Als in Mauer "de Adam gfunne" wurde
Entdeckung des Homo heidelbergensis jährte sich das 110. Mal – Verein lud zu Jubiläumsfeier – John Ehrets Vision eines Museumsbaus

Oliver Sandrock (v.l.), Erich Mick, Gerda Tschira, Volker Liebig und John Ehret mit dem Jubiläumslogo. Foto: Trilsbach
Von Jutta Trilsbach
Mauer. Im gemütlichen Dorfgasthof "Zur Pfalz" geschah am 21. Oktober 1907 etwas Sensationelles. Der Sandarbeiter Daniel Hartmann betrat nach getaner Arbeit sein Stammlokal. Zu aller Erstaunen zeigte er eine Kinnlade herum und rief: "Heit hawwi de Adam gfunne". In der Sandgrube Grafenrain, in einer ehemaligen Neckarschlinge, waren schon viele Jahre zuvor Fossilien von Waldelefanten zu Tage befördert worden. Wissenschaftler mutmaßten daher, dass dort auch der Urmensch zu finden sei, sensibilisierten die Sandarbeiter dafür und zahlten für Fossilienfunde ein Knochengeld.
Wissenschaftliche Untersuchungen von Prof. Otto Schoetensack in der Heidelberger Universität bestätigten den Urmenschfund. Der über 600.000 Jahre alte Unterkiefer schrieb als Homo heidelbergensis fortan Evolutionsgeschichte und machte das bis dahin beschauliche Dorf Mauer an der Elsenz über alle Grenzen hinweg berühmt.
In seinem Grußwort ging Bürgermeister John Ehret am Freitagabend anlässlich der Feier zum 110. Fundjubiläum auf dieses bedeutende Ereignis ein. Ehret hob die Verdienste des im Jahr 2001 gegründeten Vereins, unter Vorsitz des damaligen Bürgermeisters Erich Mick, lobend hervor. Vieles sei in der Gemeinde in den vergangenen Jahren mit der Einrichtung eines urgeschichtlichen Museums im Rathaus und im Heid’schen Haus, mit den Führungen, Renovierungen in der Sandgrube und an den Zeittafeln sowie in wissenschaftlichen Veröffentlichungen geschehen.
Seine Vision: Der Bau eines neuen Museums mit allen Funden, die teilweise in ganz Baden verstreut sind, vereint mit der umfangreichen Mauermer Ausstellung. Erste Architektenentwürfe dafür habe man bereits begutachtet: "Das wäre ein echtes Sahnehäubchen, wenn wir dies alle gemeinsam mit privaten Förderern und staatlichen Fördergeldern erreichen könnten", schwärmte der Rathauschef.
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An das bedeutende 100. Fundjubiläum im Jahr 2007 erinnerte der amtierende Vereinsvorsitzende Volker Liebig mit rund 3000 Besuchern, was eine personell zu bewältigende Obergrenze war. Liebig bedankte sich zuvorderst bei Gerda Tschira für die großzügige Unterstützung des Urmenschenvereins durch die Klaus-Tschira-Stiftung, bei treuen und aktiven Mitgliedern und bei der Gemeinde. "Jedes Jahr kommen rund 2500 Besucher hierher, hauptsächlich Schulklassen, auch unsere Vorträge sind Dauerbrenner", so Liebig.
"Wir haben viel zu wenige Funde und stets neue Erkenntnisse, ja, in der Forschung ist alles im Umbruch!" Mit diesem Fazit skizzierte Dr. Oliver Sandrock vom Hessischen Landesmuseum Darmstadt seine aktuellen wissenschaftlichen Untersuchungen an Fossilien. Er arbeitet in Äthiopien. Im Vortrag über "die Evolution des Menschen" nahm er die Zuhörer auf eine urgeschichtliche Reise "Aus Afrika um die Welt" aus über vier Millionen Jahren und verdeutlichte: "Aus der europäischen Variante des Frühmenschen Homo erectus, dem Homo heidelbergensis, gingen die Neandertaler hervor."
Zahlreiche Ehrengäste, Vereinsmitglieder und Bürger lauschten nicht nur den flotten Melodien des Musikvereins, sondern plauderten in der Sport- und Kulturhalle bei Jubiläumsrotwein und griffen zum neu erschienenen Palaeos-Heft Nr. 6. Mit dabei war auch Friedhelm Dellinger. Er ist ein Urenkel von Daniel Hartmann, der 1952 im Alter von fast 98 Jahren starb und in sehr bescheidenen Verhältnissen lebte. Dellinger erinnerte sich: "Mein Urgroßvater saß auf einer Holzkiste und rauchte gerne Pfeife, die Pfeife habe ich noch in meinem Besitz!"