Mitarbeiter von Karstadt demonstrieren gegen die Schließung von Filialen. Foto: dpa
Von Erich Reimann und Barbara Klauß
Essen/Mannheim. Für den Chef von Galeria Karstadt Kaufhof (GKK), Miguel Müllenbach, war es fast schon ein historischer Moment: Das Amtsgericht Essen hob am Donnerstag das Insolvenzverfahren des letzten großen deutschen Warenhauskonzerns auf und machte damit den Weg frei für einen Neustart des Handelsriesen. "Diesen Tag und diesen Erfolg haben wir alle herbeigesehnt", schrieb Müllenbach in einem Mitarbeiterbrief. Galeria Karstadt Kaufhof melde sich zurück auf dem Spielfeld und werde in den kommenden Wochen und Monaten die Tabelle der erfolgreichen Einzelhändler auf den Kopf stellen.
Es sind selbstbewusste Worte. Dabei hatte der Warenhausriese erst Anfang April im Zuge der Corona-Krise Rettung in einem Schutzschirmverfahren suchen müssen. Zeitweise summierten sich die Verluste des ohnehin angeschlagenen Konzern aufgrund der staatlich angeordneten Ladenschließungen auf rund 80 Millionen Euro wöchentlich.
Im Insolvenzverfahren hat Galeria Karstadt Kaufhof nun Schulden in Höhe von mehr als zwei Milliarden Euro abgeschüttelt. Doch die harte Sanierung traf nicht nur die Gläubiger, sondern auch die Mitarbeiter. Rund 4000 Mitarbeiter verlieren ihren Job bei der Warenhauskette. Denn die Sanierungspläne sehen die Schließung von mehr als 40 Filialen vor – darunter eine der beiden Kaufhof-Filialen in Mannheim, in N7. Dem Unternehmen zufolge soll dort Ende Oktober Schluss sein. Dagegen protestieren die rund 75 Beschäftigten an diesem Freitag erneut – mit einer Menschenkette an der Filiale, wie die Gewerkschaft Verdi Rhein-Neckar am Mittwoch mitgeteilt hat. In Baden-Württemberg sollen Verdi zufolge zudem Häuser in Bad Cannstatt und Göppingen sowie ein Karstadt Sports in Stuttgart geschlossen werden. Insgesamt sind demnach rund 200 Mitarbeiter betroffen.
Positiv ist allerdings: Fast 130 Kaufhäuser bleiben erhalten. Die Zahl ist deutlich höher als es der ursprüngliche Sanierungsplan vorsah. Denn viele Vermieter und Kommunen hatten dem Konzern zuletzt beträchtliche Zugeständnisse gemacht, um die Schließung der für die Attraktivität vieler Einkaufsstraßen wichtigen Warenhäuser zu verhindern. Auch von den Karstadt-Sporthäusern bleiben mehr erhalten als anfangs erwartet.
Müllenberg zeigte sich am Mittwoch optimistisch, was die Zukunft des Handelsriesen angeht. "Die Krise hat uns stärker gemacht, denn wir haben anders als andere Unternehmen keine Schulden", schrieb er den Mitarbeitern.
Galeria Karstadt Kaufhof will sich künftig bei seinem Angebot mehr an den lokalen und regionalen Gegebenheiten der Standorte ausrichten und außerdem viel digitaler werden. "Wir werden unseren Onlinehandel massiv ausbauen", sagte der Manager kürzlich in einem Interview. In diesem Bereich sei GKK bislang viel zu langsam und altbacken gewesen.
Nicht alle sind so zuversichtlich wie der GKK-Chef. Der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein beurteilt die Zukunftsperspektiven des Handelsriesen deutlich skeptischer. "Durch den Schuldenschnitt hat das Unternehmen jetzt einen kurzfristigen Wettbewerbsvorteil, eine Art Anschubhilfe. Aber das Grundproblem bleibt: Die Warenhäuser haben sich überlebt", sagte er. Vielleicht 30 bis 50 Warenhäuser in den Metropolen seien auf Dauer lebensfähig. Der Rest habe keine Zukunft. "Dinosaurier können vielleicht noch im Jurassic-Park überleben, aber nicht im hart umkämpften Einzelhandel."