Blaues Wasser - Ein Tag und seine Folgen
Vorfall in Heidelberg hat auch viele Sinsheimer verunsichert – Wie ist die große Kreisstadt für ähnliche Ereignisse gerüstet?

Von Tim Kegel und Christian Beck
Sinsheim. Donnerstag, 7. Februar. Der Tag, an dem offenbar blaues Wasser aus den Dossenheimer, später aus Heidelberger Wasserleitungen kam. Ein merkwürdiger Vorfall, dessen Auswirkungen ab dem Vormittag auch in Sinsheim zu spüren waren. Die RNZ hat sich erkundigt, welche Auswirkungen und Konsequenzen der Fall hat:
Sinsheim am Rand einer Panik: "Es ist ein Wunder, wie schnell sich Panik ausbreitet", sagte Oberbürgermeister Jörg Albrecht am Freitag. Kurz nach 11.30 Uhr am Donnerstag kursierte in Sinsheim über den sozialen Nachrichtendienst Whatsapp eine Meldung - die Rundmail an Mitarbeiter des Heidelberger Uniklinikums, verschickt von der Klinik-Technik GmbH. Sie enthielt einen Teilsatz, der einige erschreckt: War bislang von einer Notsituation in Dossenheim und Heidelberg zu hören, wurde in dem Text erstmals vor einer "Trinkwassernutzung im gesamten Rhein-Neckar-Kreis" gewarnt. Die Sorge mancher Sinsheimer wurde verstärkt, als der Handy-Katastrophenwarndienst "Nina" um 9.54 Uhr und um 11.51 Uhr zwei Warnmeldungen für Sinsheim listete. Wer die Meldungen jedoch anklickte, bekam einen Verweis angezeigt, der sich konkret auf Dossenheim und Heidelberg bezog. Nicht jeder kam so weit.
Und so ereigneten sich bizarre Szenen. "Die Leute kaufen mehr Wasser", hieß es im Rewe-Markt von Heinrich Lutz in der Muthstraße. Zwei Männer aus Dossenheim - "zufällig in Sinsheim" - luden sich den Einkaufswagen damit voll: "Wir müssen schnell heim jetzt." 40 besorgte Anrufe gingen ab dem späten Donnerstagvormittag allein bei Thomas Nowak vom Empfang des Sinsheimer Rathauses ein, "meistens mit der Bitte, an die Stadtwerke zu verbinden". Dort Dauerklingeln an den Telefonen. Auch Andreas Uhler, Chef der Sinsheimer Stadtwerke, wusste am Freitag von exakt den Meldungen der Warn-Apps und kannte den Text der Uniklinik: "Hört man Wasser, ist man verunsichert."
"Kein Grund zur Panik" - bei den Stadtwerken Sinsheim habe man dies "schnell gewusst", und am frühen Nachmittag auch gegenüber der Lokalredaktion der RNZ kommuniziert, sagt Uhler, "allerdings nicht wissend, was in Dossenheim passiert war". Ein diffuses mulmiges Gefühl habe sich deshalb auch über den Tag hinweg gehalten, räumt Uhler ein. "Und abends war jeder froh." Besorgten Anrufern sei mitgeteilt worden, "dass es keine technische Verbindung" zu den Stadtwerken Heidelberg gibt. Neben eigenen Quellen ist Sinsheim ans Netz der Bodensee-Wasserversorgung angeschlossen.
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Die acht Sinsheimer Hochbehälter seien nach Bekanntwerden der Warnung dennoch umgehend von Stadtwerke-Teams untersucht worden, schildert Uhler. Wie sie gesichert sind, darüber spreche man "aus sicherheitstaktischen Erwägungen heraus nicht öffentlich". Die Sicherung der Anlagen bezeichnet er als "massiv, heftig und richtig gut" und man wisse "augenblicklich", wenn es Auffälligkeiten gebe. Der Stadtwerke-Leiter verrät, er habe eine Verbindung mit den Vorkommnissen in Heidelberg "sofort und auf den ersten Blick ausschließen können". Bei der Überprüfung der Behälter seien am Donnerstag Messungen "und Kontrollen des Umfelds" auf verdächtige Veränderungen vorgenommen worden.
Blaues Wasser kennt Uhler nicht, es sei dem Stadtwerke-Team "zumindest noch nicht aufgefallen". Dass eine Blaufärbung - wie von den Heidelberger Fachstellen geschildert - ihre Ursache im natürlichen Farbspektrum des Wassers haben kann, hält Uhler "für zumindest nicht ausgeschlossen" und spricht von Skandinavien und Island, wo Wasser aufgrund "der Sedimentierung" bräunliche oder gelbliche Nuancen haben könne.
Im Sinsheimer Krankenhaus wäre man auf einen ähnlichen Fall vorbereitet, sagten am Freitag Klinikleiter Thorsten Großstück und Geschäftsführer Rüdiger Burger auf RNZ-Nachfrage: Generell trete in Krisensituationen ein Stab aus Klinik-, Pflegedienst-, ärztlicher und technischer Leitung zusammen, der in Abstimmung mit Behörden, Rettungsdienst und Katastrophenschutz die erforderlichen Maßnahmen einleite. Anfragen habe es am Donnerstag keine gegeben; Kollegen hätten sich jedoch Gedanken gemacht, welche Folgen "ein längeres Andauern der Situation in Heidelberg für uns haben könnte". In den Ambulanzen der nicht betroffenen Kliniken in der Region hätte man wohl "mit einem erhöhten Patientenaufkommen rechnen müssen".
Für den akuten Notfall seien "ausreichend Trinkwasservorräte im Haus". Die Mahlzeiten würden im Krankenhaus am Vortag zubereitet, so dass "zumindest ein Zeitfenster von einem Tag" zur Verfügung stehe, um sich auf Krisen einzustellen. Je nach Dauer und Ausmaß der Situation könne es aber zu Einschränkungen im Krankenhausbetrieb mit Aufnahmestopp, Verlegungen von Patienten und der Reduktion auf Notfall-Operationen kommen.
Die Badewelt würde ein Notfall wie in Heidelberg auch treffen: Von einer gewissen Unsicherheit, die am Donnerstagmittag in Teilen Sinsheims zu erleben war, war in der Thermen- und Saunalandschaft wenig zu spüren. Ein einziger Anruf sei eingegangen, teilt eine Badewelt-Mitarbeiterin mit. Nach Rücksprache mit den Stadtwerken sei schnell klar gewesen, dass kein Grund zur Besorgnis bestehe. Ihr Wasser bezieht die Badewelt direkt von den Stadtwerken Sinsheim, es handelt sich um Bodenseewasser. Verbindungen zum Heidelberger Netz gebe es nicht. Ohnehin werde in der Badewelt die Wasserqualität ständig überwacht. "Wir prüfen täglich mehrmals", berichtet der technische Leiter. "Wenn etwas nicht stimmt, würden wir es schnell merken." Darüber hinaus würden sich dann aber sowohl die Stadtwerke als auch das Gesundheitsamt melden, es gebe einen regen Austausch.
Ein Sturm im Wasserglas? "Ein für alle aufregender Tag - auch für uns", sagt Stadtwerke-Chef Uhler. Auch die neuen Medien hätten gezeigt, "welche Kraft in ihnen steckt". Die Erfahrung habe jedoch gezeigt, "dass in so einem Fall ein gewisser Mechanismus anläuft", ein Notfallplan, den es "selbstverständlich auch in Sinsheim" gebe. Wurde überreagiert? Schwer zu sagen, findet Uhler: "Wenn man nicht weiß, was es ist, ist es besser, man warnt einmal zu viel."
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