Ein leeres Zimmer in der Jugendherberge in Köln-Deutz. Erst Corona-Zwangspause, jetzt fehlende Klassenfahrten. Das Deutsche Jugendherbergswerk kämpft mit herben Einbußen und fehlenden Buchungen in der Corona-Zeit. Foto: dpa
Von Barbara Klauß und Wilhelm Pischke
Berlin/Heidelberg. "Die Lage ist sehr bescheiden", sagt Martina Rihm, Leiterin der Jugendherberge Heidelberg International im Neuenheimer Feld, "die Buchungszahlen sind im Vergleich zurzeit vor Corona unterirdisch." Die Pandemie stellt nicht nur Hotels und Pensionen vor erhebliche Probleme, sondern auch die Jugendherbergen. Für das Jahr 2020 geht das Deutsche Jugendherbergswerk (DJH) davon aus, dass Umsatz und Übernachtungen um 80 bis 90 Prozent zurückgehen, wie ein Sprecher des Verbandes erklärt.
Bei der Herberge in Heidelberg rechnet Leiterin Rihm damit, dass am Ende des Jahres bis zu 60.000 der sonst rund 80.000 Übernachtungen fehlen werden. Von Mitte März bis Anfang Juni war der Betrieb geschlossen. Und auch seit der Wiedereröffnung kommen viel weniger Gäste als in der Zeit vor Corona. Ausgelegt ist das Haus auf knapp 450 Besucher, im Moment sind im Tagesdurchschnitt 50 bis 100 da. "Aber wir sind ja schon froh, dass wir öffnen dürfen", fügt Rihm hinzu.
Andernorts sieht das anders aus: 16 der 47 DJH-Jugendherbergen in Baden-Württemberg sind derzeit geschlossen, wie eine Sprecherin des DJH-Landesverbandes mitteilt: darunter die in Weinheim, in Mosbach-Neckarelz und auf dem Dilsberg, die alle bis Ende Februar zu bleiben sollen. "In Dilsberg ist es besonders schade", so die Sprecherin – schließlich wurde das Haus Ende vergangenen Jahres nach der Modernisierung gerade erst wieder eröffnet. Doch hätte man die Hygienemaßnahmen in den zum Teil sehr engen Gängen ihrer Meinung nach nicht umsetzen können. Geschlossen seien vor allem Häuser in ländlicheren Gebieten, in denen es noch viele Mehrbettzimmer gebe, fügt sie hinzu. Sowie in Regionen, in denen der Tourismus nicht so stark sei wie im Schwarzwald oder am Bodensee.
Was den Jugendherbergen, die geöffnet haben, besonders zu schaffen macht, ist der Wegfall von Klassenfahrten und Gruppenreisen – dem klassischen Kerngeschäft. Viele der etwa 450 Betriebe, die im DJH organisiert sind, würden ihren Betrieb nach dem Sommergeschäft deshalb wieder einstellen, so der Sprecher. Zudem hätten einige bereits angekündigt, aufgrund der fehlenden Gäste dauerhaft dichtzumachen. Davon ist in Baden-Württemberg allerdings noch nicht die Rede. "Wir wollen auf jeden Fall versuchen, alle unsere Häuser wieder zu öffnen", erklärt die Sprecherin des Landesverbands. Ob das künftig bei allen das ganze Jahr über gelänge, werde sich in den nächsten Monaten zeigen. Die Jugendherberge in Walldürn im Odenwald, die derzeit noch geöffnet ist, wird in diesem Winter jedenfalls von Dezember bis Februar schließen.
"Es geht um nicht weniger als die Zukunft der deutschen Jugendherbergen", hatte Julian Schmitz, der Hauptgeschäftsführer des DJH, kürzlich gesagt. Wie stark die Branche von Schließungen bedroht sei, könne man erst zum Jahresende abschätzen, erklärt nun der DJH-Sprecher. Man müsse sehen, wie sich die Auslastungen entwickelten und wie staatliche Hilfen wirkten. Immerhin habe die Politik die gemeinnützigen Unternehmen, zu denen das Deutsche Jugendherbergswerk zählt, mittlerweile auf dem Schirm und Hilfsprogramme aufgesetzt.
Im Juni jedenfalls erlebten die meisten Herbergen trotz beginnenden Sommergeschäfts kaum Erholung. So verbuchten die Unterkünfte bundesweit etwa 83 Prozent weniger Gäste im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Nur rund 164.000 Gästeankünfte wurden gemeldet. Im Juni 2019 waren es 955.500. Verglichen mit Hotels und sonstigen Beherbergungs-Unternehmen mussten die Jugendherbergen und Hütten im Juni mit etwa 66 Prozent deutlich höhere Umsatzverluste hinnehmen.
Die Aussicht auf den Herbst, normalerweise die Hochzeit der Klassenfahrten, bereitet den Betreibern Sorge. Auch in Heidelberg gibt es bislang für den Rest des Jahres nur wenige Buchungen, wie Leiterin Rihm sagt. Noch sind alle Mitarbeiter in Kurzarbeit, und das wird wohl auch bis Ende März so bleiben. "Wenn wir die Kurzarbeit nicht hätten, wäre es dramatisch", sagt sie. Dennoch guckt sie optimistisch in die Zukunft. Sie hofft auf einen Impfstoff und darauf, dass es dann weniger Einschränkungen gibt. "Ansonsten müssten wir unser Konzept komplett umstellen", sagt Rihm. "Aber so weit sind wir noch nicht."