Traditionsgaststätte wird ausgebeint
Sanierung des Areals hat begonnen - An Herausforderungen mangelt es nicht

Schweißtreibende Handarbeit ist beim Abbruch einiger Gebäudeteile im Innenhof gefragt. Links sind die Überbleibsel des ehemaligen Kinos zu sehen, dessen Dach schon vor Jahren aus Sicherheitsgründen abgerissen werden musste. Fotos: Armin Guzy
Von Armin Guzy
Eppingen. "Das wird ein großes Projekt", sagt Benedikt Borner und zeigt auf einen maroden Holzbalken an der Grenze zum Nachbargebäude, "da können Sie locker einen Meterstab durchstecken." Kaputtes Holz auch im Dachgeschoss, dazu schiefe Wände und Böden, abenteuerliche Versorgungsleitungen und eine unfertige Zwischenwand, deren Sinn sich auch dem Experten nicht erschließt. Die Sanierung des einstigen Gasthauses Rössle am Marktplatz wird offenkundig eine Herausforderung. Vor wenigen Tagen haben die Arbeiten begonnen.
Für Borner von der Firma JaKo Baudenkmalpflege ist es nicht nur ein großes Projekt, sondern auch das erste in seiner Verantwortung: Im Januar hat der 24-Jährige den Meisterbrief der Zimmerer erhalten, entsprechend ambitioniert geht er an den Rössle-Umbau heran.
Wobei aktuell nur von Ausbau die Rede sein kann. In den kommenden drei Wochen werden Anbauten abgebrochen, marode Decken und Böden entfernt, erhaltenswerte Stücke gesichert und Schutthaufen entsorgt. Zudem wird das ehemalige Kino, dessen Saal im Dachgeschoss einer früheren Scheune schon vor Jahren abgerissen wurde, nun gänzlich plattgemacht.
Von 1929 bis 1980 flimmerten hier die Bilder auf der Leinwand, küssten sich Teenies im Halbdunkeln, während sich im Gastraum nebenan die Gäste bei Bier, Darts und Kartenspiel vergnügten. Das Rössle war eine Institution in Eppingen, bis es vor Jahrzehnten aufgegeben wurde und zusehends verfiel. Nur die geschnitzte Eingangstüre zur einstigen Gaststätte und die goldene Pferdefigur an der Hausecke zeugen weiterhin von der glanzvollen Ära, an der vor allem die Brauereifamilie Zorn ihren Anteil hatte.
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Trotz der prominenten Lage im Stadtzentrum fand sich niemand, der das Gebäude aus dem Dornröschenschlaf wecken wollte. Schließlich kaufte die Stadt das denkmalgeschützte, mehr als 300 Jahre alte Haus, um zumindest den Bestand zu sichern. 2009 musste allerdings der einsturzgefährdete Kinosaal abgerissen werden. Pläne, die Gastronomie wieder aufleben zu lassen oder das Rössle in eine kleine Shopping-Mall zu verwandeln, scheiterten.
Erst Anfang 2017 fand sich mit der JaKo GmbH aus dem oberschwäbischen Rot an der Rot ein Investor, der auch die angrenzenden Gebäude Kirchgasse 3 und 5 kaufte und genügend Erfahrung in der Sanierung historischer Bausubstanz mitbrachte. Nun also stellen sich Borner und seine Männer den "wilden Veränderungsmaßnamen" früherer Jahre, die der Statik des Hauses nicht eben zuträglich waren, und leisten dabei reichlich Handarbeit. "Das Haus hat viele Bauphasen mitgemacht", sagt der Zimmerermeister beim kurzen Rundgang durch die verwinkelten Ebenen, "aber wir sind auf sowas spezialisiert."
Wenn der Schutt weggeräumt ist, wird eine Fernwärmeleitung eingezogen, dann ein Kran in den Innenhof gestellt und in fünf bis sechs Wochen mit der eigentlichen Sanierung begonnen. Im Innenhof sind ein Anbau und Parkplätze vorgesehen.
In den Gebäuden Kirchgasse 3 und 5, die aus dem Jahr 1900 stammen, werden sechs Wohnungen entstehen, und das Rössle wird zu einer Zahnarztpraxis mit darüberliegender Wohnung umgebaut. Die klassisch gegliederte Backsteinfassade aus der Zeit um 1870 bleibt weitgehend erhalten.
Ende des kommenden Jahres, so Borner, sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Er freut sich auf die Herausforderung, hat aber auch Respekt davor. "Eigentlich ist das Haus gut gebaut", sagt er, aber unangenehme Überraschungen sind bei solch alten Gebäuden auch immer drin.



