Aufgrund der Corona-Krise ist in den Filialen von Kaufhof und Karstadt (hier in Berlin) derzeit wenig los. Foto: dpa
Essen. (dpa/kla) Der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof will 62 seiner 172 Filialen schließen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Verhandlungskreisen. Eine entsprechende Vereinbarung mit Betriebsrat und Gewerkschaften sollte noch am Donnerstagabend unterschrieben werden. Welche Standorte betroffen sein werden, will die Geschäftsführung einem Bericht von RTL/ntv zufolge erst am Freitag direkt an den entsprechenden Standorten verkünden.
Die Zahl der Filialschließungen fällt damit etwas geringer aus als zunächst befürchtet. Ursprünglich hatte die Geschäftsführung signalisiert, dass im Zuge der Sanierung des ums Überleben kämpfenden Unternehmens bis zu 80 der 172 Filialen geschlossen werden könnten. Der letzte große deutsche Warenhauskonzern war durch die pandemiebedingte Schließung aller Filialen in eine schwere Krise geraten und hatte Anfang April Rettung in einem Schutzschirmverfahren suchen müssen. "Wir gehen von einer Milliarde Umsatzverlust in diesem Jahr aus und rechnen auch nicht damit, dass die Kunden im kommenden Jahr wieder so einkaufen werden wie vor Corona. Das heißt, bis Ende 2022 könnten die Umsatzeinbußen sogar auf insgesamt rund 1,4 Milliarden Euro steigen", sagte der Generalbevollmächtigte Arndt Geiwitz im Mai.
Die Filialschließungen dürften in den betroffenen Kommunen für erhebliche Unruhe sorgen. Norbert Portz vom Deutschen Städte- und Gemeindebund warnte schon im Mai vor der Gefahr einer Verödung vieler Innenstädte. "Galeria Kaufhof Karstadt ist nicht irgendwer. Die Warenhäuser sind für viele Innenstädte systemrelevant", sagte er. Die Gewerkschaft Verdi warnte damals, eine Schließungswelle bei Galeria Karstadt Kaufhof werde Auswirkungen weit über das Unternehmen hinaus haben. Mittelfristig seien dadurch auch Zehntausende Arbeitsplätze bei anderen Einzelhändlern und die Attraktivität ganzer Innenstädte bedroht.
Update: Donnerstag, 18. Juni 2020, 20.34 Uhr
Von Erich Reimann
Essen. Bei der angeschlagenen Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof droht der Kahlschlag: Bis zu 80 der derzeit noch gut 170 Filialen des Konzerns könnten bei der anstehenden Sanierung geschlossen werden. Das sieht der erste Entwurf eines Sanierungskonzeptes für den kränkelnden Handelsriesen vor, der am Freitag dem Gesamtbetriebsrat und Gläubigervertretern vorgelegt wurde, wie die Deutsche Presse-Agentur aus dem Unternehmensumfeld erfuhr.
Allerdings gibt es noch einen Hoffnungsschimmer: Die Zahl der bedrohten Filialen könne sich noch reduzieren, wenn die Vermieter und andere Beteiligte zu Zugeständnissen bereit seien, hieß es in informierten Kreisen. Welche Häuser genau von der Schließung bedroht sind, dazu gab es zunächst keine Angaben.
Galerie Karstadt Kaufhof hat in Heidelberg und Mannheim jeweils zwei Filialen, wo zusammen gut 300 Mitarbeiter beschäftigt sind. Auch in Viernheim (Rhein-Neckar-Zentrum) und Heilbronn gibt es Filialen. Inwieweit diese von den Plänen betroffen sein könnten, blieb am Freitag offen.
Nach Informationen der "Wirtschaftwoche" rechnen Insider mit dem Abbau von insgesamt rund 5000 Vollzeitstellen bei dem Unternehmen. Aktuell beschäftigt Galeria Karstadt Kaufhof noch rund 28.000 Mitarbeiter. Ein Sprecher des Warenhauskonzerns betonte, das Unternehmen wolle Spekulationen nicht kommentieren.
Bei der Gewerkschaft Verdi sorgten die Pläne der Warenhaus-Sanierer für Empörung. Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger warf dem Konzern vor, einen "Kahlschlag auf Kosten der Beschäftigten" zu planen. "Das ist brutal! Es hat den Anschein, dass die Unternehmensleitung und der Eigentümer die Corona-Krise missbrauchen, um ihre ursprünglichen Planungen von Standortschließungen und Entlassungen doch noch umzusetzen", sagte die Gewerkschafterin.
Noch kurz vor Weihnachten hatte die Gewerkschaft mit dem Konzern einen Sanierungstarifvertrag abgeschlossen, der unter anderem eine Standort- und Beschäftigungssicherung enthielt. Seitdem Galeria Karstadt Kaufhof unter dem Eindruck der Corona-Krise Anfang April seine Rettung in einem Schutzschirmverfahren suchte, ist der Vertrag jedoch Makulatur.
Bereits zu Wochenbeginn hatte der Warenhausriese die Beschäftigten auf harte Einschnitte vorbereitet. In einem Brief an die Mitarbeiter berichtete die Unternehmensführung am Montag, der gerichtlich bestellte Sachwalter Frank Kebekus und der Generalbevollmächtigte Arndt Geiwitz hätten klargemacht, dass es angesichts der Corona-Krise "leider auch zu Standortschließungen und dementsprechend auch zu einem Arbeitsplatzabbau kommen muss". Genaue Zahlen nannte das Unternehmen damals aber nicht.
Galeria Karstadt Kaufhof kämpfte schon vor der Corona-Krise mit roten Zahlen. Umso härter trafen die Warenhauskette die Auswirkungen der Pandemie. Der Konzern habe während der Zeit der Komplettschließungen mehr als eine halbe Milliarde Euro an Umsatz verloren, berichtete die Konzernführung in ihrem Mitarbeiterbrief. Aufgrund der anhaltenden Kaufzurückhaltung werde sich der Umsatzverlust wahrscheinlich sogar noch auf bis zu eine Milliarde Euro erhöhen.
Norbert Portz vom Deutschen Städte- und Gemeindebund warnte angesichts der Schließungspläne vor der Gefahr einer Verödung vieler Innenstädte. "Galeria Kaufhof Karstadt ist nicht irgendwer. Die Warenhäuser sind für viele Innenstädte systemrelevant", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Gerade für viele strukturschwächere Innenstädte wäre ein Verlust der Warenhäuser nach seiner Einschätzung kaum auszugleichen. Portz appellierte an den Warenhauskonzern, die Kommunen und die Vermieter, gemeinsame Lösungen zu suchen, um ein Überleben der Kaufhäuser zu sichern.
Die Gewerkschaft Verdi warnte, eine solch dramatische Schließungswelle werde Auswirkungen weit über das Unternehmen hinaus haben. Mittelfristig seien dadurch auch Zehntausende von Arbeitsplätzen bei anderen Einzelhändlern und die Attraktivität ganzer Innenstädte bedroht. "Denn die Warenhäuser in den Städten sind Ankerstandorte. Sie sind der Schlüssel für Frequenz und für die Ansiedlung von weiteren Einzelhandelsbetrieben", sagte Nutzenberger. Sie kündigte harten Widerstand gegen die Schließungspläne an und verlangte dabei auch die Unterstützung aus der Politik: "Hier sind alle gefordert, von den Bürgermeistern bis hin zur Bundespolitik."