Nachwuchs

25.000 junge Bäume werden im Sinsheimer Stadtwald gesetzt

Die Bestände haben es bitter nötig: Die "Grüne Lunge" der Stadt hat mittlerweile Flecken bekommen.

19.04.2020 UPDATE: 22.04.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 39 Sekunden
Der Baumnachwuchs – hier eine Elsbeeren-Jungpflanze – liegt den Förstern Rüdiger Keller (r.) und Philipp Schweigler am Herzen. Sie sollen den Wald der kommenden Generationen bilden. Ein schwieriges Unterfangen. Foto: Tim Kegel

Von Tim Kegel

Sinsheim. Schmetterlinge, Insekten und die eine oder andere seltene Wildpflanze, die hier wegen des zusätzlichen Lichts hochkommen, sind ein positiver Effekt, auf den Forstrevierleiter Rüdiger Keller lieber verzichten würde. "Wenn längerfristig alles gut wäre", dann wären auch diese plötzlichen Lichtungen im Wald willkommen. Ist es aber nicht: Die sauber hergerichteten, kahlen, großen umzäunten Stellen im Stadtwald – wie die am Hasenlaufweg beim Trimm-Dich-Pfad – sind Aufforstungen. Im früheren Eschen-Bestand, direkt am beliebten Freizeit-Wander- und Sportpfad der Sinsheimer, wurden rund 1500 Jungbäume gepflanzt.

Vier davon gibt es in Eschelbach, aber auch in Hoffenheim, Hilsbach und am sogenannten "Angellocher Feld": Aufgeforstet wurde an etlichen Orten im Großen Wald, jenen zusammenhängenden 2000 Hektar, die ziemlich genau zwischen den Sinsheimer Stadtteilen liegen. Denn diese Grüne Lunge hat Flecken, solche wie am Hasenlauf. Wie viele Punkte es genau sind, wissen Keller und Forstinspektor Philipp Schweigler nicht aus dem Steckreif: "Es gibt so viel zu tun, dass man am Ende macht und macht und macht."

Erst die Trockenheit, dann die Insekten, dann die Schwächung der Bäume, dann Feuchtigkeit, dann Pilze, dann Sturm – so klingt seit Jahren das alte Lied im Forst. Durch die Verkettung gingen erst die Fichten zurück, dann die Eschen, mittlerweile sind auch Ahorne und die Kraichgau-Hauptbaumart Buche gefährdet. Man reagiere mehr, als man agiere, schildern Keller und Schweigler, die zurzeit noch Sturmholz der Winterstürme sichten und bergen, während sie nach pilzgeschwächten Stämmen und Borkenkäfern Ausschau halten. Nebenher haben sie "rund 20- bis 25.000" junge Bäume gepflanzt: "Man muss ja in die Zukunft denken."

Doch wie die ausschaut, das könnten Förster heute längst nicht mehr so einfach abschätzen, wie ihre Vorgänger-Generationen vor 50, 100 und 150 Jahren. "Aber in solchen Zeitspannen müssen wir denken." Die Sinsheimer der Zukunft würden einen Stadtwald als Lebens-, Rückzugs-, Wirtschafts- und Erholungsraum schließlich genauso brauchen.

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Aufgeforstet wird mit Baumarten, die in Deutschland bewährt sind. Am Hasenlauf wurden kleine Trauben-Eichen, Elsbeeren, mitunter auch Baumhaseln gepflanzt. "Wir setzen auf die Bäume, die wir kennen", sagt Schweigler. Noch sei man zurückhaltend mit mediterranen Arten, wenn es darum geht, Bäume in einer ansehnlichen Zahl "auf die Fläche zu bringen".

Und was Laien nicht wissen: Bei ihrer Arbeit gehen Förster durchaus trickreich vor. Hainbuchen, erläutert Keller, werden bei der Aufforstung als "dienende Baumart" genutzt, die mit ihrem – verkürzt dargestellt – dichten Wuchs für Schatten sorgt und dafür, dass andere Arten in die Höhe wachsen müssen und dadurch weniger oft am Stamm selbst austreiben, während sie dem Licht zustreben. Hierdurch erhofft man sich lange, gerade und besser verwertbare Stämme mit weniger Seitentrieben. Im Forstjargon dient eine "dienende" Art der "Schaftreinigung". Auch hieran denken Forstwirte so nebenbei.

Die Jungbäume, die die Förster bei Pflanzschulen kaufen, sagt Schweigler, seien dieses Jahr "trotz unserer guten Kontakte von minderer Qualität". Die Setzlinge am Hasenlauf wirken kurz und filigran und sind mit dem bloßen Auge für den Laien kaum sichtbar. Hieran spüre man "die immense Nachfrage", was eindeutig auf ein landes- und weltweites Problem angesichts einer schnell fortschreitenden Veränderung der klimatischen Bedingungen schließen lasse. Einfache Zäune wurden um die Aufforstungen herum gezogen, damit die Rehe keinen Schaden anrichten können. Die Wildtiere fressen junge Triebe in reichhaltigen Beständen am liebsten. Der Pflegeaufwand der Aufforstungen ist hoch: Bei Bedarf werden Trupps mit Motorsensen anrücken und schnell wachsende Brombeeren und Brennnesseln – den Jungpflanzen zuliebe – stutzen. Wann es soweit ist, auch hierauf haben die Förster ein waches Auge.

Zum Teil, sagt Schweigler, habe man es bereits im Winter geschafft, so viel des angeschlagenen Bestands zu fällen, "dass die Eiche es schafft", sich natürlich – über austreibende Eicheln im Boden – von selbst zu verjüngen.

So sind im Stadtwald etliche größere Lichtungen entstanden, die einen idealen Lebensraum für Insekten und ein Verbreitungsgebiet für seltenere Wildpflanzen bieten. "Für den Gesamtwald ist das eher negativ", klärt Keller auf. Viele lichte Freiflächen wirkten sich aufs Kleinklima im schattigen Wald aus. Keller spürt es auch bei Spaziergängen in der Freizeit: "Wenn du früher bei 30 Grad im Sommer in den tiefen Wald bist, dann war’s kühl. Heut ist das nicht mehr ganz so."

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