Champios League

1899 Hoffenheims besondere Premiere

Viel Lob aus Donezk nach dem Spiel von Mittwoch - Julian Nagelsmann im Stil von Southgate

20.09.2018 UPDATE: 21.09.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 25 Sekunden

In schickem Outfit coachte Trainer Julian Nagelsmann seine Mannschaft. Fotos Imago

Von Tobias Schächter

Charkiw. Nach dem Abpfiff schwappte erneut die Welle der Begeisterung durch die Arena von Charkiw. Rund 28.000 Ukrainer feierten das 2:2 von Schachtar Donezk gegen die TSG Hoffenheim wie einen Triumph gegen einen großen europäischen Klub. Auch Paulo Fonseca war nach zweimaligem Rückstand froh über das Pünktlein für den ukrainischen Serienmeister gegen den Champions-League-Neuling vom Dorf. "Hoffenheim war die beste Mannschaft, gegen die wir in diesem Jahr gespielt haben", lobte der Trainer aus Portugal den Gegner.

Schachtar, seit vielen Jahren Stammgast in der Champions League, leidet am Weggang drei seiner besten Spieler. Aber nicht nur. Seit dem Krieg im Donbass und der Zerstörung der eigenen Arena 2014 spielt Schachtar im Exil, seit anderthalb Jahren in Charkiw, tief im Osten der Ukraine. Mit 1,4 Millionen Einwohnern ist Charkiw nach Kiew die zweitgrößte Stadt des Landes. Zu den Liga-Heimspielen von Schachtar im Exil kommen nur rund 2 000 Zuschauer, überwiegend Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet. Die Einwohner Charkiws strömen nur zu den europäischen Spielen in die Metalist Arena. Es ist eine bizarre Situation: Trainer Fonseca erzählte, er sei nie in Donezk gewesen, die Mannschaft mit vielen Brasilianern trainiert und lebt in Kiew. Den Besuch aus Deutschland nutzen die Menschen dann am Mittwoch auch zu einer Feier ihrer selbst, schon Mitte der zweiten Halbzeit, Schachtar lag 1:2 zurück, schaffte die Welle einige Runden durchs Stadion. Zuvor waren die Anfeuerungen der 150 mitgereisten Hoffenheimer Fans mitunter deutlicher zu hören als die der Anhänger der Gastgeber.

Es war also aus vielen Gründen eine besondere Premiere für die TSG an diesem Mittwoch in der Gruppenphase der Champions League. Das Lob des Gegners schmeichelte, und einer Interpretation, nach der gegen lange biedere Gastgeber eher einen Sieg verspielt als einen Punkt gewonnen wurde, teilte kein Hoffenheimer.

Auch nicht Trainer Julian Nagelsmann. Seit Mittwoch steht der 31 Jahre junge Mann in den Geschichtsbüchern der Champions League - als jüngster Trainer, der je eine Mannschaft in diesem Wettbewerb gecoacht hat. Zur Feier des "historischen Moments" war er in ähnlicher Aufmachung wie Englands Nationaltrainer Gareth Southgate bei der WM gekleidet: Neben sportlichen Schuhen und blauen Anzugshosen trug er ein weißes Hemd und eine schwarze Krawatte unter einer ärmellosen schwarzen Weste. Nach dem 1:1 der Ukrainer durch Ismaily (27.) - der überragende Florian Grillitsch hatte die TSG in Führung gebracht (6.) - krempelte Nagelsmann die Hemdsärmel hoch und signalisierte so seiner Elf, wach zu bleiben. Doch den möglichen Punch nach der erneuten Führung durch Havard Nordtveit (38.) setzten seine Spieler nicht.

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Stattdessen schien ihnen in einer chaotischen Schlussphase nach dem Ausgleich des eingewechselten Maycon (81.) das lange dominierte Spiel vollends zu entgleiten.

"Am Ende hat uns ein bisschen die Luft gefehlt", bemerkte Nagelsmann, "aber wir können erhobenen Hauptes nach Hause fahren als Champions-League-Neuling. Bei einer Mannschaft mit dem Anspruch Viertelfinale lange geführt zu haben und verdient auch ein drittes oder viertes Tor hätten machen zu können, ist nicht so schlecht."

Die Milde in der Bewertung ist nachzuvollziehen, auch gegen Donezk fehlten viele potenzielle Stammspieler und nach der unnötigen Pleite zuletzt in der Liga in Düsseldorf startete die TSG mit einem unsicheren Gefühl in Europa. Doch gegen Donezk spielte die Elf 75 Minuten stark. TSG-Manager Alexander Rosen stellte stolz fest: "Man hat nicht gemerkt, dass wir zum ersten Mal in der Champions-League dabei waren - ja, wir gehören dazu."

Das ist eine wichtige Erkenntnis für Klub und Spieler. Die TSG will international unbedingt besser abschneiden als in der vergangenen Runde, als in der Europa League schon nach der Vorrunde Schluss war. Doch der Belastungsstress beginnt gerade, in der Bundesliga geht es am Samstag (15.30 Uhr) gleich mit dem Heimspiel gegen Borussia Dortmund weiter - dem zweiten von sieben Spielen in 22 Tagen.

Wer weiß, vielleicht werden sich die Hoffenheimer doch noch über den verpassten Sieg zum Auftakt ihres bislang größten Abenteuers ärgern. Die nächsten Gegner in der Champions League, Manchester City und Olympique Lyon, sind sicher stärker einzustufen als Schachtar Donezk.

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