Jugend hielt sich zurück, Met-Brauer der Mittelalter-Szene nicht
Das Impfangebot vor der Dr.-Sieber-Halle und im Kreisimpfzentrum wurde hauptsächlich von Erwachsenen genutzt.

Von Tim Kegel
Sinsheim. "To-go-Impfen" – also mal schnell, im Vorübergehen – wurde zum Anfang der Woche an der Dr.-Sieber-Halle angeboten. Bereits am Wochenende war am Samstag und Sonntag Impfen ohne Termin im Sinsheimer Kreisimpfzentrum möglich. Bei beiden Angeboten war im Vorfeld speziell um eine Beteiligung von Kindern ab zwölf Jahren sowie von Jugendlichen unter 18 Jahren unter dem Motto "dranbleiben" geworben worden.
Die Zahl der Kinder und Jugendlichen unter den Impfwilligen war am Wochenende deutlich unterrepräsentiert: So wurden im Kreisimpfzentrum nach Angaben des Gesundheitsamts am Samstag 118 Erwachsene und 15 Kinder und Jugendliche geimpft; am Sonntag waren es 155 Erwachsene und 24 Kinder und Jugendliche. Zahlen zu dem Angebot an der Dr.-Sieber-Halle werden für Dienstag erwartet; bis 14.30 Uhr wurden rund 80 Impfungen gezählt; die Aktion endete um 15.30 Uhr.
Ein Eindruck vor Ort vom Montagvormittag deutete auf eine ähnliche Entwicklung hin. Auf dem Hallenvorplatz wartete ein eher junges Publikum auf die Spritzen mit dem Vektorimpfstoff von Johnson & Johnson oder dem mRNA-Impfstoff von Biontech. Erwachsene bis ins mittlere Alter waren überrepräsentiert, Kinder und Jugendliche kamen vereinzelt, zumeist in Begleitung der Eltern. Den Regularien zufolge, reichte bei Jugendlichen im Alter von 16 und 17 Jahren eine formlose Einverständniserklärung der Eltern aus, um behandelt zu werden. Bei Kindern im Alter von zwölf bis 15 Jahren musste ein Elternteil bei der Impfung anwesend sein. Um die Impfungen kümmerte sich ein mobiles Impfteam des Gesundheitsamtes mit zwei Ärzten und mehreren Assistenten, ausgestattet und unterstützt von Mitgliedern des Roten Kreuzes und der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft Neckargemünd.
Peter Strecker aus Dühren kam mit seinem 13-jährigen Sohn Till und seiner 17-jährigen Tochter Emilie. Sie sagt, dass sie sich "wegen der Großeltern" impfen lassen will, die ihrerseits schon geimpft wären. Ihr jüngerer Bruder macht es "wegen der Schule", dann müsse man vielleicht "keine Maske mehr tragen", es sei dann "vielleicht sicherer". An den Schulen ist derweil noch völlig unklar, wie man das Thema künftig handhabt. Zum Ferienbeginn hatte beispielsweise Realschulrektor Holger Gutwald-Rondot damit gerechnet, dass man zum Schulbeginn "wohl mit Masken und Tests anfangen" werde und sich auch auf Diskussionen einstelle, weil einzelne Schüler dann "Tests oder das Maskentragen ablehnen" würden. Inzwischen zeichnet sich in Studien ab, dass auch Geimpfte das Sars-CoV 2-Virus weitergeben, daran erkranken und ähnliche Viruslasten im Rachen tragen können.
Auch interessant
Vor der Halle eingereiht hat sich inzwischen eine junge Mutter aus Sinsheim mit ihrer Tochter; die Frau will sich impfen lassen; was ihre Tochter anbelangt – "sie ist noch nicht zwölf" – klingt sie nachdenklicher: Impfen oder nicht, diese Frage würde sie dem Mädchen nach guter Aufklärung selbst überlassen. "Das wäre dann ihre eigene Entscheidung", sagt die Frau.
Und da ist Michael Rau aus Reihen, vielen bekannt als Met-Brauer aus der hiesigen Mittelalter-Szene und eigentlich ein Freund der Heilkräuter und des alternativen Heilwissens der Ahnen und Schamanen. Kurz: ein Mensch, den man nicht zwangsläufig hier verorten würde, auf eine Impfung wartend. Doch Rau, im Hauptberuf Psychiatrie-Krankenpfleger, verlässt sich, wie er sagt, "auf solide Wissenschaft". Die Corona-Impfstoffe zählt er – da "millionenfach verabreicht" – "zu den am besten erforschten" Medizinprodukten. Nebenwirkungen, glaubt Rau, würden "hauptsächlich durch Zusatzstoffe" hervorgerufen, über die sich "jeder schlau machen" könne. Wie Rau zum Thema Impfpflicht steht: "Da bin ich ganz radikal." Das heißt bei ihm: dafür.
Völlig anders sieht es Doreen T. – ihr richtiger Name ist der Redaktion bekannt –, die Lehrerin an einer Schule in einem Nachbar-Landkreis ist und von den Impfangeboten für Kinder und Jugendliche in Sinsheim erfahren hat. Ihrer Ansicht nach wird das Thema "zu viel und auf der anderen Seite nicht tief genug" öffentlich diskutiert. Kinder ihrer Klasse hätten ihr schon erzählt, sie würden sich impfen lassen, um "nicht Außenseiter in der Familie zu sein".
Dabei könne niemand abschließend sagen, ob es sich "nur um einen harmlosen Piks" handle, von dem oft die Rede sei. Es fehle an Langzeiterfahrung mit den Impfstoffen, die eine Notfallzulassung haben. Hiermit Kinder zu impfen, wenngleich diese "kaum schwer an dem Virus erkranken" würden, hält T., die selbst zwei kleine Kinder hat, "als Mutter für unverantwortlich". Schwere Folgewirkungen, die erst in einigen Jahren auftauchen, habe es auch bei früheren Impfstoffen gegeben. Die Ungewissheit lasse sich "nicht so einfach wegdiskutieren".
Auch die Ständige Impfkommission (Stiko), die die Bundesregierung berät, hält sich mit einer generellen Empfehlung der Impfstoffe für Minderjährige zurück. Entgegen der Ansicht der Europäischen Arzneimittelbehörde, die die Vakzine im Mai für Kinder ab zwölf Jahren zugelassen hat, fehlt der Stiko "die notwendige Datensicherheit", wie von der Kommission noch am Montagmorgen erklärt wurde.
Nicht eindeutig zu klären, wenn auch auf ganz andere Art, war das Erlebnis von RNZ-Leser Rainer F. mit dem Sinsheimer Kreisimpfzentrum. "Na toll", schreibt der Befürworter der Impfung bei Kindern und Jugendlichen in ärgerlichem Tonfall nach einem Besuch in der Einrichtung mit seinem Sohn. Vor Ort habe er erfahren müssen, dass "nur die Impfstoffe für Erwachsene verimpft" würden. Ein Missverständnis? Beim Gesundheitsamt heißt es dazu auf RNZ-Nachfrage: "Sowohl am Samstag, wie auch am Sonntag, wurden Personen unter 18 Jahren geimpft."



