Pokal-Aus für Hoffe nach Last-Minute-Gegentor und Elferdrama
Die TSG führt bis wenige Sekunden vor Ende der Verlängerung, scheitert dann aber im Elfmeterschießen in der zweiten Pokalrunde.

Von Nikolas Beck
Hamburg. Die nötige Motivation, in einem K.o.-Spiel ans Limit und darüber hinaus zu gehen, müsse man aus dem Gedanken an den nächsten Tag ziehen, glaubt Christian Ilzer. "Die Aktion auf dem Rasen schmerzt auf Sicht weniger, als sich hinterher eingestehen zu müssen, dass man den einen Sprint mehr hätte machen können, den Zweikampf härter bestreiten, das Duell konsequenter führen oder den Pass mutiger spielen", sagte der Trainer der TSG Hoffenheim vorm zweiten Auswärtsduell beim FC St. Pauli binnen zehn Tagen.
Nach dem 3:0-Erfolg in der Liga ging’s am Dienstagabend im DFB-Pokal um den Einzug ins Achtelfinale – und schenkt man Ilzer Glauben, dürfte der Mittwoch den allermeisten seiner Schützlinge ziemlich wehtun.
Nicht nur, weil es beim an Dramatik kaum zu überbietenden 7:8 (2:2/1:1/0:1) im Elfmeterschießen mehr als eine halbe Stunde zusätzlich zu ackern und rackern galt und der Dorfklub nach einer Leistungssteigerung in Halbzeit zwei und einem umstrittenen Strafstoß in der Verlängerung schon wie der sichere Sieger aussah. Sondern auch, weil trotz Ilzers Warnung eben erneut in Runde zwei Endstation war in jenem Wettbewerb, in dem nur sechs Siege zum Titel führen, der TSG aber bislang nie mehr als drei gelungen sind.
Doch der Reihe nach: Im Vergleich zur Startelf des ersten Besuchs am Millerntor, die auch beim 3:1 am vergangenen Samstag gegen Heidenheim beginnen durfte, spielte Alexander Prass für Vladimir Coufal auf der rechten Bahn. Der Dauerläufer aus Tschechien hatte nach dem Abschlusstraining über Knieprobleme geklagt und musste passen. Im Mittelfeld ersetzte Grischa Prömel Wouter Burger (Bank).
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Daran wird es eher nicht gelegen haben, dass die TSG den Beginn verschlief. Nach 15 Sekunden und sieben Ballkontakten der Norddeutschen gab’s die erste Ecke für die zuvor fünfmal hintereinander unterlegenen Kiezkicker. In deren Folge drückte Hauke Wahl im Duell mit dem orientierungslosen Robin Hranac den Ball ins Tor (1. Minute).
Tim Lemperle hatte die beste Chance zur relativ schnellen Antwort, köpfte aber knapp neben das FCSP-Tor (8.). Auch Fisnik Asllanis Flanke wurde zum gefährlichen Abschluss, segelte aber am Kasten vorbei (11.). Munter hin und her ging es im Kultstadion. Aber weder St. Pauli-Stürmer Connor Metcalfe (16. und 18.) noch Startelf-Comebacker Prömel brachten den Ball im Tor unter (19.).
Am Tag vor dem Pokalduell hatte Ilzer noch vor zu viel Selbstsicherheit gewarnt, nachdem erstmals überhaupt in der bald einjährigen Amtszeit des Österreichers zwei Spiele in Serie gewonnen wurden. "Nicht eine Minute bei den Basics nachlassen" dürfe man, so der 48-Jährige. 2:9 Torschüsse und nur 35 Prozent gewonnener Zweikämpfe in der ersten halben Stunde ließen darauf schließen, dass seine Schützlinge nicht richtig zugehört hatten.
Bei der Halbzeitansprache schien dann allerdings kein Aufmerksamkeitsdefizit vorzuliegen. In einer bemerkenswerten Duplizität der Ereignisse aus Durchgang eins war es diesmal "Hoffe", das einen ganz frühen Eckball zugesprochen bekam. Aus dem gleichen Eck wie vor St. Paulis Führungstreffer ausgeführt, resultierte Kramarics Hereingabe in einem zweiten Eckball – den köpfte Prömel zum 1:1 ins Tor (47.).
Fortan übernahm 1899 immer mehr die Kontrolle, zunächst allerdings ohne ernsthaft Torgefahr auszustrahlen. In einer auf beiden Seiten jetzt chancenarmen Phase war es erneut Lemperle, der einem Führungstreffer am nächsten kam (65.).
Auf der anderen Seite musste Bernardo gegen Mathias Pereira Lage für den bereits geschlagenen TSG-Torhüter Oliver Baumann retten – eingesprungen in größter Not und maximal artistisch (83.). Nicht weniger sehenswert klärte St. Paulis Pokalkeeper Ben Voll gegen den plötzlich allein vor ihm stehenden Joker Ihlas Bebou (89.).
Folglich ging es in die Verlängerung. Nach dem x-ten gefährlichen langen Ball von Prass scheiterte der eingewechselte Burger an der Latte (98.). Dennoch sah es bis wenige Sekunden vor Schluss so aus, als würde die TSG weiterkommen: Nach einem fragwürdigen Elfmeterpfiff von Schiedsrichter Daniel Schlager (Gernsbach) – Bebou hatte James Sands aus kurzer Distanz an den angelegten Ellenbogen geschossen – war Kramaric cool geblieben (107.).
Den Videoassistenten gibt es in der zweiten Pokal-Runde noch nicht – und vielleicht gerade deshalb bescherten der Fußballgott und Pereira Lage den 30.000 Zuschauern einen ganz späten Glücksmoment (120.+2). Sowie ein erfolgreiches Elfmeterschießen, in dem ausgerechnet Kramaric und als neunter und letzter Schütze Albian Hajdari verschossen.
Autsch! Dieses Aus schmerzt aus Sicht der TSG – bestimmt auch noch über den Mittwoch hinaus.
St. Pauli: Voll - Wahl, Smith, Mets (90.+4 Ritska) - Pyrka (66. Saliakas), Sands, Fujita, Oppie - Metcalfe (80. Kaars), Hountondji (66. Ceesay), Afolayan (80. Pereira Lage).
Hoffenheim: Baumann - Prass (108. Akpoguma), Hranac (85. Kabak), Hajdari, Bernardo - Prömel (71. Burger), Avdullahu, Kramaric, Touré - Asllani (77. Bebou), Lemperle (86. Tohumcu).
Schiedsrichter: Schlager (Gernsbach), Zuschauer: 30.000; Tore: 1:0 Wahl (1.), 1:1 Prömel (47.), 2:1 Kramaric (107./Handelfmeter), 2:2 Pereira Lage (120. +2).




