Warum der Wasserverbrauch überdacht werden sollte
Eindringliche Appelle - Immer trockener, immer früher

Von Tim Kegel
Sinsheim. Der Kraichgau ist sichtlich staubtrocken, Spalten und Risse klaffen auf unbefestigten Feldwegen. Währenddessen verändert die Corona-Krise das Freizeit- und Beschäftigungsverhalten der Menschen: Neu eingesäter Rasen wird gewässert, Autos werden vom Blütenstaub befreit; landwirtschaftliche Fahrzeuge werden auf Vordermann gebracht, private Schwimmbecken, Whirlpools und Jaccuzis für den Balkon gefüllt – man kann ja schließlich nicht in die Freibäder: eine besorgniserregende Lage. Am Mittwoch hat die Stadt Sinsheim daher – deutlich früher als sonst – auf den sorgsamen Umgang mit dem Trinkwasser hingewiesen.
Seit sechs Wochen hat es nicht geregnet. Oberbürgermeister Jörg Albrecht sagt, er müsse jetzt "als Stadtoberhaupt sensibilisierend dafür werben", den Trinkwasserverbrauch zu überdenken. Die Situation mache ihm "extreme Sorgen". Im vergangenen Jahr hatten die Kommunen ähnliche Töne angeschlagen, ergänzt Dezernent Tobias Schutz: "Allerdings im Hochsommer, nicht im April." Rechtzeitig wolle man einer Haltung vorbeugen, "dass das Wasser aus dem Hahn kommt", sagt Albrecht. Es gehe "um Verständnis für die Situation, nicht darum, etwas anzuprangern". Und man wisse darum, "dass es sich um gesellschaftliche Konfliktsituationen" handle.
Das bedeutet, es geht um die Summe: Wasser zum Wässern von Fußball- und Tennisplätzen, zum Sprängen der Rasen in Tausenden von Gärten. Zur Erfrischung, wenn Hunderte Daheimbleiber in Zeiten kaum möglichen Sommerurlaubs, ausfallender Stadt- und Dorffeste und geschlossener Badeanstalten ihre Mittage und Abende in Gartenpools verbringen. Solche stünden – da "immer günstiger im Baumarkt zu bekommen" – auf Sinsheimer Anwesen deutlich häufiger noch als vor wenigen Jahren. "Zwischen sechs und acht Kubikmeter Wasser" fasse ein Durchschnittsmodell, weiß Schutz. Verdunstungs- und nutzungsbedingt gehe man davon aus, dass solche Kleinpools "zwei-, eher dreimal pro Saison neu befüllt werden". Zum Vergleich: Eine Faustregel für den durchschnittlichen Wasserverbrauch pro Kopf und Jahr sprach noch vor wenigen Jahren von 35 Kubikmetern Trinkwasser.
Schutz relativiert: Der "weit überwiegende Teil" der Sinsheimer Sportplätze werde nicht mit Trink-, sondern mit Brauch- und Brunnenwasser bewässert, lediglich in Weiler sei dies nicht möglich; es gebe ein Netz öffentlicher Entnahmestellen, oft von Landwirten genutzt, die ebenfalls auf Brauchwasser setzten, das aus oberen Gesteinsschichten stammt. Dass der Wasserverbrauch privater Pools in der Corona-Krise Freibad-Größenordnungen erreicht, sei auszuschließen. In Bädern werde viel mit Wasseraufbereitung gearbeitet, außerdem falle in diesem Jahr der enorme Wasserverbrauch der Duschen und Toiletten der Einrichtungen weg, und auch etliche Gewerbebetriebe verbrauchten zur Zeit deutlich weniger Wasser.
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Dieses stammt im Sinsheimer Stadtgebiet von mehreren Versorgern, darunter ist Rheinwasser der Hohberg-Gruppe, Wasser der Bodensee-Wasserversorgung sowie Eigenwasser. Die Abnahme-Kontingente könnten allerdings "nicht ohne Weiteres erhöht werden", sagt Albrecht, was auch technische Gründe habe. Da der Kraichgau von jeher als Wassermangelgebiet gelte, müsse man jetzt bereits "Konzepte für die kommenden 20 bis 30 Jahre erarbeiten", sagt Schutz. Allein mehr Brunnen zu bohren, löse das Problem seiner Ansicht nach nicht, da hierdurch nur "derselbe, sinkende Grundwasserhorizont erschlossen werden würde".
Und: Grundwasser entstehe im Herbst und Winter. Ein verregneter Sommer würde zwar der Vegetation helfen, nicht jedoch dem Grundwasserspiegel. Bedenklich stimmt Schutz, "dass wir jedes Jahr früher an den Punkt kommen, an dem wir diese Diskussion führen müssen". Nun wolle man früh ans Verständnis der Bevölkerung appellieren. Hierdurch erhoffe man sich, den Wasserverbrauch nicht reglementieren zu müssen: "Letztes Jahr waren wir kurz davor." Die Trockenheit birgt aber auch eine hohe Waldbrandgefahr. Jetzt hat der Rhein-Neckar-Kreis die Nutzung sämtlicher Grillplätze untersagt, nachdem es in Nordrhein-Westfalen bereits zu verheerenden Feuern gekommen ist – angefacht durch böigen, mitunter stürmischen Nordostwind. 2019 waren ähnliche Warnungen des Kreisforstamts Mitte Juli ergangen.



