwaige Gerüchten um seine Zukunft konnte Nagelsmann so verhindern.

Zu Beginn der Spielzeit 2018/19 war der Nagelsmann-Abgang schon wieder in den Hintergrund gerückt - immerhin standen die ersten Spiele in der europäischen Königsklasse an. Shakhtar Donezk, Manchester City und Olympique Lyon hießen die Gegner, die für die TSG leider eine Nummer zu groß waren. Trotz einiger starker Auftritte endete die erste Champions-League-Saison für Julian Nagelsmann und die Hoffenheimer mit dem letzten Platz in ihrer Gruppe. Auch im Pokal war wieder einmal frühzeitig Schluss, ausgerechnet gegen den zukünftigen Arbeitgeber aus Leipzig verlor man in der Zweiten Runde mit 0:2.

Die ersten 17 Spiele in der Liga ähnelten denen ein Jahr zuvor. Nach einigen Auf und Abs stand die TSG zur Winterpause auf Rang Sieben. Schuld daran waren vor allem zahlreiche Unentschieden. Um sich mit der erneuten Qualifikation für das internationale Geschäft aus dem Kraichgau zu verabschieden, muss Julian Nagelsmann mit seiner Mannschaft also erneut eine starke Rückrunde spielen. Sieben Spieltage vor Schluss rangieren die Hoffenheimer auf Platz Neun, haben bei zwei Punkten Rückstand allerdings noch alles in der eigenen Hand.

Egal wie die letzte Saison unter Julian Nagelsmann im Kraichgau enden wird - der 31-Jährige hat Spuren hinterlassen im Kraichgau. Aus dem Abstiegskandidaten formte er, unter Mithilfe der Verantwortlichen bei der TSG, eine Champions-League-Mannschaft, die zeitweise den spektakulärsten Fußball der Liga spielte. Auch die Zukunft der TSG gestaltet Nagelsmann aktiv mit. Stefan Posch und Dennis Geiger stehen exemplarisch für junge Spieler, denen Nagelsmann immer wieder das Vertrauen gibt und die sich unter ihm im Kraichgau hervorragend entwickelt haben. Weitere werden diesem Vorbild folgen. Mit Alfred Schreuder übernimmt nun im Sommer einer seiner ehemaligen Co-Trainer in Hoffenheim, der versuchen wird, die gemeinsam begonnene Arbeit weiter zu führen. Nagelsmann wird dann in Leipzig den nächsten Schritt auf der Karriereleiter gehen. In Leipzig erwartet ihn ein ambitionierter Bundesligist, der ähnlich offen für neue Ideen scheint, wie die TSG Hoffenheim. Das Engagement bei den Roten Bullen könnte für den Jungen aus Landsberg am Lech der nächste Schritt auf dem Weg in den Kreis der großen Trainer werden.

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