"Schutz müssen wir vor Umsatz stellen"
Gemmingen und Bad Rappenau bereiten sich auf Saisonstart am 15. Juni vor - Unterschiedliche Ticketsysteme

Von Falk-Stéphane Dezort und Armin Guzy
Bad Rappenau/Gemmingen/Eppingen. 2020 ist alles anders. Das Corona-Virus hat auf alle erdenklichen Teile des Lebens seine Auswirkungen. So auch auf die Freibad-Saison. Normalerweise würden landauf landab schon seit einigen Wochen Jung und Alt ihr Heil im kühlen Nass suchen.
Doch aufgrund des sogenannten Lockdowns musste der Saisonstart auf unbestimmte Zeit verschoben werden, lange war nicht klar, ob die Freibäder in der Region in diesem Jahr überhaupt öffnen dürfen. Diesbezüglich gab es in der vergangenen Woche aus Stuttgart Entwarnung.

Die Badesaison kann in Kürze starten. Trotz der baldigen Öffnungen muss allen aber eines klar sein: Das Badevergnügen ist in diesem Jahr nur mit erheblichen Einschränkungen möglich. Während in Sinsheim bereits voraussichtlich ab Dienstag, 9. Juni, wieder geschwommen werden darf, planen sowohl das "Rappsodie"-Freibad in Bad Rappenau als auch das Imre-Gutyan-Freibad in Gemmingen mit einem Start am Montag, 15. Juni.
> In Bad Rappenau wird momentan die Sole in das Wellenbecken gefüllt, und auch einige Vorgaben aus der vorläufigen Verordnung der Landesregierung wurden bereits umgesetzt, erklärt Rappsodie-Betriebsleiter Timo Künzel im Gespräch mit der RNZ. So habe man Abstandsmarkierungen angebracht, Schilder aufgestellt und in den Umkleidebereichen eine Einbahnstraßenregelung vorbereitet. Die Rutschen bleiben zunächst gesperrt.
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In Bad Rappenau sollen die Gäste in diesem Sommer in zeitlichen Blöcken in den Genuss der Abkühlung kommen. Das heißt, Interessierte buchen sich vorab online unter Angabe ihrer Kontaktdaten ihr Ticket für ein bestimmtes Zeitintervall an einem bestimmten Tag – bezahlt werden soll hierbei nach Möglichkeit auch per Internet.
Wie lange ein solches Intervall ist und wie viele Blöcke das Rappsodie am Tag anbiete, ist noch nicht final geklärt. "Wir sind in der letzten Abstimmung mit der Stadt", sagt Künzel. Entweder sollen täglich drei Zeitblöcke á dreieinhalb oder vier Blöcke á zweieinhalb Stunden Badezeit angeboten werden.
Zwischen zwei Zeitblöcken sollen in der Freizeiteinrichtung Umkleiden, Handläufe und weitere neuralgische Punkte desinfiziert werden. "Wir wollen, dass sich hier keiner mit Corona infiziert und mit dem Finger auf uns gezeigt werden kann."
Für jedes Zeitintervall gibt es auch eine Obergrenze an Gästen. Anstelle von üblicherweise 3500 Badegästen, die zeitgleich das Rappsodie besuchen könnten, passen in diesem Sommer nur maximal knapp 500 Besucher ins Bad. Rund 250 von ihnen dürfen gleichzeitig ins Wasser. "Wir gehen noch nicht das Maximum. Wir wollen vorsichtig starten. Wenn man das Konzept gut umsetzt, dann können wir auch erhöhen", erklärt Künzel. Denn: "Den Schutz unserer Gäste und Mitarbeiter müssen wir vor den Umsatz stellen."
Kapazitätsgrenzen gibt es auch im Kleinkind- und Spielbereich. Das alles zu kontrollieren wird sehr personalintensiv, ist sich der Betriebsleiter sicher. Neue Mitarbeiter einstellen will das Rappsodie allerdings nicht, Personal aus anderen Bereichen soll eingesetzt werden. Künzel weiß aber auch, "das ist alles andere als rentabel. Damit wird die Stadtkasse enorm belastet." Er hofft, dass sich die Badegäste an die Vorgaben halten und man niemanden aus dem Bad werfen muss.
> In Gemmingen werden anders als in Bad Rappenau in diesem Jahr ausschließlich Jahreskarten verkauft. Diese sind auf 700 limitiert und können auch nur von einem eingeschränkten Personenkreis erworben werden. Kaufberechtigt sind Einwohner der Gemeinde Gemmingen und Stebbach sowie des Verwaltungsraums Eppingen und Ittlingen und Personen aus anderen Orten, die bereits in Vorjahren im Besitz einer Dauerkarte waren. Formulare zur Ticket-Bestellung sind ab heute auf der Gemeinde-Homepage www.gemmingen.net abrufbar. Mit dem Kauf der Karten müssen die Konditionen für die einschränkenden Öffnungsbedingungen unterschrieben und akzeptiert werden.
Die Obergrenze im Imre-Gutyan-Freibad liegt bei 350 Gästen von denen zeitgleich nur 100 ins Wasser dürfen. Um das entsprechend zu kontrollieren wurde bereits eine neue Stelle als eine Art Ferienjob ausgeschrieben. Bei Überschreitung der maximalen Schwimmerzahl soll es eine Durchsage geben, erklärt Rathausmitarbeiterin Jennifer Bastian auf Nachfrage. Damit niemand sich unnötig auf den Weg zum Freibad macht, sollen auf der Gemeinde-Homepage im Minutentakt die Besucherzahlen angegeben werden. Diese ermittelt das Bad über den Barcode, der auf jeder Jahreskarte aufgedruckt ist. Jeder Besucher – bei Familien auch jedes Kind – benötigt eine solche Einlasskarte. Der Beachvolleyballplatz und die Kinderspielgeräte auf der Wiese bleiben geschlossen, der Sprungturm hingegen wird geöffnet. Wie in Bad Rappenau soll auch in Gemmingen die Gastronomie öffnen. Letzte Details gelte es aber noch zu klären.
> Eine wirkliche Alternative zu den Freibädern gibt es auch in der freien Natur bislang nicht. Denn wer sich angesichts dieser Einschränkungen lieber in einem der beiden Badeseen im Eppinger Stadtgebiet vergnügen möchte, kann Bikini oder Badehose getrost im Schrank lassen. "Mindestens bis 15. Juni wird an den Seen nichts gelockert", sagte Cathrin Leuze, Pressesprecherin der Stadt Eppingen auf Nachfrage. Die Stadt habe zwar eine eigene Allgemeinverfügung erlassen, orientiere sich aber, wie viele Kommunen, an der Linie des Landkreis Heilbronn. Vor einer wie auch immer gestalteten Öffnung der Eppinger Seen wolle sich die Verwaltung der Fachwerkstadt noch mit der Kreisverwaltung abstimmen und wichtige Fragen klären.
Dort ist die Linie bislang klar: Beispielsweise gilt an den beliebten Badegewässern "Ehmetsklinge" bei Zaberfeld und Breitenauer See bei Löwenstein nach wie vor ein Badeverbot, und die Liegewiesen sind gesperrt. Gleichwohl war es am Breitenauer See am Pfingstsonntag zu einem Badeunfall gekommen, bei dem ein 17-Jähriger fast ums Leben gekommen wäre und reanimiert werden musste.
An allen Seen wird zwar regelmäßig kontrolliert, sie wie Freibäder per Zaun abzusperren wäre aber ein immenser Aufwand – und das in Zeiten, in denen die allermeisten Kommunen ohnehin ihre Ausgaben drosseln müssen. Außerdem wäre selbst mit dem Bau eines Zauns die Themen Einlasskontrolle, Hygienekonzept und Überwachung noch längst nicht geklärt. Die Kommunen und Kreise schauen nun nach Stuttgart. Eine Empfehlung oder gar Entscheidung der Landesregierung lässt aber bislang auf sich warten.