Traditions-Gasthaus "Linde" in Sinsheim

"Waren stolz auf unsere 50 Euro Umsatz"

Erst starb "Linde"-Wirt Helmut Wurzer, dann kam das Corona-Virus

25.03.2020 UPDATE: 26.03.2020 06:00 Uhr 1 Minute, 56 Sekunden
Haben die „Linde“ auf Abhol-Service umgestellt: Gudrun Wurzer (Mitte) mit Koch Sven Edinger (rechts) und Marita Gärtner. Foto: Tim Kegel

Von Tim Kegel

Sinsheim. Der erste Feierabend im Corona-Modus: "Wir haben gefeiert! Wir waren so stolz auf unsere 50 Euro Umsatz." So war’s, sagt Gudrun Wurzer. Die Wirtin und ihr Team wollen sich nicht unterkriegen lassen.

Denn manchmal kommt’s knüppeldick: Gerade erst ist Helmut Wurzer gestorben. Gudruns Mann, der Wirt mit dem Hut und dem Zwirbelbart, war eine Art Kultfigur in der Sinsheimer Gaststättenlandschaft. Zurück blieb seine "Linde", die letzte gutbürgerliche Wirtschaft in der Innenstadt - und offenbar ein paar richtig gute Freunde.

Doch dass der Betrieb ohne Helmut weiterläuft - nur allmählich hatten die Sinsheimer das kapiert. "Bis heute rufen die Leute an und fragen: Gibt’s euch noch? Habt ihr was zu essen? Können wir kommen?", schildert Gudrun Wurzer. Da lief zwar der Betrieb - auch dank zweier befreundeter Köche, die Helmut vorausschauend einlernte - schon längst weiter, fast wie gewohnt. Doch eigentlich sei man bis heute dabei, sich aufzurappeln.

Dann kam auch noch Corona: Erst war China weit weg, dann Italien. An Fasching, im Stadion, am letzten Schul- und ersten Frühlingstag feierten die Menschen nichts ahnend die großen letzten Ansteckungspartys. Reihum mussten die Gastronomen zuerst ihre Tische auseinander-, dann den Betrieb komplett einstellen. Das wirkte Fatal: "Wenn ich zumachen muss", hörte man Gudrun Wurzer in dunklen Momenten sagen, "weiß ich nicht, ob ich jemals wieder aufmache."

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Heidelberg: Musiker und Gastronom Joe Feigenbutz gestorben

So klang sie noch am vergangenen Donnerstag.

Doch am selben Abend erreichten Gudrun zwei Whatsapp-Nachrichten: Die eine kam von Uschi Krauß. Die Wirtin im Heidelberger "Achter" und Gudrun sind Schicksalsgenossinen in vielfacher Hinsicht. Wie Gudruns Helmut, war auch Uschis Joe eine Marke in der hiesigen Gastro- und Kneipenwelt. Joe Feigenbutz, der auch bekannter Musiker war, und Uschi hatten lange den Sinsheimer Krokodil-Weinkeller unter sich, gingen dann nach Heidelberg. Wenige Tage vor Helmuts Tod starb auch Joe an einer ähnlich schweren Krankheit. Am Donnerstag schickte Uschi Gudrun einen RNZ-Artikel über ihren eigenen Weg durch die beiden Krisen - quasi von Einzelkämpferin zu Einzelkämpferin: Im Neuenheimer "Achter" versucht man es mit einem Lachs-Lieferservice, der im schicken Vorstadtmilieu gern genutzt wird.

Die zweite Nachricht schickten Sven Edinger und Dominik Unus, Gudruns Köche. Versehen mit zwei Herz-Emojis steht dort: "Wir sind für dich da, so wie du für uns auch, wir helfen dir so gut wir können. Wir Schaffen das." Servicekraft Marita Gärtner hilft jetzt auch mit - schön im Zwei-Meter-Abstand. Sie sagt: "Daheim fällt mir die Decke auf den Kopf." Das alles schweißt zusammen.

Kurzerhand wurde der Eingang der Gaststätte zur Ausgabe, die Karte verschlankt; ein Tisch dient als Abstandhalter, Schilder weisen auf die neuen Gesundheits-Regeln hin. Die "Linde" ist jetzt ein "Take Away". "Und auf den Mund gefallen sind wir auch nicht." Besser so, als gar nicht, sind die Vier überzeugt. Gekocht werde im Grunde ähnlich wie bis zuletzt beim Tagesessen.

Dass einige der früheren Kunden aus den umliegenden Ämtern und Betrieben in der Bahnhofstraße treu geblieben wären, ja sogar Wünsche geäußert hätten, läßt sie auch weiter Mut schöpfen. "Einen Versuch ist ’ s allemal wert." Ein Taxifahrer habe sogar angeboten, einen Service zu übernehmen.

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