Fruchtgummi- und Lakritztaler in Form von Euromünzen, hergestellt von Katjes. Sie bestehen vor allem aus Zucker und den hat das Unternehmen nach eigener Auffassung wegen eines Zuckerkartelles zu teuer gekauft und verlangt jetzt Schadenersatz. Foto: dpa
Von Harald Berlinghof
Mannheim. Wer in seinen Produkten 66 Prozent (Yoghurt Gums) oder gar 75 Prozent (Jogging-Lakritz-Gums) reinen Zucker verarbeitet, der ist natürlich in seiner Preisgestaltung abhängig vom Zuckerpreis. Und wenn dann der Zuckerpreis, so wie von Katjes behauptet, durch Absprachen unter den drei Zuckerherstellern Südzucker, Nordzucker und Diamant-Zucker (Pfeifer & Langen), die sich den deutschen Markt weitgehend untereinander aufteilen, künstlich hoch gehalten wird, dann ist der Katzenjammer groß.
Das Kartellamt hatte vor zwei Jahren 280 Millionen Euro Bußgelder gegen die drei Zuckerhersteller verhängt, wovon Südzucker mit 195,5 Millionen Euro die höchste Einzelsumme zu zahlen hatte. Man habe zur Preisabsprache vor allem auch eine Gebietsaufteilung verabredet, weil Zucker ein transportintensives Gut mit hohem Transportkostenanteil sei. Nach der Kartellstrafe kommen in nächster Zeit zahlreiche zivilrechtliche Schadensersatzklagen auf die Zuckerhersteller zu.
Gestern begann in Mannheim beim Landgericht der Schadenersatzprozess von Katjes gegen die drei Zuckerhersteller. Katjes fordert gut 16 Millionen Euro Schadensersatz plus Zinsen in Höhe von 20 Millionen Euro. Laut dpa stehen mindestens 21 weitere Fälle zur Verhandlung an, als Kläger finden sich darunter illustre Namen wie Vivil oder Nestlé.
Doch wer Schadensersatz will, der muss einen Schaden nachweisen. Um diese Fragestellung drehte sich gestern in Mannheim der Auftakttermin eines vermutlich lange dauernden Prozesses. Einen Vergleich lehnten die drei beklagten Unternehmen ab, während Katjes im bisherigen Verhalten der drei Zuckerhersteller keine Basis für einen Vergleich sah, sich aber grundsätzlich nicht dagegen aussprach.
Kann überhaupt ein Schaden entstehen durch Preisabsprachen zwischen drei Unternehmen, die auf einem durch die EU-Zuckermarktordnung hoch regulierten Markt agieren? Dies bestritten die drei beklagten Unternehmen. Katjes glaubt, dass die Gebietsaufteilung alleine bereits Auswirkungen auf den Zuckerpreis hatte. "Mit Wettbewerb gibt es einen niedrigeren Preis als ohne Wettbewerb", so die Grundeinschätzung der Rechtsvertreter des Süßwarenherstellers.
Eine solche "Anscheinsvermutung" alleine wollen die Beklagten nicht gelten lassen, sondern erwarten konkrete Angaben über einen Schaden, der Katjes entstanden sei. "Wir haben im deutschen Zuckermarkt einen Restwettbewerb. Und ist eine Beschränkung dieses Restwettbewerbs noch schadensrelevant?", fragte man von Nordzucker. "Auch ein Oligopol ist noch kein wettbewerbsfreier Raum", entgegnete der Katjes-Vertreter den Zuckergiganten. Und Richter Andreas Voß fragte: "Greift die Vermutung, dass man ein Kartell nicht nutzlos macht?".
Gutachten der Prozessbeteiligten waren zu unterschiedlichen Aussagen gekommen, so dass der Vorsitzende Richter die Hinzuziehung eines Gerichtssachverständigen in den kommenden Sitzungen ankündigte. "Woher sollen wir hier oben am Richtertisch wissen, was der Transport von Zucker kostet?", fragte er.
Ein paar direkte Treffen von Unternehmensvertretern zwischen 1996 und 2009, die niemals zu dritt stattfanden, sondern stets bilateral, seien kein typisches Kartellverhalten, brachte ein Südzuckervertreter vor. "Die Kläger müssen nachweisen, dass es aus dieser Kartellwolke geregnet hat - und auch dass man nass geworden ist", ergänzte er. Der nächste Sitzungstag ist auf den 22. April terminiert.