Neckarsulm

Wie aus 15.000 Einzelteilen ein Audi A6 entsteht

Vom Presswerk zur Endmontage: Im Rahmen der RNZ-Sommertour besichtigten Leserinnen und Leser das Audi-Werk.

12.09.2025 UPDATE: 12.09.2025 04:00 Uhr 3 Minuten, 37 Sekunden
Damit die Audi-Mitarbeitenden die Bremsleitungen am Unterboden nicht über Kopf anbringen müssen, werden die Autos in diesem Abschnitt der Montage geneigt, erklärte Tour-Guide Erwin Göbbel (mit Mikrofon) den Teilnehmenden der RNZ-Sommertour. Fotos: Christian Beck

Von Christian Beck

Neckarsulm. Wenn im Presswerk Stempel und Matrize ein Bauteil aus Stahlblech bearbeiten, rumpelt und zischt es nicht nur: Wer daneben steht, spürt die Kräfte, die wirken, als Vibration im ganzen Körper. Wenn Schweißroboter Teile der Karosserie mit 400 Volt verbinden, spritzen die Funken. Am Ende der Fertigungslinie riecht es ein wenig nach der Bremsflüssigkeit, die gerade ins Auto gefüllt wird.

Und zwischendrin ist es für ein großes Werk auch mal erstaunlich still. Mit fast allen Sinnen erlebte eine Gruppe von Leserinnen und Lesern im Rahmen der RNZ-Sommertour, wie Audi-Modelle im Neckarsulmer Werk gebaut werden. Und sie kamen beim Prozess von den Stahlblechrollen bis zum fertigen Audi A6 immer wieder ins Staunen.

> Werkleiter Fred Schulze persönlich begrüßt die RNZ-Leserinnen und Leser im Audi-Forum und stellt den mehr als 150 Jahre alten Standort Neckarsulm kurz vor: Zunächst wurden dort Strickmaschinen hergestellt, dann Fahrräder, später Mopeds, darunter die berühmte Quickly. Das mündete schließlich in den Bau von Autos, zunächst unter der Marke NSU, seit langer Zeit nun Audi. Auf 1,3 Millionen Quadratmetern erstreckt sich das Werksgelände, es ist 800 Meter breit und drei Kilometer lang – laut Schulze "relativ groß und trotzdem zu klein".

Was die Fläche anbelangt, habe man alles ausgereizt, teilt er auf Nachfrage eines Lesers mit – selbst die Fertigung geschehe in mehreren Stockwerken, was technisch und architektonisch sehr anspruchsvoll sei. Es sei aber noch möglich, mit Sonderschichten die Produktion zu erhöhen.

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Wie groß das Werksgelände tatsächlich ist, bringt eine Besonderheit zum Ausdruck: Da die Wege weit sind, steigen die Teilnehmenden mehrfach in den Bus, um zu verschiedenen Bereichen gefahren zu werden.

> Im Presswerk wird das Stahlblech von tonnenschweren Rollen, sogenannten Coils, abgewickelt, zugeschnitten und eben gepresst. Ein Bauteil durchläuft mehrere Stationen, immer wieder bewegen sich Stempel und Matrize in großer Geschwindigkeit und mit Wucht aufeinander zu. "Das funktioniert im Prinzip wie ein Waffeleisen", erklärt Tour-Guide Erwin Göbbel. Fasziniert beobachten die Leserinnen und Leser durch Fenster, wie in einem automatisierten Prozess ein hinterer Dachrahmen entsteht.

> Im Karosseriebau sausen und surren Roboter-Arme an Gebilden entlang, die schon vage nach Auto aussehen. Sie schweißen, kleben, nieten oder falzen, um Bauteile miteinander zu verbinden. Später tragen sie Kleber auf, der sicherstellt, dass Wasser nicht dort eindringt, wo es nichts zu suchen hat. Bauteile werden fixiert. Alle 60 Sekunden fährt ein im Bau befindliches Auto weiter. Leser Siegfried Mildenberger aus Eichelberg verfolgt das Roboter-Ballett mit Interesse. "Science-Fiction" sagt er dazu und grinst.

Parallel zur Karosserie wird der Antriebsstrang zusammengebaut.  Foto: Christian Beck

> Frisch lackiert, werden die Türen der Autos wieder abmontiert – sie wären beim Einbau des Teppichbodens oder des Armaturenbretts im Weg. Parallel zur Karosserie wird ein Stockwerk darunter der Antriebsstrang montiert. "Hochzeit" nennt sich die Verbindung von Karosserie und Antrieb. Was bei Menschen oft romantisch und ausführlich zelebriert wird, dauert im Gebäude A13, der größten Montagehalle des Neckarsulmer Audi-Werks, gerade einmal 88 Sekunden. Danach werden die Sitze eingebaut und die Räder montiert, je nach Kundenwunsch in den verschiedensten Ausführungen.

> Lkw im zweiten Obergeschoss sieht man selten – im Neckarsulmer Audi-Werk geschieht dies hundertfach pro Tag. "An der Fertigungslinie haben wir Material für eine Stunde", berichtet Göbbel. Der Nachschub darf also nie abreißen.

Immer wieder werden neue Teile herbeigefahren. Sie müssen nicht nur zur passenden Zeit, sondern auch in der richtigen Reihenfolge eintreffen: Auf einem Wagen befinden sich drei Stoßstangen – zwei schwarze, eine graue.

> "Finish" nennt sich der letzte Abschnitt der Montage: Alle Stecker und Leitungen werden verbunden, an manche Autos wird eine Anhängerkupplung angebracht. Während manche Mitarbeiter außen am Auto schrauben, werkeln andere im Inneren. Um unter anderem die Bremsleitungen an der Unterseite der Autos zu montieren, werden die Fahrzeuge in der Fertigungsstraße geneigt – so müssen die Mitarbeitenden nicht über Kopf arbeiten.

Beim „Finish“ werden unter anderen alle Stecker und Leitungen verbunden.

Die Türen, mittlerweile mit Innenleben wie Fensterheber oder Lautsprecher ausgestattet, kommen wieder dran. Schließlich werden Flüssigkeiten wie Diesel oder Benzin und Bremsflüssigkeit eingefüllt. Aus 10.000 bis 15.000 Einzelteilen ist ein fertiges Auto entstanden.

> "Das war wunderbar", sagt Robert Allgeier aus Hoffenheim noch ganz beseelt von der Führung. Er hat viele Jahre im Neckarsulmer Audi-Werk gearbeitet. "Es hat sich mittlerweile so viel geändert", erzählt er, und berichtet von einem besonderen Zusammentreffen: Am Ausgang der Montagehalle hat er einen alten Kollegen getroffen und einen netten Plausch gehalten.

Jener sei damals ganz neu gewesen, Allgeier habe ihm so manches gezeigt. Mittlerweile arbeite der Neuling von einst in verantwortungsvoller Position, berichtet Allgeier mit ein wenig Stolz in der Stimme.

Überrascht von der Komplexität der Arbeitsschritte und den logistischen Herausforderungen zeigt sich Michael Willfarth aus Epfenbach, der mit seinem Sohn an der Sommertour teilgenommen hat. Siegfried Mildenberger aus Eichelberg fand vieles so spannend, dass er an manchen Stellen gerne noch länger zugeschaut hätte. Ausgezeichnet hat es Gerd Schaaf aus Sinsheim-Rohrbach gefallen. Er habe bereits an einer Führung im VW-Werk in Dresden teilgenommen. Jene in Neckarsulm sei aber viel ausführlicher gewesen.

> Wie geht es bei Audi weiter? 15.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind im Neckarsulmer Werk tätig, teilte Ulla Wiesentheit mit, Leiterin des Bereichs Kommunikation am Standort. "Viele Mitarbeitende kommen aus dem Verbreitungsgebiet der RNZ", betont sie. Künftig soll die Mitarbeiterzahl mithilfe von Altersteilzeit und Vorruhestandsregelung etwas reduziert werden, teilt Schulze auf Nachfrage eines Lesers mit.

"Wie weit ist die Wasserstoff-Entwicklung?" will ein anderer Leser wissen. Für Autos ist das nach Ansicht von Schulze keine Technologie für die Zukunft, man setze auf Strom. Bis ein Auto erhältlich ist, durchläuft es einen längeren Entwicklungszeitraum. Welche Fahrzeuge sich die Menschen in sieben oder Jahren wünschen, sei eine spannende Frage.

Dies zu beantworten, traue aber selbst er sich nicht zu, teilt der Werksleiter mit. Er bezeichnet den Standort aber als hervorragend gewappnet, um sowohl Autos mit Verbrennungsmotor als auch mit Elektroantrieb zu produzieren: "Wir können auch beides gleichzeitig bauen."

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