Von Daniel Hund
Cuenca. 33:28 gewonnen, irgendwie aber doch verloren: Bei Liberbank Cuenca feierten die Rhein-Neckar Löwen am Sonntag den nächsten Sieg im EHF-Pokal, bleiben somit Spitzenreiter in der Gruppe B. Doch ausgelassen jubeln war nicht.
Nicht nach dieser Vorgeschichte: Am Samstag zog man nämlich die Reißleine und trennte sich von Trainer Kristjan Andresson, 38, gestand sich den Fehler mit dem Isländer somit ein. Aus dem Hoffnungsträger, der die Badener wieder in die Titelspur zurückführen sollte, war längst ein Problemfall geworden. Man taumelte, man verzweifelte, man befand sich im freien Fall. Wohlgemerkt mit einer Mannschaft, die vom Papier her eigentlich zum Besten gehört, was die Handball-Bundesliga zu bieten hat. Aber die Realität sieht anders aus: Tabellen-Sechster ist man momentan, spielte phasenweise aber wie ein Abstiegskandidat.
Kurzum: Die Trennung war längst überfällig. Die Überbringerin der traurigen Botschaft war Jennifer Kettemann. Die Geschäftsführerin zur RNZ: "Es war definitiv eine der schwersten Entscheidungen, seit ich bei den Löwen bin." Und wie hat es Andresson aufgenommen? "Kristjan war sehr enttäuscht. Wir alle hätten uns einen anderen Verlauf gewünscht."
Für den sympathischen Isländer ist der Löwen-K.o. dennoch doppelt bitter: Erst kürzlich hat er sich für die Löwen und gegen Schweden entschieden. Im Januar gab der Familienvater seinen Job als Nationaltrainer auf, um voll für die Gelben dazu sein. Oder anders: Erst zwei Jobs, dann einer, jetzt gar keinen mehr. Aber so ist er eben, der Profisport. Der Trainerstuhl gleicht einem Schleudersitz. Das ist im Handball wie Fußball.
Was bleibt, ist die Frage: Wer tritt sein Erbe an? Wer soll die Löwen wieder zurück an die Spitze führen? Oder besser auf den zweiten Platz, der am Ende für die Qualifikation zur Champions League berechtigen würde!? Denn die Vize-Meisterschaft haben Kettemann und Co. trotz des großen Rückstandes von sechs Punkten noch nicht aufgegeben. Die Managerin: "Wenn die Mannschaft ihr Potenzial abruft, haben wir durchaus noch die Chance auf Platz zwei."
Jetzt fehlt nur noch der passende Coach. Nach Informationen der RNZ läuft die Suche momentan auf Hochtouren. Fix ist noch nichts. Kettemann sagt es so: "Wir führen Gespräche in alle Richtungen, um die bestmögliche Lösung zu finden."
Namen kursieren ein paar. Der von Ljubomir Vranjes, 46, besonders häufig. Der Ex-Trainer der SG Flensburg-Handewitt coacht derzeit den schwedischen Spitzenklub Kristianstad, soll nach Informationen dieser Zeitung über kurz oder lang aber eine Rückkehr ins deutsche Oberhaus anstreben.
Frei wäre Christian Prokop, 41, der kürzlich als Trainer der deutschen Handball-Nationalmannschaft beurlaubt wurde. Doch dort hat er im Tandem mit Löwen-Macher Oliver Roggisch nicht den besten Eindruck hinterlassen. Einer, der schon mal bewiesen hat, dass er die Löwen bändigen kann, wäre Gudmundur Gudmundsson, 59. Der kleine Isländer mit dem großen Handball-Sachverstand legte den Grundstein für die glorreichen Löwen-Jahre, hinterließ Nikolaj Jacobsen ein bestelltes Feld.
Genug spekuliert, Fakt ist, dass die Löwen bis zum nächsten Wochenende Gewissheit in der Trainerfrage haben möchten. Am Samstagabend, wenn der TSV Hannover-Burgdorf im "Ufo" aufkreuzen wird, soll ein neuer Mann auf der Bank sitzen.
Michel Abt. Foto: vafIn Cuenca hatte Michel Abt, 29, der Trainer der zweiten Mannschaft, das Kommando. Mit einigen Löwen spielte er noch selbst zusammen, war Aushilfskraft, gestern Chef. Erfahren hat er von seiner "Beförderung" in der Nacht von Freitag auf Samstag. Kurz darauf saß Abt schon mit der Mannschaft im Flieger nach Madrid, von dort aus ging es rund 160 Kilometer mit dem Bus zum spanischen Europacup-Teilnehmer weiter.
Kaum angeworfen, zeigte sich, dass auf den neuen starken Mann bei den Löwen viel Arbeit zukommen wird. Der Rückraum der Spanier spielte mit den Löwen Katz und Maus. Löchrig wie ein Schweizer Käse war er, der gelbe Defensivregel. Nach der Pause, in die sich die Löwen gerade noch mit einem Unentschieden (16:16) retteten, lief es besser. Gedeon Guardiola und seine Kollegen verteidigten offensiver, packten beherzter zu und fuhren letztlich einen sicheren und verdienten Sieg ein.
Sieben Treffer und einige blitzgescheite Zuspiele steuerte Andy Schmid zum Erfolg bei. Und auch in Sachen Trainer-Entlassung sprach er gegenüber der RNZ Klartext, sagte: "Es ist eine konsequente Entscheidung des Vereins! Die Resultate waren über eine lange Zeit nicht so, wie sich jeder hier das vorstellt." Aber auch: "Kristjan ist auf keinen Fall der Alleinverantwortliche. Jeder ist jetzt gefordert, um unseren Verein wieder in die Spur zu bringen."
Stenogramm: 3:2, 5:6, 8:7, 10:8, 10:10, 13:13, 16:16 (Halbzeit), 16:18, 20:20, 20:23, 21:23, 21:25, 22:27, 24:27, 25:30, 28:33 (Endstand).
Cuenca: Dutra 9/3, Doldan 2, Suarez Diaz 1, Lopez 1, Suarez Natan 4, Eskericic 4, Alves 6, Arce 1,
Löwen: Schmid 7, Gensheimer 8/1, Kirkelokke 8, Mensah Larsen 4, Groetzki 4, Guardiola 1, Petersson 1.