1899 Hoffenheim gegen Manchester City

Eine Unachtsamkeit zu viel

Stefan Posch und die TSG lernen schmerzhaft, dass in der Königsklasse jeder Fehler sofort bestraft wird

03.10.2018 UPDATE: 03.10.2018 16:00 Uhr 2 Minuten, 15 Sekunden

Im Duell mit den Weltstars: Stefan Posch hatte gegen den späteren Torschützen David Silva (l.), Raheem Sterling (r.) und Co. einen schweren Stand. Foto: APF

Von Nikolas Beck

Sinsheim. Stefan Posch ist nicht als Freund großer Worte bekannt. Als "Lautsprecher" trat der sympathische Österreicher bislang jedenfalls nicht in Erscheinung. Dennoch war der 21-jährige Blondschopf am Dienstagabend der gefragteste Mann.

Und es ist dem jungen Mann aus dem 9000-Seelen-Dorf Judenburg, der auf dem Bauernhof seines Opas in der ländlichen Steiermark Kühe melken und Traktor fahren lernte, hoch anzurechnen, dass er sich den Fragen stellte, noch auf dem Spielfeld Sätze sagte wie: "Es tut sehr weh, das Gegentor so spät zu bekommen." Oder später in den Katakomben der Arena, immer noch sichtlich angefasst: "Es ist natürlich bitter, dass der Fehler in solch einem Spiel passiert."

Wie nah Freud‘ und Leid im Spitzensport beieinander liegen, das musste Posch ausgerechnet bei der Heimspiel-Premiere der TSG in der Champions League am eigenen Leib erfahren. Von seinem Trainer Julian Nagelsmann bekam er zwar "grundsätzlich ein gutes Spiel" attestiert. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass der Innenverteidiger gegen die schnellen City-Angreifer über weite Strecken der Partie einen schweren Stand hatte, nur jeden dritten Zweikampf für sich entscheiden konnte.

Hintergrund

Einzelkritik

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Einzelkritik

Baumann: Stark gegen Sterling und Agüero, aber mit viel Glück gegen Sané. Trotzdem einer der Besten.

Akpoguma: Stark verbesserter Auftritt des "Maskenmanns". Nur vor dem Ausgleichstreffer nicht auf der Höhe.

Hoogma: Drei Tage nach seinem Bundesligadebüt mit taktischer Sonderaufgabe bei der Champions-League-Premiere. Chapeau!

Posch: Pechvogel, sah bei beiden Gegentreffern nicht gut aus.

Brenet: Erwartungsgemäß mit nicht so viel Offensivdrang wie zuletzt. Stellungsfehler vor dem 1:1.

Grillitsch: Könnte eine Pause gebrauchen. Denn die TSG braucht den Strategen in Bestform.

Demirbay: Stärkster Hoffenheimer. Vor allem in Durchgang eins mit guten Ideen, großem Engagement und einem Traumpass zum 1:0.

Kaderabek: Diesmal über links. Wie immer wieselflink, für Sterling und Sané aber nicht flink genug.

Joelinton: Ackerte, rackerte, ohne in Abschlussposition zu kommen.

Szalai: Das Spiel lief am Ungarn weitestgehend vorbei. Früh im zweiten Durchgang ohne gewonnen Zweikampf oder Torabschluss ausgewechselt.

Belfodil: Erster Torschütze und schnellster Torschütze der TSG in der Königsklasse. Der eine Titel bleibt für immer, der andere mit Sicherheit auch ganz lange.

Kramaric: Kam für Szalai - und hatte ähnliche Probleme wie sein Vorgänger.

Bittencourt: Übernahm von Grillitsch, verlor im entscheidenden Augenblick Silva aus den Augen.

Hack: Das Eigengewächs durfte in den Schlussminuten Champions-League-Luft schnuppern. nb

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Dennoch hatte er sich in der 84. Minute in höchster Not in einen Querpass von Leroy Sané geworfen und zur Ecke geklärt. Posch stand auf, war jetzt voll auf Betriebstemperatur, animierte die Südkurve in seinem Rücken, noch einmal richtig Gas zu geben und mitzuhelfen, den einen Zähler ins Ziel zu retten.

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Nur 180 Sekunden später stand die Gefühlswelt des Österreichers Kopf. Posch sank zu Boden, vergrub das Gesicht in seinen Händen, während David Silva - soeben noch sein Gegenspieler - längst zum Jubellauf abgedreht hatte.

Es war diese eine kurze Unachtsamkeit zu viel, die am Dienstag zum 1:2 führte - und die Hoffenheimer um den Lohn ihrer Arbeit brachte. "Der nächste Entwicklungsschritt muss sein, dass wir diese Spiele über die Zeit bringen, wenn wir nicht mit leeren Händen nach Hause gehen wollen", resümierte Torhüter Oliver Baumann. In der entscheidenden Szene hatte "Oli", diesmal Kapitän, das Unheil kommen sehen.

"Ich hab ihm noch zugerufen, als ich gesehen habe, dass ,Poschi’ klar zuerst am Ball ist", berichtete Baumann und man spürte, dass der Keeper die entscheidenden Sekunden noch einmal durchlebte, "dann nimmt er ihn an - und es kommt Silva." Ein tiefes Schnaufen: "Da haben wir einfach Pech gehabt."

Wer den Aufstieg der jungen "Nagelsmänner" in den letzten Jahren verfolgt hat, der kann sich vorstellen, dass in der Kabine niemand mit dem Finger auf den Abwehrmann gezeigt hat. Genauso, wie die Offensivkräfte Andrej Kramaric (in Düsseldorf) und Ishak Belfodil (gegen Dortmund) nach ihren Patzern vor dem leeren Tor, die wertvolle Bundesligapunkte kosteten, nicht am Pranger standen.

"Ich habe schon mit ihm gesprochen", sagte Nagelsmann, der den K.o.-Punch dann auch nicht an einer Person festmachen wollte. Man sei schon nicht aggressiv genug auf den Flankengeber gegangen, habe zu lange gelauert und habe es auch verpasst, mit dem Torschützen Silva mitzugehen.

Vermutlich fehlte Kraft und mentale Frische. Denn die verbliebenen Hoffenheim-Profis mussten einmal mehr von Beginn an über ihr Limit hinausgehen, hatten bei Baumanns Foul an Sané im Strafraum Fortuna auf ihrer Seite und insgesamt eine "starke Leistung gegen einen Weltklasseverein mit überragenden Fußballern" (Kerem Demirbay) gezeigt. Die Belohnung blieb aus.

Weil Stefan Posch 87 Minuten lang die personifizierte Erfolgsgeschichte der TSG an diesem Abend war: die zweite Reihe, die junge Garde, die in die Bresche sprang und dem Weltensemble alles abverlangte. Nur, um am Ende zum Inbegriff der bitteren Quintessenz zu werden. In Nagelsmanns Worten: "Auf diesem Niveau wird ein Fehler sofort bestraft - und wir sind noch nicht auf dem Niveau des Gegners heute."

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