Eppingen

Wald bringt Stadtkasse wohl erstmals sechsstelliges Minus

Zu viel Holz und ein ungewisser Weg - Kosten für Wiederaufforstungen deutlich gestiegen

19.06.2020 UPDATE: 23.06.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 54 Sekunden
Der Zustand des Eppinger Waldes ist nicht der beste: Sturm, Käfer und Pilze setzen den Bäumen zu, von denen bereits weit mehr gefällt werden mussten, als geplant war. Foto: Guzy

Von Armin Guzy

Eppingen. Immer mehr Holz aus dem Eppinger Stadtwald ist für den Allerwertesten. Viele der eigentlich wertvollen Stämme taugen – umgeknickt von Sturmtief "Sabine", von Borkenkäfern befallen oder von Pilz zerfressen – nur noch als Industrieholz, werden also geschreddert und zu Papier, Kartons und Zellstoff verarbeitet. Möglicherweise halten Sie, liebe Leser, daher gerade ein recyceltes Fitzelchen Eppinger Wald in den Händen.

Ein großer Teil dieses Industrieholzes landet jedoch in den heimischen Porzellanschüsseln, denn die Nachfrage nach minderwertigem Holz ist aktuell gut, auch wegen der zeitweiligen Klopapier-Misere, sagte Martin Rüter, der seit Januar das Heilbronner Kreisforstamt leitet. Viel Geld verdienen lässt sich mit dem Verkauf von Sturm- und Käferholz allerdings nicht, was zu Folge hat, dass die Stadt Eppingen nun viel (übrigens holzfreies) Baumwollpapier braucht: Daraus bestehen die Geldscheine, von denen erstmals wirklich viele nötig sind, um das Defizit des Forstbetriebs auszugleichen: Rüters Prognose zufolge werden am Ende des Jahres wohl 200.000 Euro fehlen. "Das wird in den nächsten Jahren wohl nicht weniger", kündigte Rüter bei seinem Zwischenbericht zum Forstjahr im Verwaltungsausschuss des Eppinger Gemeinderats schon mal an; und das, obwohl weit mehr Holz geerntet und verkauft wird, als vorgesehen war: Schon jetzt, Mitte des Jahres, sind die Waldarbeiter 1200 Festmeter über dem Gesamtjahressoll von 12.500 Festmetern.

Mehr gefällte Bäume bringen zwar auch ein Mehr an Verkaufserlösen, zumal der Holzpreis, außer für Fichtenholz, trotz der steigenden Menge auf dem Markt laut Rüter noch einigermaßen stabil ist. Allerdings steigen auch die Kosten für die "Ernte": Geplant waren 290.000, benötigt werden aber wohl 380.000 Euro. Außerdem sind 25.000 Euro zusätzlich nötig, um Flächen wieder aufzuforsten und zu pflegen, die von Sturm, Käfer und Pilze als Wüstenei hinterlassen wurden. Immerhin: "Wir haben keinen Zusammenbruch auf großen Flächen", bilanzierte Rüter. Anders sei das aktuell bei Monokulturen, beispielsweise im Schwarzwald: "Da sterben gerade ganze Hänge."

Als aktuellen "Hauptfeind" der Eppinger Förster hat Rüter den "Buchdrucker" ausgemacht, eine Borkenkäferart, die den Fichten den Garaus macht und deren Population sich gerade "aufschaukelt". Er befällt auch Stämme, die vom Sturm umgeweht wurden und vermehrt sich laut Rüter gerade rasant. Die zweite Generation entwickelt sich bereits, und die Forstleute müssen die befallenen Stämme schnellstens aus dem Wald bringen, um die weitere Ausbreitung zu stoppen.

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Aber auch der eher unbekannte Buchenborkenkäfer, der jahrzehntelang kaum eine Rolle spielte, macht den Förstern zunehmend Sorgen: Auch die Population dieses sehr aggressiven Schädlings nimmt gerade enorm zu "und bringt auch gesunde Bäume zum Absterben", warnte Rüter. Dass die Buchen, bislang die Hauptbaumart im Eppinger Wald, in diesem Jahr besonders viele Früchte entwickeln und dadurch geschwächt sind, und sich außerdem das dritte zu trockene Jahr in Folge abzeichnet, macht die Probleme nicht eben kleiner. "Die Buche wird nicht verschwinden", sagte Rüter, "aber sie wird ihre Dominanz verlieren."

Und Corona? Das Virus hat noch keine direkten Auswirkungen auf die – bislang übrigens unfallfreie – Arbeit der Forstleute, indirekte allerdings schon: Die Kommunen stehen finanziell bekanntlich unter großem Druck, und höhere Ausgaben für den Wald stehen dann schnell auf dem Prüfstand. Zwar bekannten sich Oberbürgermeister Klaus Holaschke und die Sprecher der Eppinger Gemeinderatsfraktionen in der Sitzung klar zum Wald und der Verantwortung der Stadt, dennoch sehnte wohl mancher die Vergangenheit herbei, als der Eppinger Wald eine zuverlässige Einnahmequelle war und mitunter 200.000 Euro und mehr in die Stadtkasse brachte.

Um die Ausgaben – und damit das Defizit – nicht gar zu sehr steigen zu lassen, versprach Rüter weiterhin stark auf Naturverjüngung, also das natürliche Wachsen von Baumsamen zu setzen. Ohne gezielte Neupflanzungen in erheblichem Umfang werden sich die Kahlflächen aber nicht klimastabil wiederaufforsten lassen: 15.000 Setzlinge wurden in diesem Jahr bereits gepflanzt, darunter hauptsächlich Stieleichen, aber auch viele Schwarznuss-Bäume, einige Flatterulmen und auch Tulpenbäume.

Die klimaresistenteren "Neubürger" im Eppinger Wald, als solche bezeichnete Rüter beispielsweise Baumhasel oder Libanonzeder, werden zunächst auf kleineren Flächen erprobt – die Förster müssen diese Bäume und ihre Eigenschaften schließlich erst kennenlernen. Vielleicht erfüllen ja nicht alle Arten die in sie gesetzten Erwartungen, aber das wird sich dann erst in etlichen Jahren zeigen.

Rüter begrüßte den Vorschlag, sich vor der in zwei Jahren anstehenden neuen "Forsteinrichtung", dem Zehn-Jahres-Plan für den Wald, mit Gemeinderäten und Verwaltung zusammenzusetzen und die Ziele zu diskutieren: "Dafür wären wir ausgesprochen dankbar", sagte er. Außerdem lenkte er den Blick auf eine möglicherweise noch kommende Misere: Ein stabiler Holzpreis sei abhängig vom Export von Buchen und Eschen nach Asien. "Wenn der Export, vor allem nach China, einbrechen würde, hätten wir ein Problem."

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