Wirbel beim Sommer-Grand-Prix

Vor Urteil im WM-Skisprungskandal: Lindvik siegt und bangt

Die Ethikkommission des Ski-Weltverbandes verkündet am Montag das Urteil im WM-Anzugskandal der norwegischen Skispringer. Einer der Sünder feiert zuvor einen Comeback-Sieg und hofft nun auf Milde.

10.08.2025 UPDATE: 10.08.2025 11:46 Uhr 2 Minuten, 21 Sekunden
Marius Lindvik
Weltmeister Marius Lindvik hofft auf ein mildes Urteil im WM-Anzugskandal.

Courchevel (dpa) - Weltmeister Marius Lindvik ließ seinen Gefühlen nach dem siegreichen Comeback beim Sommer-Grand-Prix der Skispringer in Courchevel freien Lauf. "Ich glaube nicht, dass sich alle so riesig über meinen Sieg gefreut haben. Deshalb war es so verdammt großartig", sagte der Norweger der Zeitung "Dagbladet".

Völlig unbeschwert freuen konnte sich Lindvik über die erfolgreiche Rückkehr auf die Schanze knapp fünf Monate nach seiner Suspendierung im Zuge des WM-Manipulationsskandals jedoch nicht. Denn an diesem Montag wird die vom Ski-Weltverband (Fis) eingesetzte Ethikkommission das Urteil verkünden. 

Urteil könnte Wellinger nachträglich WM-Gold bringen

Lindvik hofft dann auf Milde, schließlich könnte er im Falle einer harten Bestrafung sogar sein WM-Gold auf der Normalschanze verlieren. Das bekäme dann Deutschlands Topspringer Andreas Wellinger, der bei den Titelkämpfen im März in Trondheim Zweiter geworden war. "Ich hoffe, dass es nicht weitergeht. Ich finde, wir sind schon genug bestraft worden", hatte Lindvik unlängst dem Sender TV2 gesagt.

Videos hatten damals enthüllt, wie das norwegische Team im Beisein des damaligen Cheftrainers Magnus Brevig die Wettkampfanzüge illegal bearbeitete. Der WM-Gastgeber stattete die Anzüge mit einem laut Reglement verbotenen Band aus, das für mehr Stabilität nach dem Absprung sorgen soll, darunter auch die Anzüge von Lindvik.

Chaotischer Grand-Prix-Auftakt

Während Wellinger auf einen Start beim Auftakt der Sommer-Grand-Prix-Serie verzichtete, meldete sich Lindvik in den französischen Alpen eindrucksvoll zurück. Bei seinem Sieg verwies er Philipp Raimund auf Rang zwei. "Es war wirklich schwer, wieder anzufangen. Die Motivation war gering. Aber ich wusste, was es braucht, um an die Weltspitze zu kommen. Das Ganze hat mir Energie geraubt. Deshalb ist es besonders schön, es ihnen zeigen zu können", sagte Lindvik.

Beim Saison-Auftakt kamen erstmals die verschärften Regeln der Fis bei der Materialkontrolle zur Anwendung, was zu zahlreichen Disqualifikationen führte. Eine davon betraf den jungen Deutschen Luca Roth, der am Samstag vor dem zweiten Durchgang wegen eines zu weiten Schritts in seinem Anzug aus dem Rennen genommen wurde. 

Betroffen waren auch zwei Norweger. Benjamin Østvold erhielt wegen eines zu großen Anzugs erst gar keine Starterlaubnis, Kristoffer Eriksen Sundal wurde aus dem gleichen Grund nach der Qualifikation vom anschließenden Wettkampf ausgeschlossen.

Anzugmanipulation bei den Weltmeistern

Sundal gehörte wie Lindvik und Johann Andre Forfang, der in Courchevel 13. wurde, zu den insgesamt fünf norwegischen Springern, die bei der WM suspendiert worden waren, nachdem die Manipulation an den norwegischen Anzügen aufgeflogen war.

Lindvik und Forfang bestritten, von den Praktiken gewusst zu haben. In Courchevel kehrten sie nun zurück. "Die Dinge sind jetzt viel strenger. Sie sind wirklich hart, bis auf den Millimeter", berichtete Lindvik nach dem Wettkampf von den verschärften Kontrollen.

Neue Regelungen

Der Weltverband Fis hat als Reaktion auf den Betrug mehrere Regeländerungen eingeführt. Ein Athlet, der wegen eines Ausrüstungsverstoßes disqualifiziert wird, erhält nun eine Gelbe Karte. Ein weiterer Verstoß führt zu einer Roten Karte und einer Sperre für den folgenden Wettbewerb. Außerdem setzt die Fis auf modernisierte Messungen bei der Kontrolle und neue Vorgaben bei den Anzügen. Sie sollen weniger Raum für Manipulationen bieten. 

Am Montag wird sich nun entscheiden, welche Folgen der WM-Skandal für die Norweger haben wird. Fünf Monate lang hat die unabhängige Ethikkommission unter dem Vorsitz des britischen Anwalts Michael Beloff ermittelt. Es wurden 38 Zeugen angehört und 88 Beweisstücke gesichtet.

Andreas Wellinger erhofft sich ein klares Signal durch das Urteil. "Es wird vom Team Norwegen auf alle geschlossen", sagte der 29-Jährige unlängst bei einer Pressekonferenz. "Jetzt hinterfragen viele: Geht es um die Leistung oder das beste Material? Am Ende können wir nur vor vollen Stadien springen, wenn die Leute Lust haben, uns beim Sport zuzuschauen – und sich nicht hinterher anhören müssen, wer jetzt am besten beschissen hat."

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