Von Daniel Hund
Kaiserslautern. Mitgenommen sah er aus, der Abwehrmann des SV Waldhof Mannheim. Mit einem blauen Turban auf dem Kopf schlenderte Marcel Seegert, 25, gestern durch die Mixed Zone im altehrwürdigen Fritz-Walter-Stadion. Den Dieter-Hoeneß-Gedächtnislook bekam der Blondschopf Mitte der zweiten Halbzeit verpasst. Ein Zusammenstoß hatte ihn kurzzeitig zu Boden gestreckt. Doch Seegert kämpfte sich zurück, stand seinen Mann und krallte sich mit dem SV Waldhof einen Punkt beim 1:1 (1:1)-Unentschieden in Kaiserslautern.
So richtig freuen konnte er sich über das Remis aber nicht: "Eigentlich", pustete er tief durch, "eigentlich müssen wir hier in der Schlussphase den Lucky Punch setzen. Dann wären wir die Helden aller Waldhöfer gewesen. Schade!"
Es knisterte am Betzenberg. Schon zwei Stunden vor dem Anpfiff war zu spüren, dass dort mal wieder ein besonderes Spiel anstand. Die Vorfreude war greifbar und hörbar: "Ist doch geil, das sind die Spiele, wegen denen ich Fußball-Fan geworden bin", schnaufte ein bereits leicht ergrauter Lautern-Fan auf dem steilen Weg zum Stadion. Sein Kumpel nickte: "Das ist eben ein Traditions-Duell, das steckt einfach an."
Stichwort Tradition. Auch Rauchbomben scheinen die mittlerweile zu haben. Leider. Zuerst zündelte der Lautern-Block, legte die Westkurve in einen roten Schleier. Kaum war der Nebel verzogen, schickte der SVW-Anhang die nächsten Schwaden hinterher. An Fußball spielen war zunächst nicht zu denken. Als sich der Nebel verzogen hatte, entwickelte sich eine offene Partie. Lautern war bemüht, Waldhof effizient: Flanke Valimir Sulejmani, Kopfball Gian-Luca Korte: 0:1 (10.). Eine Traum-Kombination. Oder wie Mannheims Trainer Bernhard Trares später seufzte: "Ein fantastisches Tor."
Eines, das normalerweise Sicherheit hätte geben müssen, tat es aber nicht. Jetzt war der 1. FCK am Drücker, presste früh, wollte schnell zurückschlagen. Das Problem: Der letzte Pass kam nicht an. Also musste eine Ecke herhalten, die Kevin Kraus in der 34. Minute verdient aus fünf Metern per Kopf über die Linie drückte.
Nach der Pause hatte die Heim-Elf weiter mehr vom Spiel. Allerdings nur bis zur 65. Minute. Danach zog der SVW ein regelrechtes Powerplay auf, kreierte viele gute Chancen. "Leider haben wir da wieder keine genutzt", grübelte Waldhofs Sportlicher Leiter Jochen Kientz in den Katakomben im RNZ-Gespräch.
Ganz dicke Dinger hatten die Blau-Schwarzen auf dem Fuß. Allen voran Kevin Koffi, der in der 28. Minute für den verletzten Sulejmani eingewechselt wurde. In der Schlussphase scheiterte er zweimal freistehend. Trares: "Normalerweise macht er die mit verbundenen Augen."
Ähnlich erging es Dorian Diring, der Lauterns Keeper Grill bereits überlupft hatte, ehe sein Schuss noch von Kraus von der Torlinie gekratzt wurde (71.). Aber war der Chipball wirklich die richtige Lösung? Diring mit einem Augenzwinkern: "Na ja, eigentlich hätte ich ihn flach ins kurze Eck schießen sollen."
Höchst effizienter Beginn: Die Waldhöfer bejubeln das fein herausgespielte 1:0 von Gian-Luca Korte. Foto: PIX-Sportfotos
Aber wie heißt es doch so schön, hinterher ist man immer schlauer. Bei Trares überwog danach ohnehin der Stolz. Der Waldhof-Trainer: "Wir haben unser Ding wieder durchgezogen, sind nicht nervös geworden und haben uns immer wieder spielerisch befreit." Bei Kaiserslautern sah die Sache schon ein wenig anders aus. Mit hängenden Schultern schlichen die Spieler in die Katakomben. Einer ließ seinen Frust auch ganz unverblümt raus, hämmerte mit der Faust gegen eine Sponsorentafel, die krachend gegen die Wand knallte.
Nur ein Punkt zu Hause gegen den SV Waldhof - das passt nicht zum Selbstverständnis des ruhmreichen 1.FC Kaiserslautern. Doch die Zeiten haben sich geändert, Waldhof war gestern nicht nur ebenbürtig, nein, spielerisch hatte man die Nase vorn. Erklärungen für die Mega-Serie von 29 Spielen ohne Niederlage zu finden? Schwierig. Selbst Diring wirkt da etwas ratlos. "Wir verstehen und ergänzen uns super", sagt er und lacht: "Und sind halt schon eine geile Truppe." Eine Mannschaft, die nun selbst vor 36.000 Zuschauern am berühmt-berüchtigten Betzenberg nicht eingeknickt ist. Diring im Dauer-Grins-Modus: "Ach, auf diese Atmosphäre habe ich mich schon seit Wochen gefreut gehabt."
Ganz schön abgezockt - die Waldhof-Buben.
Kaiserslautern: Grill - Schad, Kraus, Matuwila, Hercher - Bachmann - Thiele, Starke (74. Röser), Sickinger (68. Skarlatidis), Pick - Kühlwetter
Waldhof: Königsmann - Marx, Schultz, Seegert, Conrad - Schuster, Christiansen - Deville, Gian-Luca Korte (52. Ferati), Diring (85. dos Santos) - Sulejmani (28. Koffi)
Schiedsrichter: Robert Hartmann (Wangen)
Tore: 0:1 Gian-Luca Korte (10.), 1:1 Kraus (34.)
Zuschauer: 36.766
Gelbe Karten: Kraus, Kühlwetter - Conrad