Von Wolfgang Brück
Malsch. Als das vereinte Deutschland 1990 in Rom Fußball-Weltmeister wurde, kündigte Franz Beckenbauer an, dass die Nationalmannschaft über Jahre hinaus unschlagbar sein werde. Ein Irrtum. Große Töne spuckt man bei den Boule-Freunden Malsch nicht nach der ersten deutschen Meisterschaft am Wochenende (Die RNZ berichtete). Doch vieles spricht dafür, dass sich die Weinbau-Gemeinde als Boule-Hochburg in Deutschland etablieren wird.
Die Meister-Mannschaft bleibt zusammen. Sie könnte - im wahrsten Wortsinn - sogar noch schlagkräftiger werden. "Es ist noch nichts entschieden, aber es gibt Kontakte zu Gilbert Bodein", verriet Sportchefin Birgit Huber exklusiv der Rhein-Neckar-Zeitung. Der Franzose ist nicht nur ein ausgezeichneter Boule-Spieler, sondern besitzt auch einen Gürtel in Karate.
Er würde gut passen in die Malscher Mannschaft, die mit Sabrina Royer (19), Laurent Diot (51), einem ehemaligen Nationalspieler aus St. Denis, Super-Meister Jean-Luc Testas (57) aus Leimen, seinem Sohn Luciano (21) aus Malsch - er ringt auch für den Oberligisten Ispringen II - und dem in Algerien geborenen Pizza-Bäcker Rachid Belhaid (48) bereits einen internationalen Anstrich hat. Aus Mannheim sind Trainer Cedric Jankowski (38), ein gelernter Maurer und die zahnmedizinische Fach-Angestellte Patricia Stöckbauer (41). Aus Mosbach reist der Arzt Dr. Daniel Härter (60) an. Das Ehepaar Lara (44) und Sascha Koch (36) - sie Lehrerin und Vize-Weltmeisterin, er Versicherungs-Kaufmann und mehrmaliger deutscher Meister - kommt aus Speyer. Der Schlosser Philipp Jankowski (35) lebt in Frankreich.
Wer jetzt vermutet, dass in Malsch nicht nur die Weinfässer sondern auch das Bankkonto der Boule-Freunde prall gefüllt ist, liegt falsch. "Bei uns werden keine Gehälter bezahlt", versichert Werner Schäffner, der neben Birgit Huber und Harald Kempf einer der drei Vorsitzenden des knapp 200 Mitglieder starken Vereins ist. Der große Magnet war und ist Jean-Luc Testas, der mehrfache deutsche und französische Meister, von dem man sich ein bisschen was abschauen will.
Mit ihm begann vor zehn Jahren der märchenhafte Aufstieg der Boule-Freunde Malsch. Der Maitre lernte in Paris in einer Diskothek auf den Champs-Elysees eine Frau aus Malsch kennen und zog nach Deutschland. Im RNZ-Interview in der Donnerstag-Ausgabe wagte er eine kühne Prognose: "Über kurz oder lang wird Boule so populär wie Fußball sein."
Wird Boule bald so populär wie Fußball?
Apropos Fußball, auch im Boule gibt es mit dem Europa-Cup einen internationalen Wettbewerb, der mit der Champions League vergleichbar ist. Ab Anfang nächsten Jahres werden die Boule-Freunde Malsch in die Luft gehen, weil sie nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa zum großen Wurf ansetzen.
Vorerst blieb man bodenständig. Beim Bärtigen Winzer wurde am Samstag der Titel zünftig gefeiert. Jasmin Ungerer verwöhnte die Champs mit Schnitzel-Spezialitäten und Weißburgunder.
Es war zu verkraften, dass die Malscher am Morgen danach mit 2:3 gegen Osterholz ihr erstes Saisonspiel verloren. Anschließend gab es ein 3:2 gegen Lübeck. Mit 10:1-Punkten verwiesen die Malscher in der Bundesliga-Abschlusstabelle Düsseldorf (8:3) und Osterholz (7:4) auf die Plätze.
Rund tausend Zuschauer verfolgten das Finale an der Reblandhalle. "Es gab einige Interessenten", schließt Werner Schäffner neue Mitglieder nicht aus.
Schon jetzt gehen rund 100 Spieler in sieben Mannschaften dem Sport nach, der - so Jean-Luc Testas - süchtig machen kann. Birgit Huber: "Boule in Malsch - das ist einmalig in Deutschland."