TSG gewinnt gegen die Bayern

1899 Hoffenheim hat eine neue Lieblingsmannschaft (plus Fotogalerie)

2:0! Die ersatzgeschwächten Hoffenheimer bezwingen den großen FC Bayern erneut - Mark Uth und ein Balljunge als Helden

10.09.2017 UPDATE: 11.09.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 27 Sekunden

Gedankenschnell und handlungsstark: "Hoffes" Mark Uth (3.v.r. im Hintergrund) markiert das 1:0 gegen Münchens Keeper Manuel Neuer - es sollte der Türöffner zum Erfolg sein. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Sinsheim. Die Szene des Spiels war wie ein Wimpernschlag - und nicht mal ein fußballaffiner Regisseur wie Sönke Wortmann hätte sich diese Minisequenz so ausdenken können. Mats Hummels hatte gerade bewusst den Befreiungsschlag aus dem Seitenaus gewählt, und der Ball flog weit in die Hoffenheimer Hälfte hinein. Dann ging alles ganz flott: Ein Balljunge warf den zweiten Ball sofort zu Andrej Kramaric, dieser bediente seinen Teamkollegen Mark Uth per Einwurf, der wiederum gegen die verdutzten Bayern auf- und davonlief und per Außenrist zur 1:0-Führung (27.) gegen Manuel Neuer vollendete. Zu diesem Zeitpunkt des Bundesliga-Topspiels ein Tor aus dem Nichts. Kurios, furios und filmreif eben. Und noch dazu symptomatisch für ein überraschend verlaufendes Duell, in dem die TSG 1899 Hoffenheim zum zweiten Mal binnen fünf Monaten den deutschen Branchenkrösus FC Bayern München düpierte.

"Alle haben schnell geschaltet", sagte hinterher Julian Nagelsmann, "Andrej, Mark und der Balljunge." Der junge Erfolgstrainer verwies auf die "einheitliche Ausbildung" im Klub. Auch die Balljungen seien dazu angehalten, einen Ball schnell zurück ins Spiel zu befördern. Der "Assistgeber" und kleine Held agiert normalerweise in der U 14 der TSG.

Hintergrund

So spielten sie

Baumann: Tadellose Leistung. Stand immer goldrichtig. Super Reflex gegen Martinez.

Kaderabek: Wie immer bienenfleißig. Aber etwas schwächer als Zuber auf der

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So spielten sie

Baumann: Tadellose Leistung. Stand immer goldrichtig. Super Reflex gegen Martinez.

Kaderabek: Wie immer bienenfleißig. Aber etwas schwächer als Zuber auf der Außenbahn.

Bicakcic: Haute sich mächtig rein. Diesmal die besten Zweikampfwerte bei "Hoffe". Mister 83 Prozent.

Nordtveit: Eine Unachtsamkeit am Anfang bei Lewandowskis Lattenstreichler. Ansonsten sehr präsent und stark im Kopfball.

Hübner: Überragend. Sehr kompromisslos gegen die Bayern-Offensive. Sollte "nur" das Meckern manchmal smarter dosieren.

Zuber: Toller Assist zum 2:0. Ansonsten defensiv sehr beschäftigt.

Geiger: Ordentlich. Ging weite Wege und stopfte Löcher. Raus mit Applaus.

Demirbay: Ordnungskraft im Mittelfeld. Steigerte sich im zweiten Durchgang erheblich - bis auf einen Querschläger, der bei Lewandowski landete.

Amiri: Mitbeteiligt am zweiten Treffer, als er Müller den Ball abluchste. Ähnliche Laufwerte (über 12 Kilometer) wie Demirbay.

Kramaric: Ständig unterwegs. Freund eines Balljungen vor dem 1:0.

Uth: Doppelpacker. Antizipierte die Situationen bei den TSG-Toren optimal. Kaltschnäuziger Vollender - top.

Polanski: Kam als zusätzlicher Abräumer rein. Das liegt ihm.

Schulz: Verteidigte aufopferungsvoll und sorgte für punktuelle Entlastung.

Ochs: Durfte wieder mal ran. Fügte sich nahtlos ein. jog

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Hoffenheim präsentierte sich am Samstagabend in der erneut ausverkauften Rhein-Neckar-Arena (30.150 Zuschauer) von seiner Schokoladenseite. Bis auf eine konfuse Anfangsphase wirkte der Kraichgauklub gegen das FCB-Starensemble äußerst fokussiert, belohnte sich mit dem Doppelpack von Uth (27. und 51.) selbst, hatte das Glück des Tüchtigen und erwies sich beim gefeierten 2:0 (1:0) als Meister der Effizienz. Die TSG, grantelte Hummels in der Mixed Zone, hätte drei Chancen gehabt und daraus zwei Tore gemacht.

Einmal mehr wurde der großen Fußballgemeinde in Deutschland vor Augen geführt, wie aussagekräftig Statistiken sind. In fast allen Teilbereichen (Torschüsse, Ballbesitz, Pass- und Zweikampfquote) waren die Ancelotti-Bayern überlegen. Doch ein anderer Wert illustrierte - abgesehen von den beiden Treffern - den entscheidenden Unterschied: Die "Nagelsmänner" liefen soweit sie die Füße trugen, also über neun Kilometer mehr als das seltsam uninspierte rote Ballett! "Die Mentalität war sehr gut bei uns", lobte Nagelsmann seine Schützlinge, "die Mannschaft mit der besseren Qualität hat verloren."

Es schien, als würden Interimskapitän Benjamin Hübner und Co. für ihre verletzten Kollegen Kevin Vogt, Serge Gnabry, Sandro Wagner und Adam Szalai eine Schippe draufpacken. Nach der wunderbaren Kombination von Amiri, Zuber und Uth zum 2:0, mitverschuldet von Kimmich und Müller, igelte sich Hoffenheim geschickt ein, stellte die Räume und Halbräume zu und zwang den überwiegend ideenlosen FCB zur monotonen Flankerei. Daran änderte auch die Hereinnahme von "Robbéry" und James Rodriguez nichts. "Wir haben clever gegen die Pfeile der Bayern verteidigt", so Nagelsmann voller Stolz. Die TSG-Akteure waren bis unter die Haarspitzen motiviert - und sie wollten unbedingt den Beweis erbringen, dass sie es besser können als beim naiven Auftritt im Playoff-Rückspiel an der legendären Liverpooler Anfield Road (2:4).

"Es bedeutet für eine Gruppe viel, gegen einen Weltverein zu gewinnen", konstatierte Nagelsmann im Hinblick auf die unmittelbar bevorstehende Europa-League-Premiere am Donnerstag (19 Uhr/Sky) gegen Sporting Braga. An Selbstvertrauen dürfte es Hoffenheim nach dem Coup gegen die Bayern gewiss nicht fehlen. Pavel Kaderabek meinte in "Schwejk-Manier": "Bayern war besser am Ball, wir haben mehr gearbeitet. Sie sind jetzt unsere Lieblingsmannschaft. Nein, Spaß ..." So viel Schabernack sei erlaubt. Seit Nagelsmann die Geschicke bei den TSG-Profis leitet, haben die Blauen sieben Punkte in drei Bundesliga-Spielen gegen den Abonnementmeister ergattert. Dem Etikett "Bayernschreck" wurde der gebürtige Landsberger einmal mehr am Samstag gerecht, zumal Nagelsmann auch als Jugendtrainer (U 16, U 17 und U 19) noch nie im Vergleich mit dem funkelnden "Stern des Südens" das Nachsehen hatte. Gewinner-Gene sind bekanntlich die beste Referenz im Reich des Patrons Uli Hoeneß ...

Dass nun ein 13-jähriger Adjutant am Spielfeldrand mit den Bayern-Code knackte, schmeckte den Granden aus der Isarmetropole gar nicht. Kramaric indes will sich beim Balljungen bedanken und entschuldigen: "Ich habe ihn zu laut angeschrien." Profiteur Uth stellt ihm "ein Trikot" in Aussicht. Schneller schlauer zu sein, wird bei Hoffenheim belohnt!

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