Beatles oder Stones?

Sinsheimer Rolling-Stones-Fan erinnert sich an die 1960er

Die Frage stellte sich in den Jahren häufiger. Ein Gastbeitrag.

26.07.2023 UPDATE: 26.07.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 51 Sekunden
Harald Mutschler ist Rolling Stones-Fan durch und durch: Das gerahmte Bravo-Poster stammt aus dem Jahr 1965, damals war er 15. Foto: Christian Beck

Von Harald Mutschler

Sinsheim. Die Musikszene in Deutschland war Ende der 1950er-Jahre überschaubar. Freddy Quinn war mit seinen wehmütigen, von Fernweh geprägten Liedern der Hitparadenkönig. Die jüngere Generation lauschte dagegen den Klängen, die von Amerika über den großen Teich nach Europa geschwappt waren. Elvis Presley sorgte für eine regelrechte Revolution in der Branche.

Durch meine acht Jahre ältere Schwester war ich bereits mit neun Jahren ebenfalls infiziert. Doch dann kamen 1962 aus England ganz neue Klänge. Eine bis dato unbekannte Band namens "The Beatles" löste Begeisterungsstürme aus. Auch ich wurde von diesem neuartigen Sound der vier Liverpooler mitgerissen, bis einer meiner Klassenkameraden von einer anderen Gruppe erzählte: die "Rolling Stones" aus London.

"Not fade away", eine Coverversion von Buddy Holly hieß eine der ersten Singles dieser Newcomer. Ich war sofort begeistert. Kein Harmoniegesang wie bei den Beatles, sondern raue Gitarrenriffs mit Mundharmonika bestimmten den Rhythmus.

Und als ich dann die ersten Fotos des Quintetts sah, war ich hin und weg. Die Haare waren viel länger als bei den Beatles, sahen ungepflegt aus – was sie nicht waren – und das Outfit traf genau den Geschmack der damaligen Teenager.

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Stones-Manager Andrew Oldham hatte ganz bewusst seine Schützlinge als Gegenpol zu den Beatles aufgebaut. Auf der einen Seite die adrett in Anzügen auftretenden, liebenswerten Liverpooler, auf der anderen Seite die rebellisch und aufmüpfig wirkenden Londoner. Schwiegermütter-Traum gegen Schwiegermütter-Schreck.

Als meine Mutter dann eines Tages auch noch meinte, dass ihr die Lieder der Beatles gut gefielen, fühlte ich mich bestätigt, dass ich auf der richtigen Seite stand. Auch mein Vater enthielt sich jeglichen Kommentars, wenn er die Beatles hörte. Bei den Stones murmelte er dagegen: "Urwaldmusik".

Mein Lieblings-Stone war Rhythmusgitarrist Brian Jones, der die Gruppe 1962 gegründet hatte und verschiedene Instrumente beherrschte, aber bereits 1969 im Alter von 27 Jahren starb.

In meiner Klasse gab’s geteilte Meinungen. Fortan hieß es: "Bist du für die Beatles oder für die Stones?" Natürlich haben wir uns nicht geprügelt, es blieb bei verbalen Auseinandersetzungen. Die Stones-Anhänger hatten anfangs einen schweren Stand.

Denn während die Beatles einen Nummer 1-Hit nach dem anderen produzierten und von selbstkomponierten Songs lebten, liefen die Stones mit Coverversionen dem großen Durchbruch hinterher.

Und dann geschah etwas, was beide Lager erstaunte. Die Stones brachten 1963 mit "I wanna be your man" ausgerechnet eine Komposition von den Beatles heraus. Man hatte gedacht, dass sich auch die Musiker beider Bands nicht grün waren. Dem war aber gar nicht so. Sie kamen oft zusammen und respektierten einander.

Und bei einem dieser Treffen fragte Stones-Sänger Mick Jagger, ob John Lennon und Paul McCartney nicht vielleicht einen Song für sie hätten, den sie nicht bräuchten. Und so kam es zu dieser Aufnahme, die den Stones immerhin Platz 13 in der englischen Hitparade bescherte.

Wer den gravierenden Unterschied zwischen beiden Bands hören möchte, vergleiche am besten die beiden Versionen, denn auch die Beatles haben für ihre LP "With the Beatles" "I wanna be your man" aufgenommen.

Für die Stones begann die Weltkarriere 1965, nachdem ihr Manager die Frontmänner Mick Jagger und Keith Richards mehr oder weniger gezwungen hatte, eigene Lieder zu schreiben. "The last time" hieß der erste Nummer 1-Hit aus eigener Feder. Danach folgte im selben Jahr mit "Satisfaction" der absolute Knaller, der von Musikkritikern nach Bob Dylans "Like a rolling stone" als zweitbester Song aller Zeiten eingestuft wurde.

Als die Stones im September 1965 ihre erste Deutschland-Tournee absolvierten, blutete mir das Herz. Natürlich wäre ich gerne dabei gewesen bei ihren Auftritten in Münster, Essen, Hamburg, München und Berlin. Aber ich war erst 15 Jahre alt und hatte keine Möglichkeit gesehen, an einen Veranstaltungsort zu gelangen. Immerhin hat die ARD das Konzert in der Gruga-Halle in Essen live übertragen.

Die Auftritte dauerten damals nur rund 25 Minuten. Das führte auch dazu, dass enttäuschte Fans, die mehr hören wollten, in der Berliner Waldbühne randalierten und das gesamte Mobiliar in Stücke schlugen. Im vergangenen Jahr kamen die Stones zu einem Konzert an den Ort des damaligen Geschehens zurück. Richards bemerkte dabei süffisant: "Da war doch mal was."

Die Beatles kamen dagegen erst 1966 zu ihrer ersten Tournee nach Deutschland. Punkt also für die Stones-Fans. Und heute spricht eigentlich fast niemand mehr von den Beatles, während die Stones nach 60 Jahren immer noch in aller Munde sind.

Mittlerweile habe ich einige Dutzend Live-Auftritte meiner Lieblingsband gesehen, zuletzt im vergangenen Jahr in Berlin. Und demnächst soll ja wieder eine neue CD erscheinen. Man lese und staune: unter Mitwirkung der beiden noch verbliebenen ehemaligen Beatles-Mitglieder Paul McCartney und Ringo Starr.

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