Die Testpflicht stellt Schulen, Kitas und auch Kommunen vor Herausforderungen
Teilweise kein Verlass aufs Land, weil Tests nicht rechtzeitig angekommen sind.

Von B. Jürriens und A. Pawelka
Kraichgau. Seit knapp einer Woche herrscht an Schulen und für Mitarbeitende im Kindergarten Testpflicht. Diese stellt die Einrichtungen und auch die Kommunen durchaus vor Herausforderungen. Ein Überblick:
Eigentlich wollte Baden-Württemberg die 4,1 Millionen Selbsttests für Schulen besorgen, musste dann aber am Montag vor einer Woche einräumen, dass diese doch nicht rechtzeitig zur Wiedereröffnung bei allen Schulen im Land angekommen sind. Es habe Probleme mit den Lieferanten gegeben. Einige Schulen blieben aufgrund der fehlenden Tests geschlossen. Ein Szenario, das auch am Adolf-Schmitthenner-Gymnasium (ASG) in Neckarbischofsheim möglich gewesen wäre. "Die Kommune hat glücklicherweise über die örtliche Apotheke zusätzliche Tests bestellt", berichtet Rektor Harald Frommknecht.
Mit dem aktuellen Wechselunterricht benötige das ASG rund 1100 Tests wöchentlich. Frommknechts Sorge, dass nicht genügend Tests geliefert werden könnten, hat sich diese Woche zunächst bestätigt. "Wir haben Tests für die Testung am Dienstag und dann noch circa 100 Tests. Das reicht auf keinen Fall für die Testung am Donnerstag."
Aus dem Sozialministerium kam die Antwort, dass für die Verteilung der Tests die Kommune zuständig sei. "Wir bitten Sie daher, direkt mit Ihrer Kommune in Kontakt zu treten. Sollten kurzfristige Bedarfe an Tests bestehen, soll sich Ihre Kommune direkt an uns wenden. Wir werden uns dann um eine kurzfristige Organisation zum Erhalt von Tests bemühen", heißt es in der E-Mail weiter. "Zum Glück kann uns die Stadt Neckarbischofsheim immer wieder kurzfristig mit Tests aushelfen, wir können uns da auf Frau Guschl verlassen, das macht mich etwas ruhiger", sagt Frommknecht.
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Am Montagnachmittag dann doch noch die erfreuliche Nachricht: 5000 Tests seien in der Kommune angekommen, davon stehen dem ASG 3000 zu. Ohne Testung keine Schulöffnung, und "es darf auch nicht jeder Selbsttest in der Schule benutzt werden", weiß Frommknecht. Die Tests seien für die Schüler kein Problem. "Ich habe in den Klassen eine kindgerechte Erklärung der Corona-Schnelltests der Augsburger Puppenkiste als Video vorgespielt. Das kam gut an", erzählt Lehrer Johannes Roß lächelnd.
Er selbst sei bereits ein Mal geimpft und hole sich seine zwei Tests immer montags im Sekretariat ab. "Wir Lehrer machen den Test zu Hause." Unterstützung gibt es in den Schulklassen vom örtlichen DRK, ergänzt Frommknecht. "Absolut ehrenamtlich. Sie führen nicht die Tests durch, aber helfen uns unter anderem bei der Verteilung." Anfragen gab es auch schon von Eltern über die Haftungsfrage, wenn sich ein Schüler beim Test verletzen würde. Kein Pardon gäbe es für Testverweigerer. "Die bleiben dann zu Hause im Fernunterricht."
An den hatte sich eine dreifache Mutter aus Neidenstein (Name der Redaktion bekannt) bereits gewöhnt. "Es hat sich alles eingespielt, aber natürlich freuen sich die Kinder auf die Schule." Ihre Kinder hätten keinerlei Probleme mit den Schnelltests. Die Masken wären das größere Übel. "Im Unterricht ist es ok, aber warum man draußen beim Schulsport Masken tragen muss, finde ich fragwürdig." Eine mögliche Testpflicht in der Kita sieht sie auch für ihren Jüngsten problematisch. Eine Anfrage bei der örtlichen Kinderkrippe "Rappelkiste" und der Kita "Biberburg" bestätigt, dass eine mögliche Testpflicht auf keinen Fall von den Erzieherinnen umgesetzt werden würde. Das würde man den Eltern überlassen, sollte es so weit kommen, heißt es.
Derzeit müssen sich aber nur die Mitarbeitenden testen. Herausforderung genug. "Ich kam mir vor wie ein Drogendealer", sagt Sandra Jürriens, Leiterin der sieben "Rappelkiste"-Einrichtungen, als sie erzählt, wie schwierig es gewesen sei, die Tests zu besorgen. Man müsse regelrecht betteln, um die Tests zu bekommen. Den Kommunen macht sie dabei keinen Vorwurf. Die würden ihr Bestes geben. Jürriens muss in diesen Zeiten ziemlich flexibel bleiben. Schon alleine, weil die Tests in den unterschiedlichen Kommunen unterschiedlich ausgeliefert werden. Teilweise kommen sie wöchentlich, teilweise eine große Ladung einmal im Monat. "Vorher war es einfacher", erzählt sie. Vorher, das war, als Ärzte und Apotheker noch vor Ort testen durften. Nun können sie das nicht mehr mit den Krankenkassen abrechnen. Also gibt es nun Kolleginnen, die geschult sind, um zu testen. Das findet Jürriens gut, auch weil sie dadurch flexibler seien und auch mal außer der Reihe bei Bedarf testen könnten. Vor allem die ersten zwei Wochen im April seien nervenaufreibend gewesen. Mittlerweile habe sich das mit den Tests ganz gut eingependelt. Trotzdem ist die Corona-Lage angespannt. "Jeden Tag kommt irgendwas, was man neu organisieren muss", sagt Jürriens, die auch erzählt, dass ihre Mitarbeiterinnen auf dem Zahnfleisch gehen.

Den Müttern geht es teilweise nicht anders. Erst am Donnerstag hätten drei Mütter geweint, weil sie Angst vor dem nächsten Lockdown haben und ihre Kinder nicht in die Notbetreuung geben dürfen. "Man ist so hilflos. Man kann sie nicht mal in den Arm nehmen." Was sie sich wünschen würde? Dass das Material da ist, wenn die Politik neue Regeln beschließt.
Ob die Tests verfügbar sind, ist weiterhin ungewiss, auch wenn das Sozialministerium am Montag zusicherte, dass weitere Lieferungen in Auftrag gegeben worden sind, nach denen bis zu 5,4 Millionen Tests an die Kommunen in der nächsten und übernächsten Woche abgegeben werden sollen. Doch nicht jedes Rathaus möchte sich der Unsicherheit aussetzen, ob eine Lieferung pünktlich oder überhaupt kommt.
Helmstadt-Bargens Bürgermeister Wolfgang Jürriens und sein Team haben daher vorsorglich selbst 3500 Tests bestellt. Wäre das nicht geschehen, hätte die Schule vergangenen Montag geschlossen bleiben müssen, denn die Tests vom Land kamen am Dienstag. Warum das Land das nicht hinbekommt, kann er nicht sagen. Womöglich läge es an der Menge. "Geärgert hat es uns mächtig", sagt der Rathauschef. Für die Basis sei das alles ein "riesen Aufwand". Und dabei geht es gar nicht so sehr um die Tests. Die ständigen Veränderungen und neuen Vorgaben würden schlauchen. "Da rede ich nicht von fünf Tagen", sagt Jürriens und fügt hinzu, dass er beinahe von Stunden gesprochen hätte. Er würde sich von Bund und Land wünschen, dass schneller und klarer kommuniziert wird und die Informationen "sauberer nach unten" durchgegeben werden. Und auch schnellere Entscheidungen, die dann beibehalten werden, würden ihm und seinem Team enorm helfen. Weniger Bürokratie und einfach mal machen, nennt er es. Außerdem wünscht sich der Bürgermeister, dass die Impfungen mit Nachdruck vorangetrieben werden. Am liebsten wäre es ihm, wenn die Impfungen auch für größere Teile der Bevölkerung in den jeweiligen Kommunen stattfinden. "Das können wir auch hinbekommen."
Jürriens Amtskollege aus Epfenbach, Joachim Bösenecker, sieht vieles ähnlich. Auch er hat auf eigene Faust 1000 Test für sein Dorf besorgt. Bösenecker bemängelt vor allem die unklaren Vorgaben. Man wisse nicht, wie viele Tests das Land nun liefere oder welche Tests überhaupt zugelassen sind. "Man hat keine klaren Vorgaben." Und: "Es geht an die Nerven." Daher fände er eine Liste hilfreich, in der steht, welche Tests verwendet werden dürfen. Die Corona-Krise stresse ihn derzeit mehr als vor einem Jahr. "Jetzt wird von den Kommunen mehr erwartet." Die Tests findet er gut, sieht aber auch hier teilweise keine Stringenz. Möchte er zum Friseur gehen, braucht er einen negativen Schnelltest, geht er zum Zahnarzt, braucht er diesen nicht.



