Der Kampf am Kreis blieb nicht ohne Folgen. Während Jannik Kohlbacher (links) nach gut 20 Minuten mit Schmerzen ausgewechselt werden musste, durfte sich Geburtstagskind Jerry Tollbring (rechts) über den silbernen Pokal freuen. Fotos: vaf
Von Tillmann Bauer
Stuttgart. Erst vergangene Woche kam Patrick Groetzki ins Schwärmen, als wir mit ihm telefonierten. Der Rechtsaußen und Rekordspieler der Handballer der Rhein-Neckar Löwen wurde gefragt, was er denn vom schwedischen Neuzugang Lukas Nilsson halte, schließlich hat Groetzki schon einige Spiele auf dem Buckel und dementsprechend viele Spieler Kommen und Gehen sehen. Er sagte: "Was Lukas da manchmal im Training macht, wenn er aus über zehn Metern hochsteigt und den Ball einschweißt – das ist genau das, was uns zuletzt gefehlt hat." Nilsson, der aus Kiel gekommen war, könne aus dem Nichts ein Tor werfen, er könne gerade dann helfen, wenn eben sonst nichts zusammenlaufe – wenn im Angriff niemandem etwas einfalle.
Nilsson nicht zu halten
Auch Martin Schwalb hatte das zuletzt immer wieder gesagt. Doch dass der Sonntag, an dem man mit Ach und Krach das Finale des BGV Handball Cups gegen HBW Balingen-Weilstetten in der Stuttgarter Porsche-Arena mit 31:28 gewann, genau so ein Tag, an dem offensiv nur wenig zusammenläuft, sein sollte, war durchaus überraschend. Nun gut, Nilsson mache das, wofür er in den Süden geholt wurde – er donnerte den Ball ins Tor und sorgte mit seinen insgesamt acht Treffern dafür, dass sich die Löwen trotz eines sehr unterdurchschnittlichen Spiels über den Titel freuen durften. Genau das war seine Aufgabe.
"Lukas hatte einen entscheidenden Anteil, er hat ganz wichtige Tore gemacht", sagte Schwalb: "Er ist voran gegangen und hat Emotionen gezeigt. Genau das brauchen wir." Insgesamt war "Schwalbe" glücklich, dass sein Team das Turnier gewonnen hat, gab aber auch zu, dass es noch "einige Problemchen" gab, an denen es bis zum Pflichtspiel-Auftakt in einer guten Woche in der European Handball League gegen TTH Holstebro zu arbeiten gilt. Das Fazit? "Die Mannschaft funktioniert gut, wir haben eine gute Gemeinschaft – wir sind bereit."
Der Kampf am Kreis blieb nicht ohne Folgen. Während Jannik Kohlbacher (links) nach gut 20 Minuten mit Schmerzen ausgewechselt werden musste, durfte sich Geburtstagskind Jerry Tollbring (rechts) über den silbernen Pokal freuen. Fotos: vafDas mag stimmen, am Sonntag fehlte aber noch die absolute Entschlossenheit. Schwalb forderte Konzentration, die bekam er aber nur bedingt. Seine Jungs scheiterten oft leichtfertig, obwohl sie beim Wurf nicht attackiert wurden, spielten ungenaue Pässe ins Aus oder packten in den Zweikämpfen nicht energisch genug zu. Enttäuschend: Man leistete sich schon im ersten Abschnitt gefühlt mehr technische Fehler als zuvor im gesamten Turnierverlauf zusammen.
Viel schlimmer noch als jeder Fehler auf dem Feld: Jannik Kohlbacher musste nach gut 20 Minuten ausgewechselt werden, weil er bei einer Angriffsaktion unglücklich auf den rechten Ellenbogen gefallen war, danach einen Verband verpasst bekam und nicht mehr eingesetzt werden konnte. Entwarnen konnte Schwalb nicht: "Um Kohli müssen wir uns leider Sorgen machen. Es hat sich aus seiner Sicht nicht gut angehört, das ist kein gutes Signal. Es wäre fatal, sollte er länger ausfallen, er ist einer meiner wichtigsten Spieler." Eine genaue Diagnose steht noch aus.
Defensiv ließ sich Trainer-Taktikfuchs Schwalb wieder einmal etwas Neues einfallen und schickte den flinken Uwe Gensheimer in die offensive Abwehr, um den Fluss der Balinger Angriffsbemühungen zu stören. Der Linksaußen konzentrierte sich als Sonderbewacher vor allem auf Ex-Löwe Vladan Lipovina, der bei den Galliern als einer der gefährlichsten Schützen gilt.
Der Plan ging nicht ganz auf, Lipovina landete letztendlich bei sieben Toren und war mitentscheidend dafür, dass Balingen nicht nur zur Halbzeit führte, sondern die Begegnung bis zum Ende offen gestalten konnte. Schwalb: "Das ist dann auch irgendwo die individuelle Qualität dieses Spielers."
Den silbernen Pokal, der etwas an den schillernden Henkel-Pott der Champions League im Fußball erinnerte, durfte übrigens nicht Matchwinner Nilsson, sondern Geburtstagskind Jerry Tollbring in Empfang nehmen. Er tat sich mit der überdimensional großen Trophäe schwer, der Deckel landete schon nach wenigen Sekunden auf dem Boden. Schwalb lachte: "Eigentlich hat er ihn mehr runtergeworfen als alles andere."
Es sei ihm verziehen, schließlich war der Pokal fast größer als er selbst.
Löwen: Gensheimer 4/1, Schmid 5, Nilsson 8, Kohlbacher 1, Kirkelokke 5, Groetzki 4, Lagarde 2, Tollbring 2.
Balingen: Scott 4, Nothdurft 5, Lipovina 7, Saueressig 2, Strosack 1, Zobel 2, Zintel 2, Gretarsson 1, Thomann 1, Heinzelmann 2, Diebel 1.
Zuschauer: 450.