Epfenbach

Diskussion zur Windenergie artet aus

Im Gemeinderat wurde verbal viel Wind gemacht. Mehrere Teilnehmer brüllten und ein Bürger wurde des Saales verwiesen.

23.06.2022 UPDATE: 24.06.2022 06:00 Uhr 3 Minuten, 42 Sekunden
Im Gewann „Dreimärker“ sollen insgesamt sieben Windräder entstehen. Das hat Unmut bei der Bürgerinitiative hervorgerufen, die den Wald erhalten möchte. Archivfoto: Barth

Von Anjoulih Pawelka

Epfenbach. Selten waren so viel Besucherinnen und Besucher anwesend, selten gab es so viel Applaus und selten wurde so viel in einer Gemeinderatssitzung gebrüllt wie an diesem Mittwoch.

Es ging um die insgesamt sieben Windräder, die im Wald zwischen Epfenbach, Spechbach und Lobbach gebaut werden sollen. Eigentlich hätte das Thema erst beim Tagesordnungspunkt 6 besprochen werden sollen, wenn zu klären war, ob das Bürgerbegehren der Bürgerinitiative, die gegen die Windräder ist, zulässig ist oder nicht. Doch schon bei der Fragezeit für Einwohner kam das Thema auf – zu Beginn noch sachlich, der Unmut über das Projekt war bei den rund 25 Besuchern aber durchaus zu spüren. Man wollte wissen, wie hoch die Windräder insgesamt werden und wie groß die zu verpachtende Fläche ist.

Doch dann wird es plötzlich eher allgemein. Wozu man überhaupt Windräder brauche, wird gefragt. "Das bringt doch alles nichts", sagt ein Bürger und verweist auf Wasserkraft als Alternative, wofür er Applaus bekommt. Es bestehe breiter Konsens quer durch die Parteien, dass die Wasserkraft erschöpft sei, entgegnet Bürgermeister Joachim Bösenecker. Die Stimmung ist zu diesem Zeitpunkt schon merklich angespannt. Fragen werden zum Teil in aggressivem Ton und recht laut gestellt. Irgendwann brüllt ein Bürger. Es geht um den Ukraine-Krieg, Inflation und weitere generelle Themen, für die er die Politik verantwortlich macht, und zu der er auch den Gemeinderat zählt. Die Äußerungen eben dieses Bürgers werden später dafür sorgen, dass teils auch die Gemeinderäte schreien. Er schließt mit dem Satz: "Wo soll der Sauerstoff herkommen?" Bösenecker wird energisch und sorgt damit für Ruhe. Dann erklärt der Bürgermeister, dass man sich mit bundespolitischen Themen an die Abgeordneten wenden müsse. Dafür sei der Gemeinderat nicht zuständig, bevor er erklärt, dass man die Windenergie brauche, um den Wald zu erhalten und den CO2-Ausstoß zu verringern. "Irgendwo muss der Strom herkommen", sagt er und fügt hinzu, dass es nicht darum gehe, ob Windanlagen schön sind. Ihm gefielen sie auch nicht, aber es sei die umweltverträglichste Art der Stromgewinnung – und das kleinere Übel.

Ein Bürger hat Bedenken, dass man in den Wald "ewig mit schweren Maschinen reinfahren" würde und verweist auf die Fahrverbotsschilder, die auf dem Weg zum "Dreimärker" stehen. Bei der Holzernte würde man auch mit schwerem Gerät in den Wald fahren, entgegnet Bösenecker und erklärt kurz darauf, dass der Projektierer "Abo Wind" im kommenden Jahr mit den Messungen für die Gutachten beginnen würde. Es sei aber völlig unklar, ob die Windräder überhaupt gebaut werden. Dazu brauche es diese Gutachten. Daraufhin äußert sich ein Bürger, dass er es kritisch findet, dass die Verträge schon gleich unterschrieben wurden, ein Vorvertrag hätte seiner Meinung nach auch gereicht. Der Gemeinderat argumentiert mit Planungssicherheit für "Abo Wind". Der Bürger lobt aber auch den Bürgermeister, dass dieser zu einem Gespräch mit ihm bereit war.

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Immer wieder kritisieren Mitglieder der Bürgerinitiative fehlende Transparenz und Information zu dem Projekt vonseiten des Gemeinderats und die Informationsveranstaltung am 13. Mai in Spechbach, die erst nach Unterschrift der beiden Bürgermeister stattgefunden habe. Ebenso wurde kritisiert, dass es nur eine Infoveranstaltung gegeben hat. Immer wieder betont Bösenecker, dass er erst nach der Infoveranstaltung unterschrieben habe, im späteren Verlauf der Sitzung stellt sich allerdings heraus, dass er bereits am 29. April seine Unterschrift unter den Vertrag gesetzt hat, also zwei Wochen vor der Infoveranstaltung.

Kurz nachdem ein Bürger die Sorge geäußert hat, dass es im Dorf durch das Projekt weniger Lebensqualität gebe, und der Bürgermeister von Versorgungssicherheit gesprochen hat, eskaliert die Situation. Es geht um den Wertverlust von Immobilien, als der Einwohner, der schon zu Beginn für Unruhe gesorgt hat, Bösenecker und die Gemeinderäte persönlich verbal attackiert und ihnen Vorteilnahme vorwirft. Daraufhin platzt Gemeinderat Friedbert Ziegler (SPD) der Kragen. Er schreit, dass man sich nicht beleidigen lassen müsse und sich jeder im Gemeinderat aufstellen lassen könne; man händeringend Leute suche, und keiner bereit sei, die Aufgabe zu übernehmen. "Wir brauchen doch Strom", brüllt er, und genug Bürger seien für das Projekt. Man habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Auch andere Besucher schreien dazwischen, bis irgendwann Bösenecker die Masse übertönt und ankündigt, jeden, der jetzt noch redet, des Saales zu verweisen.

Gemeinderat Julian Emmerich (FW) nutzt die Situation, entschuldigt sich und räumt in deutlichen Worten ein, dass es schlecht gewesen sei, nicht mehr auf die Bedenken der Bürgerinitiative eingegangen zu sein. Man hätte die Bürger besser informieren müssen. Daraufhin wird Gemeinderat Manfred Hafner (CDU) wütend und schreit Emmerich an, warum er denn jetzt dem Gemeinderat in den Rücken falle? Hafner habe in den Gemeinderatssitzungen angeregt, eine Infoveranstaltung in Epfenbach zu organisieren. Die anderen Gremiumsmitglieder hätten dies abgelehnt. "Wir haben uns einfach falsch entschieden", kontert Emmerich in sachlichem Ton.

Mittlerweile reden, beziehungsweise brüllen alle durcheinander. Es gibt aber auch viele Stimmen aus den Reihen der Bürgerinitiative, die sagen, dass der Gemeinderat grundsätzlich gute Arbeit leiste. Man wolle eben nur einen Bürgerentscheid – egal wie dieser ausgehe. Zwischendrin gibt es immer wieder sachliche Fragen, zum Beispiel zur Laufzeit (25 Jahre) und was danach passiere (Erneuerung oder Abbau sind möglich). Doch die Stimmung kocht immer wieder hoch, was durchaus auch an besagtem Bürger liegt. Als dieser Ziegler anbrüllt, reicht es Bösenecker. Er verweist den Bürger, den er zuvor schon verwarnt hatte, des Raumes und beendet den 51-minütigen Tagesordnungspunkt mit den Worten: "Es ist Schluss jetzt."

Später werden sich sowohl Vertreter der Bürgerinitiative als auch die Gemeinderäte für das Verhalten entschuldigen. Man distanziere sich von persönlichen Angriffen gegen das Gremium, heißt es vonseiten der Initiative. Beide Seiten beteuern, dass sie mehr in den Austausch gehen möchten, und sind sich einig, dass es eine weitere Bürgerveranstaltung geben soll.

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