Eppingen

Corona macht sich auch im Wald bemerkbar

Der Ertrag sinkt, die Kosten steigen, und der Holz-Export ist durch die Pandemie mit bislang unbekannten Fragezeichen versehen

09.11.2020 UPDATE: 10.11.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 33 Sekunden
Nicht nur im Eppinger Stadtwald werden Holzernte und Pflege neu gesetzter Jungbäume immer aufwendiger. Da zugleich der Verkaufspreis manche Holzarten eingebrochen ist, wird die Waldwirtschaft zunehmend zu einem Verlustgeschäft für die Kommunen. Foto: Armin Guzy

Von Armin Guzy

Eppingen. So schön ein Spaziergang im Wald für die steigende Zahl an Besuchern auch ist, und so groß seine Bedeutung für ein stabiles Klima, so wichtig ist auch, dass er Ertrag abwirft. Das hat der Eppinger Kommunalwald in den zurückliegenden Jahrzehnten auch zuverlässig getan. Die Betonung liegt inzwischen aber auf "hat", denn diese Ära ist wohl auf Jahre hinaus vorbei. Den Wald zu erhalten, das ist für die Stadt mittlerweile ein Zuschussgeschäft.

Im laufenden Jahr wird mit einem Defizit von rund 160.000 Euro gerechnet, das die Kommune ausgleichen muss, im kommenden Jahr wird sich das Minus voraussichtlich auf 245.000 Euro weiter erhöhen. Ob und wann die Waldbewirtschaftung zumindest wieder zu einer Nullsummen-Angelegenheit wird oder gar wieder Gewinn abwirft, können auch die Förster nicht sagen. Es gibt einfach zu viele Unbekannte und zu vielfältige Probleme, als dass jemand eine Prognose wagt.

Seit drei Jahren kämpfen nahezu alle heimischen Baumarten mit der Klimaerwärmung, vor allem aber die Buche leidet darunter sehr, die Hauptbaumart im Eppinger Wald. Jeder dritte Baum hier ist eine Buche. Entsprechend hart trifft es daher den Bestand, dass vor allem die alten Exemplare den steigenden Temperaturen nicht gewachsen sind und sich außerdem der Buchenborkenkäfer immer weiter verbreitet. Und eine Baumart, die die Ausfälle in vielen Jahrzehnten vielleicht ersetzen könnte, ist nicht in Sicht.

Forstdirektor Martin Rüter brachte die Misere in seinem Bericht für den Gemeinderat so auf den Punkt: Das – vermutete – Klima in den kommenden Jahren werde aus langen Trocken-, langen Nässe- und langen Hitzephasen bestehen. Und genau das mache die Suche nach einer Ersatzbaumart so schwer. "Das Wissen über die Eignung neuer fremdländischer Baumarten ist nicht vorhanden, da es das vermutete zukünftige Klima eben noch nirgendwo gibt", verdeutlichte der Forstdirektor und kommt zu dem Schluss: "Wir haben keinen Ersatz für die Buche." Und: "Es darf auch lichte Stellen im Wald geben, das fördert die Artenvielfalt."

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Gleichwohl werden die immer größer werdenden Kahlflächen wieder aufgeforstet, unter anderem mit Stiel- und Traubeneichen, mit Esskastanien, Weißtannen, Douglasie, Wildkirsche und Schwarznuss. Und auch 500 Türkische Tannen und 50 Zedern haben die Eppinger Förster für das kommende Jahr bestellt. Oft sind es Experimente mit ungewissem Ausgang, und pflegeintensive noch dazu. Auf rund neun Hektar summiert sich voraussichtlich die Fläche, auf der "Jungbestandspflege" nötig sein wird; mehr als 10.000 Jungbäume müssen wohl mit Manschetten und Zäunen geschützt werden, sonst gehen Rehe den zarten Pflänzchen an die Rinde.

Das alles ist zeitintensiv und kostet: Pro Hektar werden dem Forstamt zufolge alleine im ersten Jahr der Pflege mindestens 10.000 Euro benötigt, während zugleich der Ertrag aus dem Holzverkauf sinkt. Nach mehreren Stürmen und der Noternte wegen Käferbefalls gibt es seit 2019 so viel Fichtenstämme auf dem Holzmarkt, dass der Erlös pro Festmeter teilweise geringer war, als die Kosten für das Fällen und den Abtransport der Bäume. Immerhin ist laut Rüter aktuell eine Preiserholung spürbar.

Und auch die Corona-Pandemie ist längst im Eppinger Forst angekommen. Nicht etwa, weil Waldarbeiter oder Förster infiziert sind, sondern weil vor allem Buche und Esche aus dem Kommunalwald in großem Umfang nach Übersee exportiert werden und dort wegen der unabsehbaren Dauer der Virus-Krise kaum ein Abnehmer in China, Japan oder Indien noch langfristige Verträge schließen will. Bislang ist der Preis jedoch einigermaßen konstant geblieben.

Ein Lichtblick ist aktuell die Eiche, die mit 19 Prozent zweithäufigste Baumart in Eppingen. Die Nachfrage der Möbelindustrie ist weiterhin so groß, dass der Bedarf nicht gedeckt werden kann, selbst wenn man alle geernteten Eichenstämme im Landkreis zusammennähme.

Doch darin liegt zugleich ein weiteres Dilemma: Die Eiche zählt zu den Baumarten, die bislang noch am besten mit dem Klimawandel zurechtkommen. Sie jetzt in großer Zahl zu fällen, nur weil der Verkauf einen guten Preis verspricht, wäre alles andere als nachhaltig. Und doch wächst der Druck auf die Förster, angesichts steigender Ausgaben für die Waldbewirtschaftung auch die Einnahmeseite nicht zu vernachlässigen. Umso mehr, als die Kommunen gerade jeden Cent brauchen können.

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