1899 Hoffenheim

Nagelsmann hat seine Truppe wieder flott gekriegt

Die "Nagelsmänner" laufen mit einer Lockerheit übers Feld, während es bei den Rasenballern aus Leipzig krampft und gehörig rumort

23.04.2018 UPDATE: 24.04.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 35 Sekunden

Respektieren sich gegenseitig: Leipzigs Trainer Ralph Hasenhüttl (l.) und Hoffenheims Julian Nagelsmann. Foto: Imago

Von Joachim Klaehn

Leipzig. Es ist schon verrückt, wie rasant es zuweilen in diesem überreizten Profifußball-Metier zugeht. Nach dem 2:5 (0:3) von RasenBallsport Leipzig gegen die TSG 1899 Hoffenheim konnte man als neutraler Beobachter den Eindruck gewinnen, als müsse Trainer Ralph Hasenhüttl (50), der die Rasenballer in der letzten Saison als Neuling zur Vize-Meisterschaft geführt hatte, fortan um seinen Arbeitsplatz fürchten, während sein Pendant auf Seiten des Kraichgauklubs, Julian Nagelsmann (30), bei vermeintlichen europäischen Topadressen wie dem FC Arsenal gehandelt wird. Beides ist völlig unangemessen und übertrieben, aber es sind eben jene Reflexe der Branche, die zu Hybris, irrationalen Aspekten und Kurzschlusshandlungen neigt.

Hintergrund

Kampf um Europa

2. Schalke 04 (2. Tabellenplatz/31 Spiele/49:35 Tore/56 Punkte): (H) Borussia Mönchengladbach, (A) FC Augsburg, (H) Eintracht Frankfurt.

3. Borussia Dortmund (3./31/61:41/54): (A) Werder Bremen, (H) FSV Mainz 05, (A) 1899

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Kampf um Europa

2. Schalke 04 (2. Tabellenplatz/31 Spiele/49:35 Tore/56 Punkte): (H) Borussia Mönchengladbach, (A) FC Augsburg, (H) Eintracht Frankfurt.

3. Borussia Dortmund (3./31/61:41/54): (A) Werder Bremen, (H) FSV Mainz 05, (A) 1899 Hoffenheim.

4. Bayer Leverkusen (4./31/55:41/51): (H) VfB Stuttgart, (A) Werder Bremen, (H) Hannover 96.

5. 1899 Hoffenheim (5./31/60:44/49): (H) Hannover 96, (A) VfB Stuttgart, (H) Borussia Dortmund.

6. RB Leipzig (6./31/47:47/47): (A) FSV Mainz 05, (H) VfL Wolfsburg, (A) Hertha BSC.

7. Eintracht Frankfurt (7./31/41:40/46): (A) Bayern München, (H) Hamburger SV, (A) Schalke 04.

8. Borussia Mönchengladbach (8./31/42:48/43): (A) Schalke 04, (H) SC Freiburg, (A) Hamburger SV.

9. Hertha BSC (9./31/38:35/42): (H) FC Augsburg, (A) Hannover 96, (H) RB Leipzig.

10. VfB Stuttgart (10./31/29:35/42): (A) Bayer Leverkusen, (H) 1899 Hoffenheim, (A) Bayern München.

Hinweis: Platz eins bis vier spielt Champions League. Fünf und sechs Europa League, Rang sieben Europa-League-Qualifikation - sofern Bayern München am 19. Mai das DFB-Pokalfinale gegen Frankfurt gewinnt. jog

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Der Grazer Hasenhüttl (Vertrag bis 2019) hatte am Spielfeldrand Höllenqualen erlitten, weil sich sein hoch dotiertes Kollektiv anfängerhafte Fehler leistete. Die RBler wurden durch die Treffer von Mark Uth (14., 59.), Serge Gnabry (34.), Pavel Kaderabek (45.) sowie Lukas Rupp (64.) vorgeführt und gedemütigt, da spendeten die Erfolgserlebnisse von Naby Keita (59.) und Dayot Upamecano (88.) kaum Trost. Hasenhüttl wahrte äußerlich die Contenance: "Wir haben zu viele eigene Fehler gemacht, und sind dafür von Hoffenheim gnadenlos bestraft worden." Pointierter und tiefschürfender: "Wir haben vielleicht ganz nette individuelle Qualität, aber momentan insgesamt nicht die Qualität, um dort oben zu bestehen." Und letztlich mit unerbittlicher Schärfe und Deutlichkeit: "Ich möchte den Charakter der Mannschaft sehen. Die Bereitschaft, sich dagegen zu wehren und nicht zu akzeptieren, wenn etwas nicht funktioniert. Den Charakter der Zuschauer habe ich heute gesehen."

Leipzigs Coach ist ein stattlicher Kerl, und wie dortige, seriöse Journalisten berichten, ein Topfachmann und umgänglicher Mensch, der genau weiß, was er tut und sagt. Noch auf dem Platz versammelte er seine Truppe, um sie vor dem Saisonfinale einzunorden. Dass Sportdirektor Ralf Rangnick am Wochenende die Vertragsgespräche mit dem Trainer auf Eis legte ("Wir werden sie unmittelbar nach dem Saisonende aufnehmen und dann auch die Saison analysieren"), verheißt nichts Gutes und gleicht einem Misstrauensvotum. Ob dies so sinnvoll ist? Der Schwabe Rangnick (59) ist bekannt für seine Deutungshoheit, Sturheit und Unberechenbarkeit. Für die damaligen Mitarbeiter der TSG-Geschäftsstelle gab’s immer mal wieder ein Fläschchen Wein als Entschuldigung dafür, dass der überehrgeizige Sportchef übers Ziel hinausgeschossen war, und von anderen wie sich selbst zu viel wollte.

Das begeisterungsfähige Publikum bewies trotz eines 2:5 viel Empathie. In den Straßen und Gassen der Altstadt ist RB Gesprächsthema. Jeder weiß, dass es rumort. "Die halbe Mannschaft will weg", erzählt Michael Drevenstedt vom MDR, "und ob der Trainer bleibt, ist ebenfalls nicht klar."

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Ob die Champions League noch ein Thema sei, wurde Hasenhüttl gefragt. "Für Julian vielleicht", lächelte er gequält. "Ralph, jetzt kein Druck aufbauen", konterte Nagelsmann sofort. Dem Oberbayern geht derzeit alles locker von der Hand, das Team eilt von Erfolg zu Erfolg und hat die Europa League fast so gut wie in der Tasche - nach dem jüngsten Signal in Sachsen sogar Aussichten auf die Königsklasse. Hier macht sich eben bezahlt, dass der kleinste Bundesliga-Standort Hoffenheim im Gegensatz zu den meisten anderen ein Biotop darstellt. So schnell gerät beim Dorfverein nichts ins Wackeln und Wanken, es sei denn Mehrheitsgesellschafter Dietmar Hopp müsste ins operative Tagesgeschäft eingreifen. Dazu besteht in der Nagelsmann-Ära selten Grund, der Laden läuft, eine Wiederholung der letztjährigen Glanztat wäre die Krönung.

Nagelsmann hat sukzessive ein feines Gespür für den Moment entwickelt, was primär seine Mannschaft, aber durchaus auch öffentliche Auftritte anbetrifft. "Wenn ich an den Januar zurückdenke, was da über mich und meiner Mannschaft in der Zeitung stand, da waren wir ja schon mit beiden Beinen in der Zweiten Liga. Jetzt will uns jeder in die Champions League schreiben", übertrieb Nagelsmann. Fakt ist: Gemeinsam mit seinem Funktionsteam hat er eine hadernde, kriselnde und verunsicherte TSG-Truppe flott gekriegt.

Häufig hilft einfach der Blick aufs Leistungsbarometer namens Tabelle - im Fall von RB und "Hoffe" sowieso. Nach dem 22. Spieltag war Leipzig Zweiter mit 38 Punkten, Hoffenheim Achter mit deren 31, punktgleich mit Hannover und Mönchengladbach. Das war vor etwas mehr als zwei Monaten ...

Am Samstag haben die "Nagelsmänner" die von 45 Pflichtspielen erschlafften Rasenballer aus der Messe-, Kultur- und Sportstadt mit Siebenmeilenstiefeln überholt. So schnell kann’s gehen!

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