Von Claus Weber
Heidelberg. Wir erreichen Philipp Krämer zwischen zwei Telefonkonferenzen. Der Präsident des Badischen Leichtathletik-Verbandes (BLV) hat trotz Corona viel zu tun. Der 74-jährige ehemalige Bürgermeister von Schönau steht seit 2010 dem BLV vor, ist damit Chef von knapp 60.000 Leichtathleten aus fast 480 Vereinen.
Die Pandemie traf die Leichtathleten zwar nicht ganz so hart wie Ringer oder Rugby-Spieler, die ihre Wettkämpfe fast komplett absagen mussten. Doch sie stellte auch den BLV vor Herausforderungen. Im Interview blickt Krämer kritisch zurück und optimistisch voraus.
Philipp Krämer, Laufen, Werfen oder Springen kann man auch im Freien. Kommen die badischen Leichtathleten besser durch die Krise als andere Disziplinen?
Auch für uns ist das eine schwierige Zeit mit einem stark ausgedünnten Wettkampfangebot. Wir haben nicht zu früh alles abgesagt, so dass wir ab Juni/Juli doch noch einige Veranstaltungen durchführen konnten. Bis Mitte Oktober konnten wir so noch fünf Landesmeisterschaften austragen. Die waren alle gut organisiert, es gab keine Corona-Fälle, die Konzepte haben gegriffen. Grundsätzlich kann die Leichtathletik im Freien auch unter den "schärfsten" Corona-Auflagen betrieben werden, da ohne Probleme die Abstands- und Hygienevorgaben gut eingehalten werden können.
Auch auf nationaler Ebene feierten badische Sportler trotz Corona Erfolge.
Die beiden besten Leichtathleten kommen tatsächlich aus unserem Verband. Weitspringerin Malaika Mihambo aus Oftersheim und Speerwerfer Johannes Vetter aus Offenburg führen die Weltrangliste an. Auch Speerwerfer Andreas Hofmann und seine Mannheimer Läufer-Kolleginnen wie Nadine Gonska, Ricarda Lobe oder Jessica-Bianca Wessolly sowie Sprinter Patrick Domogala waren sehr erfolgreich. Das macht uns Hoffnung für die Spiele in Tokio.
Rechnen Sie denn damit, dass die Olympischen Spiele stattfinden?
Ja, natürlich. Davon bin ich überzeugt. Ich hoffe das sehr für die Athleten, die brauchen ein Ziel. Allerdings gehe ich davon aus, dass sie ohne Zuschauer stattfinden werden. Volle Stadien kann ich mir nicht vorstellen.
Es fanden zwar weniger Wettkämpfe statt, aber Verband und Vereine wussten sich auf andere Weise zu helfen…
Es wurden kreative Wettkampf- und Trainingsformen entwickelt. Beispielsweise lieferten sich Athleten in ihren heimischen Stadien Fernduelle. Bei den Sprint-Challenge-Serien der U 14 und U 16 gingen 626 Athleten aus 47 Vereinen in die Wertung ein. Wie wichtig das gerade für den Nachwuchs war, zeigt eine Reaktion von Sina Scheel, der Siegerin der Altersklasse W 13 von der LG Kurpfalz. Sie schwärmte, wie schön es gewesen sei, wieder dieses Wettkampf-Feeling zu haben. Außerdem veranstaltete der Verband Firmenläufe und vieles mehr, um den Kontakt mit seinen Athleten zu halten.
Trotz Corona hat der Verband auch Neues angestoßen. Beispielsweise wurde eine U 14-Fördergruppe in Neckargemünd eingerichtet.
Das ist ein Prototyp, soll aber im ganzen Land an mehreren Standorten um- und mit einer hauptamtlichen Kraft in Teilzeit besetzt werden. Damit wollen wir gezielter und früher auf Talente in der Fläche aufmerksam werden, sie sichten und fördern. Ein wesentlicher Ideengeber hierzu ist Rolf Bader, unserer BLV-Vizepräsident aus Weinheim.
Die Wintersaison fällt aber so gut wie aus.
Ja, leider. Diesen Winter können wir knicken. Wir hatten eine Zusage für die Europahalle in Karlsruhe für das Wochenende nach dem Indoor-Meeting. Leider mussten wir auf dieses Vorhaben aber wegen der Corona-Lage verzichten. Bislang sind keine weiteren Veranstaltungen geplant. Wir wollen den Januar abwarten und schauen, ob wir vielleicht im März noch etwas für den Nachwuchs anbieten können.
Befürchten Sie, dass viele Jugendliche nach der Pandemie nicht mehr zur Leichtathletik zurückkehren werden?
Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, wir haben ein Augenmerk darauf. Bislang gibt es dazu noch keine verlässlichen Hinweise, wir können nicht abschließend beurteilen, wie sich Corona auf die Mitgliederzahlen auswirken wird. Dabei vertraue ich auch auf die großartige Arbeit in den Vereinen. Dort sind Trainer und Trainerinnen engagiert und kreativ unterwegs.
Wie hat sich die Pandemie auf die Verbandsarbeit ausgewirkt?
Manche denken, es sei weniger Arbeit angefallen. Das ist ein Trugschluss. Es ist eher mehr geworden. Wir mussten beispielsweise Veranstaltungen wie den Freiburg-Marathon absagen oder Sitzungen und Tagungen in digitaler Form möglich machen. Doch nicht alle sind IT-Fachleute. Aber wir haben es hinbekommen. Obwohl die Geschäftsstellen-Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht nur ins Homeoffice gingen, sondern auch zeitweise in Kurzarbeit. Wir sind dem Land dankbar, dass Hilfen geleistet wurden und hoffen, dass – aufgrund der sich bereits abzeichnenden Situation – auch für 2021 solche gewährt werden. Die Notwendigkeit dazu besteht meines Erachtens. Ich bin froh, wenn wir bald wieder normal arbeiten können. Ich bin ein Freund der persönlichen Begegnungen. Eine Videoschalte ersetzt nicht das persönliche Gespräch.
Wann rechnen Sie damit, Ihren Sport wieder einigermaßen regulär ausüben zu können?
Ich gehöre zu den Optimisten und hoffe, dass ab März/April die ersten Läufe stattfinden können und vielleicht bis Mai auch wieder Stadion-Wettkämpfe. Foto: vaf