Kraichgau/Sinsheim

Deshalb ist die Situation im Wald wieder angespannt

Förster sprechen von "Angst und Sorge" - Auch Buche ist gefährdet

01.09.2019 UPDATE: 05.09.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 56 Sekunden

"Es wird lichter", sagt Forstbezirksleiter Philipp Schweigler beim Blick ins Kronendach. Das zweite Jahr in Folge leidet der Wald unter der Trockenheit. Inzwischen sterben selbst manche Buchen ab. Foto: Tim Kegel

Von Tim Kegel

Kraichgau/Sinsheim. Die Befürchtungen aus dem vergangenen Jahr haben sich bewahrheitet: In Kraichgauer Wäldern stehen die Förster vor Schäden nie gekannten Ausmaßes. Warme und heiße Monate mit wenig Niederschlägen haben zu massiven Käfer- und Trockenproblemen geführt. Inzwischen steht fest, dass der Kraichgauer Wald sein Gesicht stark verändern wird.

Das Jahr 2019 erinnert Förster bedrückend stark ans "Rekordjahr" 2018: Lediglich einer von acht abgelaufenen Monaten - nämlich der Mai - war kälter als der langjährige Durchschnitt; der Rest war deutlich wärmer, sagt Philipp Schweigler, Forstbezirksleiter Kraichgau des Rhein-Neckar-Kreises. Ähnlich verhalte es sich bei den Niederschlagsmengen. Die Daten hat er von der Mannheimer Wetterstation, sie seien "auf den Kraichgau übertragbar".

Von einem "historischen Höchststand an Schadholz" spricht die Evangelische Stiftung Pflege Schönau, der große Flächen im Sinsheimer Stadtwald sowie im restlichen Kraichgau bis Heidelberg gehören. Als Stiftung müsse man zwar den wirtschaftlichen Schaden im Blick haben, erläutert Steffen Ellwanger, Förster der Pflege Schönau. Dennoch sei "klar, dass die Schädigung der Natur die eigentliche Katastrophe" sei. Deren Auswirkung "gar nicht zu beziffern ist", wird Ellwanger deutlich.

"Die Veränderungen machen uns Angst und Sorge", sagt auch Philipp Schweigler. Große Probleme bereite der Borkenkäfer in nahezu allen Wäldern. An eine Quantifizierung sei noch gar nicht zu denken, man könne lediglich umschreiben und abschätzen. Schweigler spricht allein im Kraichgauer Wald von einem "Befall an zig Stellen"; betroffen seien Flächen bis zur Größe von Fußballfeldern. In seinem Zuständigkeitsbereich von Wiesloch über Angelbachtal, Sinsheim, Waibstadt bis Helmstadt gebe es "locker über 20" solcher Käferflächen - "es könnten 40 sein oder 50", sagt Schweigler mit ernstem Unterton. Und es ist erst Spätsommer, gibt er zu bedenken: "Da wird noch was kommen."

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Pflege Schönau-Förster Ellwanger rechnet vor: Insgesamt habe die Stiftung bis Ende Juli auf ihren 7500 Hektar im Odenwald, Kraichgau und Schwarzwald rund 33.200 Festmeter Holz geerntet. Davon sei jedoch nur etwa die Hälfte planmäßig eingeschlagen worden. Die andere Hälfte des Holzes habe aufgrund der Schäden, hauptsächlich der Insekten, geschlagen werden müssen. Vor zehn Jahren habe der Anteil an Käferholz an der gesamten Jahresernte lediglich 2,6 Prozent betragen. Eine Entwicklung, die, sagt Ellwanger, "die Stiftung und alle anderen Waldbesitzer und Forstbetriebe vor dieselben großen Herausforderungen" stelle.

Der Sinsheimer Stadtwald sei, wie Kreis-Förster Philipp Schweigler schildert, vom Borkenkäfer noch vergleichsweise wenig betroffen. "Was uns Sorgen macht", sagt er, "ist die Buche." Diese sei hier immerhin die Hauptbaumart, "der Baum schlechthin in dieser Region". Über Jahrhunderte sei es schlicht unvorstellbar gewesen, dass ausgerechnet die Buche abstirbt, schildert Schweigler, da die Art als unproblematisch galt. Inzwischen hätten Buchenbestände im südlichen Kraichgau von Sinsheim über Angelbachtal bis Mühlhausen massiv gelitten.

Dies binnen kürzester Zeit: Noch im Oktober 2016 hatte Schweigler dem Sinsheimer Gemeinderat berichtet, dass der Stadtwald in guter Verfassung sei: "Schädlinge, Stürme und Trockenheit waren 2016 kaum Thema", hieß es seinerzeit. "Der Wald gerät an seine Grenzen", sagt Schweigler nun. Und Buchen sterben langsam. "Ein partielles Absterben", nennt es Schweigler, das in der Krone beginne und zunächst nur Teile des Baums betreffe.

Die anfallende Menge abgestorbener Bäume lasse sich daher zurzeit kaum abschätzen. Für Schweigler steht fest, dass sich der Einschlag in diesem Jahr lediglich auf die Bäume beschränken werde, "die sowieso schon geschädigt oder abgestorben sind".

Mittelfristig, das schildern beide Förster, müsse man Lösungen finden, um den Wald nachhaltig resistenter gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu machen. Ein schonender Umbau des Baumbestands hält in den Wäldern Einzug: Klimatolerantere Arten wie Douglasie, Tanne, Eiche, versuchsweise auch Baumhasel werden verstärkt gepflanzt oder in bestehenden Beständen naturverjüngt; die Fichte wird reduziert.

Die Douglasie, auf die die Pflege Schönau schon seit den 1970er-Jahren setzt, hat auch ihre Risiken, etwa dass Borkenkäfer mit der Zeit auch diese Baumart annehmen. Die Kreis-Förster haben gerade auf Sinsheimer Gebiet Versuche unternommen, die Eiche stärker zu fördern.

Ort des Geschehens

In den Sägewerken käme es durch den massiven Holzeinschlag zum Preis-Dumping. Außerdem bringe das Überangebot an Holz die Sägewerke an die Grenzen ihrer Kapazität, sie könnten kein Holz zur Weiterverarbeitung mehr annehmen. Um Abhilfe zu schaffen, hat die Pflege Schönau Zwischenlager eingerichtet. Die Lager befinden sich in Fahrenbach im Odenwald und in Neckarbischofsheim. Hier werden große Mengen des geernteten Holzes trocken zwischengelagert: "Wir sind gezwungen, die geschädigten Bäume zu fällen, können sie aber nicht im Wald belassen, da die Käfer sonst noch gesunde Bäume befallen würden. Da die Sägewerke zum Teil nichts mehr abnehmen, mussten wir diese Lösung finden", erklärt Steffen Ellwanger.

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