Von Katharina Schröder
Mannheim. Kreischende Teenies belagern den Platz vor der SAP-Arena. In Kleingruppen tanzen sie im Gleichschritt und hüpfen aufgeregt durcheinander. Manche haben selbst genähte Kostüme an. Sie sind zum "Finger Heart Festival" - einem K-Pop-Festival - nach Mannheim gekommen. Und sie warten darauf, dass es endlich losgeht. Der K-Pop-Hype wird immer größer: Auf der ganzen Welt füllen die Stars der koreanischen Popmusik eine Konzerthalle nach der anderen und begeistern tausende Fans - auch in Deutschland.
Schon Stunden vor dem offiziellen Einlass stehen die Fans vor der SAP-Arena Schlange. Teenies mit bunten Haaren, Kniestrümpfen und Plateauschuhen warten darauf, endlich in die Halle stürmen zu dürfen, um sich die besten Plätze zu sichern. So wie Jana (16) und Anastasia (16). "K-Pop ist so vielfältig", schwärmt Jana.
Es gebe verschiedene Genres, und der Style der Künstler sei einfach toll. "Es ist schön, wenn man etwas gefunden hat, womit man sich identifizieren kann", sagt die 16-Jährige. Ihr Favorit an diesem Abend ist der Headliner: die siebenköpfige Boyband "Monsta X". Außerdem spielen die Girlband "Cosmic Girls", die gemischte Gruppe "Kard" und der Songwriter Jeong Sewoon.
Vor der SAP-Arena hat die Koreanische Zentrale für Tourismus mehrere Stände aufgebaut. Sie hat das Festival mitorganisiert. Es gibt koreanische Häppchen und wer möchte, kann die traditionelle Tracht "Hanbok" anprobieren. Das kommt gut an, viele junge Fans werfen sich in die farbenfrohen Trachten und machen begeistert Selfies.
Auf einer Bühne steht eine Trainerin und zeigt, wie man K-Pop tanzt. Viele Jugendliche ahmen sie Schritt für Schritt nach, an ein Durchkommen ist nicht zu denken. Auf dem Festival sind vor allem weibliche Teenager und junge Frauen unterwegs. "Frauen fangirlen einfach besser", sagt die 16-jährige Sarah Walter und lacht.
"K-Pop ist die Musik der Zapp-Generation"Viele auf dem Platz feiern ihre Stars, umarmen sich oder spielen Fangen. Letzteres liegt vielleicht am niedrigen Altersdurchschnitt. Wer hier über 20 ist, gilt schon als alt. Viele Fans sind noch unter 18 und deshalb mit ihren Eltern da. "Sie spricht nur noch von K-Pop", sagt Magdalena Palka über ihre Tochter Lena. Knapp eine Stunde haben sie für die Fahrt nach Mannheim gebraucht. "Aber das geht noch, für das letzte Konzert mussten wir nach Berlin fahren", erinnert sich Palka.
Und warum gefällt Lena K-Pop so gut? "Es ist einfach anders als deutsche oder englische Musik", sagt die 14-Jährige. "Die Künstler tanzen besser, und bei ihnen ist immer was los auf Social Media. Westliche Künstler machen da nicht so viel." Den Social-Media-Auftritt der Bands hält auch Sung-Hun Kim von der Koreanischen Zentrale für Tourismus für einen Grund des K-Pop-Hypes: "Sie sind sehr präsent und stehen im direkten Austausch mit den Fans."
Professor Udo Dahmen, künstlerischer Leiter und Geschäftsführer der Popakademie Baden-Württemberg, hat noch eine andere Erklärung dafür, warum die Musik bei Jugendlichen so gut ankommt. "K-Pop ist die Musik der Zapp-Generation", sagt er. "Man erlebt in einem Song, was sonst auf verschiedenen Programmen läuft."
"K-Pop ist die Musik der Zapp-Generation"Die Lieder und Videos wiesen eine hohe Erlebnisdichte auf: schnelle Schnitte mit vielen Kostüm- und Backgroundwechseln. Dass das gut ankommt, kann Sarah Walter bestätigen: "Die Bands geben sich viel mehr Mühe mit ihren Videos, sie haben zum Beispiel immer mindestens drei Outfits an." Ähnlich verhalte es sich mit Tanzstilen und musikalischen Anspielungen. "Da werden Dubstep, Soul, R & B und andere so verdichtet, dass alles in einen einzigen Song passt", sagt Dahmen.
Außerdem gibt es im K-Pop Bezüge zu Comics, Games und Cosplay. Beim Cosplay verkleiden sich Fans als Figuren aus Mangas oder Videospielen. Die Bewegung stammt aus Japan. "Im K-Pop werden die Band-Mitglieder sozusagen als Mensch gewordene Comic-Figuren dargestellt", sagt Dahmen. Das lade die Fans dazu ein, sich wie ihre Vorbilder anzuziehen. Ein Blick über das Festivalgelände gibt Dahmen recht: Viele Jugendliche sehen aus wie ihre Idole. K-Pop ist eben für den Mainstream gemacht. "Es ist ein musikindustrielles Produkt", betont Udo Dahmen.
Für Sung-Hun Kim ist der koreanische Pop auch eng mit dem Tourismus verbunden. Er sieht einen deutlichen Anstieg der Reisenden nach Südkorea. "Die Musik schafft die Grundlage dafür, dass sich die Menschen mit der Kultur auseinandersetzen wollen", sagt Kim. Die Fans auf dem Festival bestätigen das. "Ich mache einen Koreanisch-Sprachkurs an der Uni", erzählt Jana (19). Sie hört schon seit ein paar Jahren K-Pop. Michelle-Samantha (23), Levana (22) und Meike (20) sind sogar noch weiter gegangen: Die drei studieren Koreanistik an der Uni in Tübingen.
"Die Musik bringt einen zur Kultur, und irgendwann studiert man dann Koreanistik", erzählt Meike. Da die meisten Fans minderjährig sind, dürfen sie nicht allein nach Korea reisen. "Unsere Töchter sind so begeistert von K-Pop, dass wir sogar in Südkorea im Urlaub waren", erzählen Petra (53) und Roland Häusler (62). Sie begleiten ihre beiden 13- und 16-jährigen Töchter auf das Festival.
Aber wie viel koreanische Kultur steckt eigentlich im K-Pop? "Es wird zu 90 Prozent auf Koreanisch gesungen, und es gibt einige traditionelle Einflüsse. Zusammen singen, tanzen und feiern - das ist typisch koreanisch", meint Kim. Die Verbindung von K-Pop und Tourismus wird auch während des Konzerts immer wieder betont: Die Künstler geben Reisetipps und preisen koreanische Gerichte an. In den Pausen und vor dem ersten Act flimmern Reise-Werbespots über die Bildschirme. Das Publikum jubelt schon jetzt.
Als dann der Songwriter Jeong Sewoon die Bühne betritt, gibt es kein Halten mehr. Die Zuschauer werden von Band zu Band lauter. Das Heavy-Metal-Festival Wacken ist nichts im Vergleich zu den kreischenden K-Pop-Fans, die ihre Idole anhimmeln.
Bilder vom "Finger Heart Festival" in MannheimAls es dunkel wird, verwandelt sich die SAP-Arena in ein Lichtermeer. Fans packen ihre "Lightsticks" aus und schwenken sie zur Musik. Die Leuchtstäbe gehören zur K-Pop-Kultur. Viele Bands haben ihren eigenen offiziellen Lightstick. Beim Finger-Heart-Festival ist vor allem der von "Monsta X" zu sehen. Und den lassen sich die Fans einiges kosten: Im Internet ist er für knapp 70 Euro zu haben. Ganz schön teuer für so ein kleines Stück Plastik.
Spätestens als Jeong Sewoon zur Akustikgitarre greift, erinnert seine Musik ein wenig an Ed Sheeran. Die Mixed-Group "Kard" klingt dagegen etwas HipHop-lastiger. Die anspruchsvollen Choreografien der vier Mitglieder sind perfekt aufeinander abgestimmt und synchron - so wie es sich für K-Pop-Stars gehört. "Die Schattenseite des K-Pop ist die Industrie dahinter", findet Popakademie-Chef Dahmen. "Die Talente werden im Kindesalter gecastet und dann auf den Beruf als K-Pop-Artist vorbereitet."
Die 13-köpfige Mädchenband "Cosmic Girls" schlägt ruhigere Töne an. Solange die Texte koreanisch sind, beschränkt sich das Publikum aufs Zuhören und Jubeln, bei den englischen Strophen singt es kräftig mit. Die Bands selbst sprechen Koreanisch und werden gedolmetscht. Das Highlight des Abends sind "Monsta X" mit einem Sound aus Hip Hop- und R & B-Elementen. In weiten Hemden und engen Hosen performen die Stars auf der Bühne, und die SAP-Arena schreit sich heiser.
Gegen 21.30 Uhr endet das Festival mit Konfetti und Pyrotechnik auf der Bühne. Auch das dürfte perfekt abgestimmt sein. Schließlich müssen viele der jungen Fans schon um 22 Uhr wieder Zuhause sein.